Das Engagement der Mäzene

Von Carsten Probst |
Es ist die erwartete hochkarätige Schau, die die Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK) in Leipzig präsentiert. Sie bietet einen Blick auf das, was Brigitte und Arend Oetker an der aktuellen Kunst in Deutschland bedeutsam erscheint. Gleich nach der Wende hatte sich das Sammlerpaar für gemeinsame Ausstellungen von west- wie ostdeutschen Künstlern engagiert.
Christiane Schneider, Kuratorin der Sammlung und der Ausstellung: " Wir haben grundsätzlich natürlich uns bemüht, Stränge, die in der Sammlung Schwerpunkte sind, herauszuarbeiten, und da sind einmal sicher kunsthistorische Bezüge ein ganz wichtiges Moment, untereinander gibt es Bezüge zwischen den Künstlern – und dann ist ein anderer Aspekt der des Humors. "

Wie ein Programm wirkt das längliche Fragezeichen von Richard Artschwager am Eingang, das darauf hinzudeuten scheint, dass eben nichts wirklich fest ausgemacht ist an dieser Kunst und an ihrer Präsentation, dass alles dazu da ist, immer wieder neu hinterfragt zu werden, so wie diese Kunst wesentlich aus dem Antrieb besteht, sich und ihre gesellschaftliche Rolle beständig selbst zu hinterfragen. Es wäre oberflächlich, hier nur nach den bekannten Namen und Werkkonvoluten zu schauen, die es natürlich gibt: von Franz West, Martin Kippenberger, Rosemarie Trockel, Alighiero Boetti, Hanno Otten, Jorge Pardo oder Isa Genzken.

Diese Werke stehen allerdings in fragiler Verwandtschaft miteinander in einer Skepsis gegenüber dem Kunstsystem und seiner Jagd nach Trophäen, Spektakel und Verkaufsrekorden. Der Direktorin der öffentlich finanzierten Galerie, Barbara Steiner, war ja vorgeworfen worden, durch das zweijährige "Carte Blanche"-Programm, in das auch die Oetker-Ausstellung gehört, den privaten Sammlern gänzlich das Feld in den öffentlichen Museen überlassen zu wollen. Brigitte Oetker jedoch bekundet, an solchen Deals gar nicht interessiert zu sein:

" Ich denke, dass die Diskussion sehr wichtig ist, aus sehr vielen unterschiedlichen Gründen. Unsere persönliche Position lässt sich daran sicherlich ablesen, dass wir eben kein eigenes Museum bauen, sondern dass wir eher der Meinung sind, wir sollten die bestehenden Institutionen stärken und fördern und uns auch in den Rahmen, in den Kontext dieser öffentlichen Sammlungen jeweils stellen. "

Auch die in den letzten Jahren viel kritisierte Praxis von Sammlern, Dauerleihgaben aus öffentlichen Museen nach Gutdünken wieder abzuziehen, wenn denn die Marktpreise für bestimmte Künstler wieder einmal gestiegen sind, kritisiert Brigitte Oetker. Privatsammler sollten auch niemals die Macht bekommen, Bedingungen an die Museen zu stellen und so die Programme der Häuser mitzubestimmen.

Brigitte Oetker: " Es ist auch natürlich so, dass wir keine gigantische Sammlung haben, aber dass wir doch der Meinung sind, dass Museumspolitik eine Frage der öffentlichen Hand ist und auch bleiben sollte in Deutschland, dass wir ein sehr altes kulturelles Angebot hier haben, und wir sind der Meinung, dass die Privaten ergänzen, dass da jeder seinen Weg finden muss, und dass wir aber gerne stärken möchten, was besteht und da auch diesen Bildungsauftrag des Museums gerne fördern möchten. Das tun wir jetzt mit dieser Ausstellung, aber daneben fördern wir ja auch institutionell einfach das Kleinklein, das Tägliche hier, ja? Indem wir die Betriebskosten zu einem Drittel mit dem Land und der Stadt Leipzig geteilt übernehmen. Und insofern sind wir der Ansicht, dass die Institution als Institution fördernswert ist und nicht allein eine private Spielwiese daraus wird. "

Der mäzenatische Grundzug der Sammlung und des kulturellen Engagements der Oetkers hat sich in der Tat in ihrer Unterstützung der Galerie für Zeitgenössische Kunst am vielleicht bislang stärksten manifestiert. Schon vor der Wiedervereinigung hatten sich die Oetkers mit dem ostdeutschen Kunsthistoriker Klaus Werner zur Förderung junger Kunst aus der damaligen DDR verabredet und ihn in seinen Plänen für eine Galerie für Gegenwartskunst, wohlgemerkt aus Ost und West, in Leipzig bestärkt. Nach der Wende entstand aus diesen Plänen die Galerie für Zeitgenössische Kunst, die 1998 von Klaus Werner als Gründungsdirektor eröffnet wurde, um eben aktuelle westliche Kunst in den neuen Bundesländern mit jungen Künstlern aus Ostdeutschland wie etwa Neo Rauch gemeinsam vorzustellen.

Da sich aber die Stadt Leipzig und das Land Sachsen schwertun mit einer ausreichenden Finanzierung, kämpft Werners Nachfolgerin Barbara Steiner seit geraumer Zeit um die finanzielle Existenz des Ausstellungsbetriebes. Ohne die Oetkers wäre dieser nicht möglich. So lässt sich diese Ausstellung als Kernbeitrag der ganzen "Carte Blanche"-Serie verstehen – die Unterstützer treten aus dem Hintergrund und stellen ihre Sicht auf die Gegenwartskunst aus.

Diese Kunst zeigt sich widersprüchlich, verspielt, selbstironisch und vor allem kunst-kritisch. Sie entzieht sich der leichten Konsumierbarkeit ebenso wie der politischen Vereinnahmung, die derzeit so merkwürdig selbstverständlich geworden zu sein scheint. Nicht jede Ausstellung von "Carte Blanche" war so bedeutsam, manche fragwürdig. Nicht jede Stadtzeitung und Kreissparkasse muss ihre Kunstpreisträger hier präsentieren. Aber diesmal bleibt festzustellen: Selten genug, dass Sammler so tatkräftig für die Unabhängigkeit der Kunst und ihrer Institutionen streiten.