Das "Dream-Team" der Oper tritt ab

Von Ullrich Bohn |
Als "dynamisches Duo" wurden sie bezeichnet, zuweilen auch als "dream-team" der deutschen Opernlandschaft gehandelt, eine Titulierung, die zumindest Peter Konwitschny nun überhaupt nicht mochte:
"Dream-Team finde ich deshalb schon beschissen, weil es amerikanisch ist."

Tatsache aber ist, dass das Team Ingo Metzmacher / Peter Konwitschny mit lebhaft-kräftigen Impulsen das Hamburger Opernleben der letzten Jahre bestimmte, ein bilderstarkes Theater kreierte, "Oper zum Süchtigmachen" schuf, wie jüngst zu lesen war, die gern zitierte Chemie zwischen beiden einfach stimmte und sie zum kongenialen Paar wurden:

Metzmacher: "Das war ein Regisseur, mit dem ich über Musik sprechen konnte, und mich hat auch sein Theater interessiert, und dann lernt der eine von dem anderen und gibt ihm Impulse und das hat sich dann fortgesetzt."

Konwitschny: "Ich komme ja auch aus einem musikalischen Haus. Ich wollte ja eigentlich Dirigent werden, habe ein großes Gespür und weiß auch über Musik eine Menge, genauso wie Ingo interessiert ist an der Szene."

Angefangen hat alles in Basel in der Spielzeit 1991/92:

"Frank Baumbauer hat das vermittelt und wir haben Blaubarts Burg und Schönbergs Erwartung gemacht, an einem Abend."

Und als Ingo Metzmacher schließlich in Hamburgs Oper anfing, bestand der dringende Wunsch, über einen längeren Zeitraum eine künstlerische Kontinuität mit nur einem Regisseur entwickeln zu wollen. Die Wahl fiel auf Peter Konwitschny, die Stückauswahl aber verlangte auch Kompromisse:

"Das hat an einem Repertoire-Theater auch sehr viel damit zu tun, welche Stücke sollen jetzt mal wieder neue kommen. Also Lohengrin war ganz bewusst gewählt und wurde sodann zum Glücksfall für uns beide. Und dann haben wir eine deutsche Linie entwickelt, da ich der Meinung war, dass Konwitschny gerade mit deutschen Stücken sehr viel mehr anfangen kann. Und dann haben wir die Serie mit ihm abgesprochen: Freischütz, Wozzeck, Mahagonny, Mesitersinger, Lulu bis hin zu Moses und Aron."

Und so entwarfen diese "zwei fröhlichen Kraftpakete", wie Ulrich Khuon, Intendant des Hamburger Thalia Theaters, sie bezeichnete, ein äußerst modernes Musiktheater voller Kraft und Spaß, voller Klugheit und brennender Bilder. Um die Stücke von ihren Podesten herunterzuholen, sie verständlicher zu machen. Mit diesen Inszenierungen aber auch gesellschaftliche Situationen zu beschreiben, die aufrütteln und zuweilen schmerzen:

"Da geht es um eine Weltanschauung, welchen Sinn man dem ganzen Unterfangen Theater gibt, sind schöne Töne wichtig oder die Botschaft eines Stückes."

Erinnert sei deshalb noch einmal an die wohl einzigartige "Lohengrin"-Inszenierung, die in einem Klassenzimmer des späten 19.Jahrhunderts spielte, um die großen Hoffnungen einen junges Volkes, der Brabanter hochemotional und plastisch vorführen zu können. An die Inszenierungen von Alban Bergs "Wozzek" und "Lulu", in denen menschliche Verhaltensweisen und Abgründe wohl kaum treffender, beklemmender hätten dargestellt werden können.

An den wohl längsten "Don Carlos", wo selbst Verdis sonst nie gespielte Ballettmusiken zu hören waren, dazu aber auch voller Lust und Laune, als Kabinettstück, "Ebolis Traum", ihre Eheglück mit Carlos zu sehen war. Und Erwähnung finden muß auch Webers "Freischütz", dem Konwitschny schwungvoll, intelligent und spannend jede deutsche Gemütlichkeit austrieb.

Natürlich herrschte nicht immer nur eitel Sonnenschein zwischen Metzmacher und Konwitschny. Beim "Rosenkavalier" etwa war man nicht immer einer Meinung und auch im Vorfeld der "Lulu" gab es lange Diskussionen:

"Bei Lulu wollte Ingo die dreiaktige Fassung. Ich fand aber das Pris-Bild einfach nicht gut und deshalb haben wir uns sehr auseinandergesetzt. Aber es war immer getragen von dem Willen, uns die Werke verständlich zu machen, sie nicht zu zelebrieren."

Metzmacher: "Ich war auch viel auf szenischen Proben und habe mich immer wieder eingebracht, ganz besonders bei der Gestaltung von Fermaten. Aber das ging auch hin bis zu Ideen, dass etwas die Freischütz-Ouvertüre im Dunkeln beginnt, ich habe mich stets mit Vorschlägen eingemischt und auch im Titus, unserer vorerst letzten gemeinsamen Arbeit gibt es einiges, was von mir stammt."

Die provokanteste Idee, den nachhaltigsten Eingriff erlaubten sich die beiden jedoch bei Wagners "Meistersingern", als mitten im dritten Aufzug, bei "welschem Dunst und welschem Tand", der viel geschmähten Schwachstelle des Werkes, plötzlich die Musik aussetzte und sich Wolfgang Schöne als Sachs fragen lassen musste: Weißt du eigentlich, was du da singst?":

"Ich habe Peter Konwitschny sehr frühzeitig angerufen und gefragt, was macht du mit dieser Stelle, die fällt doch völlig aus dem Rahmen, auch musikalisch. Wie können wir das zeigen, das sie später eingesetzt wurde auf Druck von Cosima Wagner. "

Konwitschny: "Wir mussten das also richtig stellen. Aber wie. Ein Schild runterzulassen auf dem steht: das hat Wagner so nicht gemeint, wäre lächerlich gewesen. Bis wir dann auf die Idee kamen, eigentlich müsste man hier unterbrechen, und das habe ich dann ernst genommen."

Metzmacher: "Das war sicherlich eine sehr radikale Lösung, die im Ensemble auch erst mal durchzusetzen war."

Beim Finale, bei Mozarts "La Clemenza di Tito" will das Erfolgsgespann Metzmacher/Konwitschny jetzt noch ein mal alle Register ziehen, um zu beweisen, dass Mozarts Oper keineswegs, wie oft behauptet wird, langweilig ist, aber auch, damit der Abschied von Hamburg nicht allzu traurig ausfällt:

Konwitschny: "Das war in meinem Leben zum vierten Mal ein großes Glück, andere erleben das nicht einmal, zum vierten Mal eine Kontinuität hatte mit einem Dirigenten und dem Intendanten, der wirklich auch meine Arbeit wollte und nicht nur meinen Namen."

Metzmacher: "Ich werde es sehr vermissen, weil es eine sehr radikalte Arbeit war, radikal nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie mit Lust zu tun hatte, mit Lust an den Stücken, sie zu entdecken, ihre Energie freizulegen, wir haben das gemeinsam gemacht, wir hatten auch in Hamburg das bestmögliche Publikum für diese Reise. Ich glaube es wird mir fehlen!"