Das Ende eines Traums

Von Thorsten Jabs, Deutschlandradio Kultur |
Michael Ballack ist nicht zu ersetzen. Sein Ausfall bei der Fußball-Weltmeisterschaft wiegt für Trainer, Mannschaft, Land und natürlich ihn persönlich schwer.
Michael Ballack ist nicht zu ersetzen. 98 Länderspiele, 42 Tore, noch bis zum Sommer beim FC Chelsea unter Vertrag und mit dem englischen Premier-League-Club gerade das Double, also Meisterschaft und Pokal, gewonnen. Der 33-Jährige ist der einzige aktuelle Nationalspieler, der das Prädikat "Weltklasse" verdient. Sein Ausfall bei der Fußball-Weltmeisterschaft - dem Traum jedes Kickers, wiegt schwer - für Trainer, Mannschaft, Land - und natürlich ihn persönlich.

Sicherlich spielt der Münchner Philipp Lahm seit Jahren auf allerhöchstem Niveau - egal ob rechts oder links in der Viererkette - und ist auf dem besten Weg, ein Führungsspieler zu werden. Genauso wie Bastian Schweinsteiger, der mit seinen 25 Jahren schon auf 73 DFB-Einsätze kommt und in München eine starke Saison im zentralen Mittelfeld spielt.

Vielleicht bietet sich der Mann an, der jetzt im Kader die meisten Länderspielen auf seinem Konto hat - allerdings hat Ballacks Stellvertreter Miroslav Klose in dieser Saison gerade einmal drei Bundesligatore geschossen und ist als lautstarke Führungspersönlichkeit kaum aufgefallen.

Aber genau die wird in der Zentrale gebraucht. Wahrscheinlich wird dort der Stuttgarter Sami Khedira neben Schweinsteiger spielen. Sportlich kann das sogar eine Chance sein - schließlich wurde an Ballack schon zu seinen besten Zeiten kritisiert, dass er das Spiel manchmal verzögert oder nicht schnell genug in die Spitze spielt, wie man es beim FC Bayern 2010 auf beeindruckende Weise vorgeführt bekommt.

Aber bei einer Weltmeisterschaft wiegt Erfahrung schwerer. Ein Kapitän muss nicht nur ein Ausnahmefußballer sein, sondern ein Anführer. Das war Ballack in den letzten Jahren, auf und außerhalb des Platzes. Bei der EM 2008 hat er das entscheidende Tor gegen Österreich erzielt, hinter ihm konnten sich die Spieler an einem schlechten Tag auch mal verstecken - zum Beispiel vor der Medienmeute.

Drei Kapitäne und spätere Ehrenspielführer haben den DFB auf den Fußball-Olymp geführt - Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus. Das war auch das Ziel von Michael Ballack nach Platz zwei in Japan und Südkorea 2002 und Platz drei beim Sommermärchen im eigenen Land. Diese Chance wurde ihm durch das brutale Foul von Kevin-Prince Boateng genommen.

Abgesehen davon, dass die junge deutsche Truppe jetzt ohne ihren wichtigsten Führungsspieler dasteht und die Last auf mehrere Schultern verteilen muss, um erfolgreich zu sein - für Michael Ballack bedeutet die Absage das Ende eines Traums, vielleicht sogar das Aus im Nationalteam.

Seine beste Zeit dürfte vorbei sein, auch Chelsea könnte noch mehr als bisher zögern, seinen Vertrag zu verlängern. Und er könnte als einer der wichtigsten DFB-Kapitäne ohne WM-Titel in die Geschichte eingehen - aber zu Michael Ballacks Trost befindet er sich da in guter Gesellschaft mit einem anderen früheren Weltklassespieler - mit Uwe Seeler.