Das Ende der Hinterhof-Moscheen

Von Burkhard Schäfers · 02.03.2013
Eine große, offene Moschee für München, dazu ein Orientalisches Museum, eine Bibliothek, Gemeinderäume, eine Islam-Akademie – und das alles möglichst mitten in der Stadt. Die kühne Idee findet viele Befürworter und viele Gegner.
Ein lang gezogenes Grundstück am Rande der Münchner Altstadt, 300 Meter entfernt von der Fußgängerzone. Zurzeit ist der Platz eher unansehnlich: Eine Tankstelle, Baucontainer und parkende Autos laden nicht gerade zum Stehenbleiben ein. Das würde Imam Benjamin Idriz gern ändern und hier ein islamisches Zentrum errichten.

"Genau im Herzen der Stadt befindet sich dieses Grundstück. Und deswegen macht auch interessant, wenn in Zukunft die Muslime eine Chance und eine Möglichkeit haben werden, eine Moschee und ein Islamzentrum hier auch zu bauen."

Idriz ist gebürtiger Mazedonier und Vorsitzender des Vereins "Zentrum für Islam in Europa München" – kurz ZIE-M. Er will die Muslime aus den Hinterhof-Moscheen heraus- und in die Stadt hineinholen. Von einem Viereck der Religionen ist die Rede, zwischen der katholischen Frauenkirche, der evangelisch-lutherischen Bischofskirche St. Matthäus, dem jüdischen Zentrum am Jakobsplatz und dem geplanten Islamzentrum:

"Je transparenter, desto besser für die Gesellschaft. Je zentraler die Lage, desto besser für die Mehrheitsgesellschaft, uns zu entdecken. Und dass die Muslime auch Möglichkeit haben, im Augen von Öffentlichkeit auch ihre Religion ausüben."

ZIE-M – das ist nicht nur eine Moschee. Geplant sind zudem ein Orientalisches Museum und eine Bibliothek, außerdem Gemeinderäume und eine Islam-Akademie, die eine islamische Theologie für Europa mitentwickelt. Den Begriff "Euro-Islam" findet Benjamin Idriz zwar nicht treffend, aber sein Ziel ist eine Religion, die zur modernen, aufgeklärten Lebenswelt europäischer Muslime passt:

"Meiner Meinung nach die Zukunft der Muslime hängt von Frauen ab. Wenn wir in der Lage sind, den Frauen alle Rechte zu geben, dass sie auch muslimische Vereine und Moscheegemeinden führen dürfen, dass Frauen und Männer gemeinsam am Freitagsgebet teilnehmen dürfen – das ist nicht unsere Realität. Ohne Teilhabe der muslimischen Frau innerhalb der muslimischen Community kann Integration nicht funktionieren."

Rechtspopulisten sammeln Unterschriften gegen das Islam-Zentrum
Mehr Rechte für Frauen, Freitagspredigten auf Deutsch, ein Café als Begegnungszentrum auch für Nicht-Muslime – manchen Gläubigen ist der Imam viel zu reformfreudig. Er eckt an mit seinen Ideen, im eigenen Lager und bei Rechtspopulisten. Diese fürchten Überfremdung statt Integration. Die Partei "Die Freiheit" sammelt derzeit Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen das Islam-Zentrum, ausländerfeindliche Gruppierungen starteten Demonstrationen, auf Plakaten wird ein Zerrbild von München als künftiger Hauptstadt des Islam in Europa gezeichnet. Die Gegner sehen sich allerdings einem breiten Bündnis aller wichtigen Kommunalpolitiker gegenüber, sagt Münchens Dritter Bürgermeister Hep Monatzeder von den Grünen:

"Alle Fraktionen im Münchner Rathaus haben diesem Projekt zugestimmt, weil wir die Idee gut finden. Wenn Sie durch die Stadt laufen, werden Sie viele repräsentative Kirchenbauten sehen, aber keine repräsentative Moschee. Und nachdem wir mindestens 100.000 Musliminnen und Muslime in dieser Stadt haben und natürlich einen ganz großen Besucherzustrom aus den arabischen Ländern, war es für uns wichtig, dieses Projekt zu unterstützen."

Das war nicht immer so. Nachdem die Idee vor sieben Jahren geboren worden war, mussten die Initiatoren erst einmal Widerstände im bayerischen Innenministerium überwinden. In den folgenden Jahren führten sie etliche Gespräche mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft. Landtagsabgeordnete und Stadträte reisten nach Sarajevo, um den europäisch geprägten Islam kennenzulernen. Mit Erfolg: Inzwischen sagt selbst die CSU "ja" zum islamischen Zentrum, auch auf die Gefahr hin, ihre Stammklientel zu verprellen. In einem Jahr wählen die Münchner einen neuen Oberbürgermeister samt Stadtrat. Der OB-Kandidat der CSU, Josef Schmid, versucht auch die Kritiker in den eigenen Reihen zu überzeugen:

"Das passt selbstverständlich zur CSU, weil wir differenzieren. Unser erster Grundsatz in der Integrationspolitik heißt ja "Fördern und Fordern". Wir fordern natürlich Verfassungstreue, wir fordern, dass man in Deutschland die deutsche Sprache spricht, wenn man bei uns bleiben will. Aber wir fördern selbstverständlich auch die Religionsfreiheit, und dass Muslime, die in der zweiten und dritten Generation längst zu diesem Land, zu dieser Stadt gehören, auch angemessen beten können."

Ein Punkt, der Misstrauen weckt, ist die Finanzierung des rund 40 Millionen Euro teuren Projekts. Wie es aussieht, könnte der Golfstaat Katar mit einer Großspende helfen. In dem Emirat ist der Islam Staatsreligion, der Gesetzgebung liegt die Scharia zugrunde. Zugleich strebt das Land eine Öffnung an. Sollte die Spende tatsächlich fließen, dürfe Katar keinen inhaltlichen Einfluss auf das ZIE-M nehmen, betonen Verein und Stadt unisono. Darum ging es auch, als Münchens Dritter Bürgermeister Hep Monatzeder vor kurzem mit Politikern aus Katar sprach:

"Für uns war’s immer wichtig, dass diejenigen, die Geld geben für so ein Projekt, nur als Sponsoren auftreten, ohne inhaltliche Mitsprache. Ich habe mit dem Premierminister gesprochen, und es wurde uns auch signalisiert, dass Katar nur eine Einrichtung unterstützt, wo ein moderater Islam gelehrt wird."

Die Politiker vertrauen Imam Idriz, der in der oberbayerischen Kleinstadt Penzberg vor einigen Jahren ein Islamisches Forum errichten ließ, das als Vorbild für das Münchner ZIE-M dient. Die Penzberger Moschee wurde maßgeblich vom Emirat Scharjah finanziert, hier finden Deutschkurse und Seminare der IHK statt, Idriz empfängt regelmäßig Politiker und Vertreter anderer Religionen. Eine solche offene Moschee will der Imam nun auch in München bauen und damit dem verbreiteten Negativ-Image der Muslime etwas entgegen setzen:

"Es gibt natürlich eine Art von extremistischem Verständnis des Islam, innerhalb auch junger Generationen der Muslime. Und daher wir brauchen Alternative. Die absolute Mehrheit der Muslime braucht eine sichtbare neue Adresse, die sich mit Deutschland und mit den Werten in Deutschland identifiziert."

"Wir haben eine christlich-jüdisch-abendländische Prägung"
Sobald der Verein die benötigten Millionen zusammen hat, will er ein Grundstück kaufen und die am europäischen Baustil orientierte Moschee planen. Spätestens dann allerdings müssen die Fraktionen im Rathaus noch eine größere Hürde überwinden. Denn bei der Frage, wo genau das Zentrum entstehen soll, herrscht keineswegs Einigkeit. Während sich die Grünen einen Standort in der Altstadt durchaus vorstellen können, kommt eine solch exponierte Lage für SPD und CSU nicht in Frage. CSU-Politiker Schmid empfindet das von den Initiatoren des ZIE-M ins Gespräch gebrachte multireligiöse Viereck als schiefes Bild:

"Wer jetzt so tut, als hätte der Islam denselben Stellenwert wie das Christentum, der macht den Menschen doch etwas vor. Denn das ist nicht so. Wir haben eine christlich-jüdisch-abendländische Prägung in unserer Kultur und keine islamische."

Der Islam gehöre erst seit 40, 50 Jahren zu Deutschland. Deshalb soll nach Vorstellung der CSU das ZIE-M in einem jüngeren Münchner Stadtteil entstehen – nicht am Rand, aber auch nicht im Zentrum. Auslegungssache, aber zumindest in einem Punkt sind sich Politiker und Anhänger des Projekts einig: Es soll keine Hinterhof-Moschee werden, sondern ein repräsentativer, offener Bau.
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