Das Ende des Musik-Downloads?

Wie Spotify die Musikindustrie verändert

Auf einem Laptop kleben am 07.04.2016 in Berlin Sticker des Musikstreamingdienstes Spotify.
Sticker des Musikstreamingdienstes Spotify auf einem Laptop. © picture alliance / dpa / Sophia Kembowski
Medienjournalistin Ina Plodroch im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 05.01.2018
Das schwedische Unternehmen Spotify hat seinen Börsengang angekündigt und markiert damit eine weitere Stufe des Aufstiegs. Wie die zunehmende Bedeutung des Streamings die Hörgewohnheiten, die Musikindustrie und die Musik insgesamt verändert hat, erklärt die Medienjournalistin Ina Plodroch.
Der Siegeszug des Streamings auf Kosten anderer Arten des Musikangebots vollzieht sich stetig. Jetzt gibt es Nachrichten, die eine neue Stufe der Machteroberung, möglicherweise auch deren Beschleunigung anzeigen: Spotify hat seinen Börsengang angekündigt, Gerüchte verdichten sich, dass Apple iTunes und andere Plattformen planen, das Download-Geschäft einzustellen.

Rettungsanker der Musikbranche

Das Erfolgsmodell Streaming habe eigentlich den Musikmarkt gerettet, weil es tatsächlich die Lücke geschlossen habe, die Anfang der 2000er-Jahre entstanden sei, sagte Ina Plodroch im Deutschlandfunk Kultur. Damals hockten vor allem die jungen Menschen vor ihren riesigen Computern, um sich illegal Musik herunterzuladen, erläuterte die Medienjournalistin, der Umsatz der Musikindustrie brach um 40 Prozent ein.
Dass es inzwischen wieder bergauf geht, bestätigt auch der Vorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie Florian Drücke:
"Die Musikindustrie ist in den letzten Jahren auch in Deutschland wieder gewachsen, dank des Musik-Streamings."
Der Bereich Streaming mit enormen Wachstumszahlen sei eben längst keine Nische mehr, sagte Plodroch. Auch in Deutschland, wo die Musikfans recht altmodisch noch immer am meisten Geld für CDs ausgeben, werde etwa 35 Prozent des Umsatzes durch Streaming-Dienste, also Abos, generiert. Weltweit habe Spotify 60 Millionen zahlende Nutzer, so die Medienjournalistin.

Einfluss auf die Gestaltung der Songs

Das Streaming habe inzwischen auch Einfluss auf die Musik selbst, sagte Plodroch, zumindest meinten das Autoren der "SZ" und auf dem US-amerikanischen Blog "Pitchfork" – und beriefen sich dabei auf ein wichtiges Detail. Weil Spotify den Künstlern oder den Labels erst nach 30 Sekunden Tantiemen zahlt, müssten die Hörer bei jedem Song in der Playlist zumindest solange durchhalten, ohne den nervösen Finger weiterskippen zu lassen. Demensprechend müssten die Songs dann gestaltet werden, so Plodroch. Ein gutes Beispiel dafür sei "rockstar" von Post Malone ft. 21 Savage, das schon seit gefühlten Ewigkeiten auf Platz 1 der Global Charts bei Spotify liege.

Ross Golan, der Macher des Podcasts "And the Writer is... ", schreibt mit vielen anderen Megahits für zum Beispiel Justin Bieber, Selena Gomez oder Ariana Grande – und bestätigt diese Strategie, zumindest für die US-amerikanische Pop-Maschinerie:
"Wenn ich deine Aufmerksamkeit nicht für mindestens 15 Sekunden einfange, wirst du meinen Song weiterskippen. Die technische Analyse von Spotify merkt das natürlich und der Song wird verschwinden, weil ihn alle wegklicken. Wenn ich also will, dass mein Song gehört wird, dann gebe ich mir bei den ersten Sekunden des Songs besonders viel Mühe. Und das ist wirklich anders als bei Radiohits."

Auch weniger bekannte Künstler und Bands profitieren

Aber wie sieht die Musikwelt in Zeiten von Spotify abseits der Charts aus? Dass einzelne Musiker, Sänger oder Bands vom Erfolg der Streaming-Plattformen wenig profitierten, sei in den vergangenen beiden Jahren immer wieder laut kritisiert worden. Was ein Künstler nun pro gestreamten Song bekommt, sei gar nicht so einfach zu sagen, erläuterte Plodroch: Das ändere sich jeden Monat, je Kanal und je Land und sei auch davon abhängig, ob ein Künstler einen Labelvertrag hat oder nicht und wenn ja, was darin vereinbart sei.
So fragte Geoff Barrow von der britischen Band Portishead Ende Dezember seine Musikerkollegen auf Twitter nach nennenswerten Einnahmen von Spotify. Daraufhin habe sich die Indieband Car Seat Headrest zu Wort gemeldet, die mit im Schnitt etwa sechs Millionen Aufrufen pro Song laut Plodroch zum guten Mittelfeld gehören – und die sagen, dass sie eigentlich ganz zufrieden sind: Sie haben nach eigener Aussage seit 2013 immerhin 30.000 Dollar eingenommen.

Die Spotify-Boykotteure knicken ein

Die Medienjournalistin sieht aber noch ein weiteres Indiz, das belege, wie wichtig das Streaming inzwischen geworden ist. Viele Künstler, die den Dienst boykottiert haben, seien inzwischen umgekippt und nun doch dabei: Erdmöbel aus Köln oder auch Thom Yorke, der Sänger von Radiohead, der seinen Solo-Boykott von Spotify nun auch beendet habe:
"Das heißt also: Nein sagen, das scheint schwieriger zu werden."

(hum)
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