Das Ende des Mittelstands

Rezensiert von Peter Zaun |
Ob die Globalisierung ein Fluch oder eher ein Segen ist, darüber wird seit Jahren heftig gestritten. In die Riege der Globalisierungskritiker reiht sich nun auch Huschmand Sabet mit seinem Buch „Globale Maßlosigkeit“ ein. Die These des ehemaligen Managers: Durch Banken und transnationale Unternehmen wird der weltweite Mittelstand systematisch vernichtet.
„Im materiellen Bereich ist Globalisierung die Vernichtung der Entfernung; im geistigen Bereich die Vernichtung der Entfremdung.“

Lautet die Definition in diesem Text. In der kaum noch überschaubaren Liste der Publikationen pro und contra Globalisierung muss sich jede zusätzliche Veröffentlichung an der Frage messen lassen: Welcher neue Gedanke kommt damit in die Diskussion? Der Verfasser führt aus:

„Auf einem hohen Leistungsniveau der Wirtschaft ist aus Gier, Inkompetenz und Opportunismus der größte Leistungsträger beschädigt worden. Gemeint ist die systematische Vernichtung des weltweiten Mittelstandes durch Banken und transnationale Unternehmen.“

Nein, dies ist keine linke Kampfschrift, sondern ein faktenreiches Sachbuch. Ein Text wider schrankenlose Marktfreiheit, welche als Krebsgeschwür der Gesellschaft tituliert wird.
In prägnanter Kürze wird hier die Destabilisierung dieser Gesellschaft durch genannte Investorpartisanen skizziert – verborgen agierende Finanzjongleure, dann durch Global Players und Investmentbanken. Investmentbanken und ihre Manager sind hier im Buch das argumentative Angriffsziel Nr.1. Nimmt der Mittelstand nicht wahr, fragt sich der Autor, dass die weltumgreifende Maßlosigkeit der Investmentbanker das klassische Kreditgeschäft zum Erliegen gebracht hat? Und…

„Je mehr ein Bankhaus auf Erträge aus dem Investmentbanking angewiesen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass dieses zu einer Gefahrenquelle für die Gesamtwirtschaft und das Gemeinwohl wird.“

Globalisierung ist für den Verfasser längst kein Begriff mehr für ein Spannungsfeld, in dem Nord-Süd- oder Arm-Reich-Probleme angesiedelt sind. Globalisierung heißt vor allem, dass die Superreichen den Rest der Menschheit über das herrschende, weltökonomische System ausplündern. Dadurch…

„entsteht eine neue Lage für die große Mehrheit der Bürger in reichen Ländern. Sie sind jetzt die, die unter Druck geraten – eine Rolle, welche die Armen auf diesem Globus schon immer innehatten.“

Behauptungen dieser Art bedürfen natürlich eines Beweis sichernden Zahlenfundaments. Dies wird dem Leser auch präsentiert. Wobei er sich bei besonders haarsträubenden Angaben einen sorgfältigeren Quellennachweis wünschte. So soll der 500 Milliarden Dollar Umsatz des globalen Drogenhandels den des Ölgeschäfts übertroffen haben. Wenn ja, in welcher Zeitspanne? Der Menschenhandel soll eine noch größere Gewinnsumme als Öl und Drogen in virtuellen Welt-Bilanzen aufweisen.
Doch Zahlen allein mögen den Wahnsinn einer Wirtschaftsordnung brandmarken. Wirkliche Veränderungen bewirken sie kaum. Was könnte nach Ansicht des Autors einen Beitrag zur gerechteren, entkriminalisierten Weltordnung liefern?

„Es braucht Ombudsmänner mit ausreichenden Befugnissen, die einen Missbrauch des Rechtsstaates durch die Banken und transnationalen Unternehmen sowie die Langsamkeit der Gerichte kurzfristig verhindern.“

Wohlmeinende Vorschläge. Sind sie realitätsnah? Auch der Autor stellt fest, dass die Wirtschaft längst den Sieg über andere Kulturpraktiken wie Religion, Wissenschaft und Politik errungen hat. Ihm ist auch klar, dass eine Nivellierung von Unterschieden kein Patentrezept darstellt. Er befürchtet allerdings, dass die negativen Erfahrungen mit dem Kommunismus durch einen hemmungslosen Turbokapitalismus übertroffen werden. Ob dazu auch die Forderung gehört:

„Die reichen Länder des Nordens schulden den armen Ländern des Südes mehrere Billionen Dollar.“

Das ist anfechtbar.
Das letzte Kapitel des Buches trägt die Überschrift:
„Elixier der Globalisierung“
Da soll die Welt mit Hilfe einer neuen „Welthilfssprache“ in ein Zeitalter der gerechteren Kommunikation übergehen. Fast alle unsere Nachkommen könnten Millionäre werden, wenn die Gier der Superreichen endlich eingedämmt ist. Und alle bezahlten dann selbstverständlich in einer „Weltwährung“. Wenn überhaupt noch Unstimmigkeiten auftreten sollten, wird der „Weltgerichtshof“ vor dem Hintergrund einer „Weltverfassung“ salomonische Urteile verkünden.

Schade! Hier entwertet der Verfasser seine bisherige Arbeit, sein leidenschaftliches Eintreten für eine gerechtere Globalisierung. Er verfremdet die Fakten und sein visionäres Hoffen und Denken durch naive, utopische Phantasien. Dennoch am Pranger steht eine amoralische Clique, deshalb ist dies für jeden, der an ökonomischen Hintergründen interessiert ist, ein wichtiges Buch.

Huschmand Sabet: Globale Maßlosigkeit / Der (un) aufhaltbare Zusammenbruch des weltweiten Mittelstandes
Patmos Verlag
224 Seiten, 14,90 Euro