Das Comeback der Skulptur

Von Barbara Wiegand |
Nach einem unsicheren Start hat sich das Art Forum Berlin in den vergangenen Jahren einen sicheren Platz auf dem internationalen Kunstmark erobert. Auf der Messe für Junge Kunst werden im Vergleich zur Konkurrenz auch Stücke für den kleineren Geldbeutel angeboten. Dazu zählen neben Malerei und Fotografie auch wieder zahlreiche Skulpturen.
"Ich muss mal schauen, weil wir sind mitten in einem Verkauf…"

Juerg Judin von der Galerie Haunch of Venison aus London, Zürich und demnächst auch Berlin ist nicht der Einzige, bei dem schon vor der offiziellen Vernissage Hektik ausbricht - Klara Wallner hat ihren Stand mit comic- ähnlicher Malerei schon in den ersten zwei Stunden komplett ausverkauft. Die Galerie K aus Oslo brachte ein stillebenartiges Foto aus der Berliner Schwulenbar "Le Moustache" für 10.000 Euro an den Sammler und auch sonst kleben schon jede Menge rote Verkauft-Punkte an den Standwänden. Nach unsicheren Anfangsjahren mit eher mageren Verkaufszahlen hat das Berliner Art Forum seinen Platz auf dem Kunstmarkt – und damit im Terminkalender der großen und kleinen Sammler und Museumschefs erobert. Als Messe für Junge Kunst, auf der im Gegensatz zur Konkurrenz in Basel und Miami weniger etablierte, dafür aber auch weniger teure Werke präsentiert werden.
Sabrina van der Ley, Künstlerische Leiterin des Art Forums:

"Was das Angebot betrifft, das die Galerien mitbringen - obwohl da auch jede Menge sechsstelliges dabei ist – aber trotzdem wird die Messe von den Galerien genutzt, um jüngere oder noch nicht so etablierte Positionen zu zeigen. Und andererseits natürlich unser Kostenniveau, was die Stände betrifft. Das ist ja die Möglichkeit für die Galerien, die unbekannteren Positionen vorzustellen, weil sie sich hier nicht gleich verschulden. Bei einer anderen Messe, wo man erstmal 50.000 hinlegen muss geht das gar nicht."

Objekte wie eine 500.000 US Dollar teure Röhreninstallation des berühmten Lichtkünstlers Dan Flavin, auf der man bei Haunch of Venison im letzten Jahr sitzen blieb, ließ man diesmal lieber gleich zu Hause. Stattdessen verkaufte die international operierende Galerie ein figürliches Gemälde von Pascal Danz - für 20.000 Euro.

Malerei dominiert auch sonst das Angebot der diesjährigen Messe – neben der Fotografie. Darunter manch Beeindruckendes wie die fast abstrakt wirkenden Fassadenfotos von Ola Koleihmeinen am Stand der Galerie Anhava aus Helsinki, oder die filigranen, weiß auf weißen Seidenmalereien von Shi Jing bei Alexander Ochs, die in der Struktur des Stoffes schroffe Felsformationen erkennen lassen. Aber auch viel Neorealismus im Stil der neuen Leipziger Schule, viel fantastischer Kitsch, comicartiger Trash wird geboten - Vieles, das man im Zuge des Malerei Booms in den letzten Jahren viel zu oft gesehen hat.

Diesem Trend setzt ausgerechnet Gerd Harry, genannt Judy Lybke einen Neuen entgegen. Hatte der Galerist des hochgehandelten Leipziger Malers Neo Rauch in den vergangenen Messejahren nur Bilder an den Standwänden hängen, zeigt er jetzt Skulpturen. Drei in silbrig gefärbten Glasröhren verpackte und somit unhörbare Kompositionen von Carsten Nicolai, die wie elegante Handtuchhalter wirken, oder der Spruch "You never are alone" von Remy Markowitsch. Aus einer Reihe von Korkenziehern geformt ist es ein zynischer Trinkspruch auf die Flasche, als treue Gefährtin des Alkoholikers:
"Skulptur beginnt eigentlich erst, wenn man sich ins Verhältnis setzt zu den Arbeiten. Ob sie eine größere oder kleinere Form sind, ob es eine Sache ist, um die man rumgehen kann, ob es ein Raum ist, den man so gestaltet hat, dass erst derjenige, der hinein kommt, den Raum zum Leben erweckt, wenn er ihn durchschreitet. Und damit die verschiedenen Perspektiven entdeckt. Es ist natürlich auch so, dass der Sammler dieser Arbeiten, wenn er sie einmal platziert hat, nehmen sie vielmehr Platz weg, als eine andere Arbeit. Deswegen hat es Skulptur immer schwerer. Und ich will einfach mal bei dieser Messe bei uns am Stand zeigen, wie vielfältig Skulptur sein kann und in welcher Form man sich dem nähern kann."

Auch andere Galeristen setzen unübersehbare Zeichen für die Skulptur, die kommen könnte: Peres Projects aus Los Angeles präsentieren das bonbonbunte Modell einer Burg, das von einem düster dreinblickenden Mann mit Axt bedroht wird. Der Berliner Jan Winkelmann hat einen fünf Tonnen schweren Pavillon aus Bronze von Plamen Dejanoff aufgestellt.

"Der Kunstmarkt ist ja hungrig nach Trends. Also je öfter man über Skulptur spricht oder sie als Ablösung der Malerei quasi proklamiert, als nächsten Trend umso mehr steigert sich das irgendwie rein. Ich bin da ganz entspannt, weil ein Teil meiner Künstler arbeitet skultptural und da dachte ich mir, hier in Berlin kann man so eine Arbeit eben auch zeigen, was man bei einer anderen Messe nicht machen kann, ganz einfach, weil das logistisch nicht zu bewältigen ist."

Dejanoffs Werk steht wuchtig für eine überwiegend niveauvolle Messe, auf der man bei aller professionellen Abgeklärtheit auch mal aus dem leicht verkäuflichen Rahmen fallen kann. Eine Messe, die vom anhaltenden Boom zeitgenössischer Kunst profitiert, genauso aber auch von einer seit den neunziger Jahren ständig wachsenden Szene, die Berlin zur Stadt der Jungen Kunst gemacht hat. Und so kann man sich der Einschätzung der finnischen Galeristin Ilona Anhava nur anschließen

"Das ist wirklich eine junge Kunstmesse – natürlich ist sie nicht vergleichbar mit den Messen in Basel und Miami. Das sind schließlich die Messen, zu denen wirklich alle wichtigen Sammler anreisen. Das hier ist eine junge, frische Messe, die viele Leute gern besuchen. Denn hier wird wirklich gute zeitgenössische Kunst gezeigt."