Das Christentum in 437 Bildern
In seinem Buch gibt der emeritierte Theologie-Professor Dietrich-Alex Koch Einblick in die Lebenswelt der frühen Christen. Als Sach- und Bilderbuch ist es nicht nur für Theologen, sondern auch für Laien geeignet.
"Erst habe ich begonnen, ab 1989 Exkursionen in den östlichen Mittelmeerraum zu machen, den Ursprungsort des frühen Christentums, dann habe ich die dort aufgenommenen Bilder in den Lehrveranstaltungen verwendet, und das hat solchen Anklang gefunden, dass ich mich zum Schluss doch entschlossen habe, daraus ein Buch zu machen."
Dietrich-Alex Koch ist emeritierter Professor für Neues Testament und Autor des Buches "Bilder aus der Welt des Urchristentums". Die darin versammelten 437 Abbildungen geben einen Einblick in die Lebenswelt der frühen Christen. Ohne deren Kenntnis versteht man manche Passagen im Neuen Testament nur unvollständig oder gar nicht.
"Die Anfangsphase des Christentums enthält wichtige Weichenstellungen für die gesamte spätere Geschichte des Christentum."
Ein Beispiel: Christliche Gemeinden wachsen und müssen sich organisieren. Dabei setzt sich das Modell der Gemeindeleitung durch einen Bischof durch. Ihm stehen Älteste und Diakone zur Seite.
"Die ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderte waren die große Blütezeit des römischen Reiches. Das heißt: Das frühe Christentum ist kein Produkt der Krise."
Das Christentum entsteht in einer großen Friedensperiode des Römischen Reiches und verbreitet sich rasch rund um das Mittelmeer. Diese Gebiete stehen kulturell unter dem Vorzeichen des Hellenismus, der antiken griechischen Kultur. Daher der lange Untertitel von Kochs Buch: Das Römische Reich und die hellenistische Kultur als Lebensraum des frühen Christentums in den ersten zwei Jahrhunderten.
"Wir haben sehr viel Literatur aus dieser Zeit, aber wir haben aus dieser Zeit auch den meisten und beeindruckendsten Bestand an archäologischen Überresten."
Die zahlreichen Abbildungen in Kochs Buch verdeutlichen die politischen und sozialen, die ökonomischen und religiösen Bedingungen des frühen Christentums. So findet man Bilder von Ruinen wichtiger Bauwerke ebenso wie Abbildungen von Grabungsfunden. Das sind zum Beispiel Mosaiken und Inschriften, Grabstelen und Votivgaben.
"Gerade in Pergamon, wo es ein großes Asklepios-Heiligtum aus dem ersten und zweiten Jahrhundert gegeben hat, sind eine Reihe von Votivgaben und Dankinschriften für Heilungen an den Gott Asklepios überliefert."
"Für Asklepios, den Retter /
Flavia Sekonda /
gemäß einem Traum."
"Das ist der Text einer kleinen Metallplatte, in deren oberen Teil man ein vergoldetes Ohr sieht. Nun kann man entweder annehmen, dass die Heilung, für die sie dankt, sich auf das Ohr bezog. Wahrscheinlicher ist aber, dass damit eine allgemeinere Aussage gemacht werden soll, nämlich, dass dieser Gott sie erhört hat. Es ist dasselbe Motiv, das wir auch in den Psalmen haben, wo um das Hören, Erhören vom Beter gebetet wird: 'Erhöre mich, Herr.'"
Koch kommentiert jede der mehr als 400 Abbildungen. Er ordnet sie nach Themenbereichen und stellt diesen jeweils eine kurze Einleitung voran. Das gesamte Bildmaterial gliedert Koch in drei große Teile.
"Der erste große Teil ist die Globalisierung der antiken Welt, also die Ausdehnung der hellenistischen Kultur und dann des römischen Reiches in den ersten Jahrhunderten vor und nach Christus. Dazu gehört dann auch die Wirtschaft zum Beispiel oder die Verkehrslage im römischen Reich, die Straßen, die Häfen."
Der zweite große Teil nimmt die antike Stadt als Lebensraum in den Blick. Das frühe Christentum ist eine "ausgesprochene Stadtreligion". In den Städten stößt man auf große Bereitschaft, sich religiös neu zu orientieren. Dabei spielt die Versammlung der Christen in Häusern eine wichtige praktische Rolle.
"Und der dritte Teil ist gewidmet den Götterwelten und den Götterkulten, also der religiösen Welt im engeren Sinne."
Auf einer Seite findet man in Kochs Buch vier verschiedene Abbildungen der Göttin Isis. Die erste zeigt sie mit typisch ägyptischem Kopfschmuck.
"Mit säugendem Kind auf den Knien."
Da mag der christliche Betrachter noch nicht an eine Mariendarstellung denken. Bei der vierten Isis-Abbildung hingegen schon. Es fehlen die ägyptischen Merkmale; nun wird Isis dargestellt im Stil der griechischen Kultur. Man liest:
"Sitzstatue der Isis mit dem Horuskind auf den Knien ... Isis ist hier bis hin zum Faltenwurf und der Haartracht völlig gräzisiert."
"Ja, natürlich ist das später Maria. Das frühe Christentum konnte im zweiten, dritten, vierten Jahrhundert diese Rolle der Isis nicht beiseite schieben, ohne dafür gleichzeitig ein anderes Angebot den Menschen zu machen."
Es setzt dem Isis-Kult etwas entgegen aus der eigenen Tradition.
"Und das war schon auf dem Hintergrund des Lukasevangeliums ganz selbstverständlich dann Maria mit dem Kind, dessen Geburtsgeschichte ja in Lukas 2 sehr schön erzählt ist."
Hier zeigt sich exemplarisch: Inmitten der antiken Lebenswelt und deren religiöser Prägung knüpft das Christentum an Bestehendes an - und grenzt sich zugleich deutlich ab.
"Natürlich kann der Ersatz nur so erfolgen, dass die Rolle Marias im Rahmen christlicher Theologie dann theologisch durchreflektiert wird, und theologisch kann sie nicht die Ehefrau eines Gottes sein, wie Isis die Ehefrau ihres Gottbruders Sarapis ist, sondern sie kann natürlich nur, griechisch gesprochen: die theotokos, die Gottesgebärerin sein."
Koch legt auf 277 Seiten ein facettenreiches Bildkompendium vor, ein gelungenes, gut lesbares Sach- und Bilderbuch für Erwachsene - und nicht nur für Theologen, wie Dietrich-Alex Koch ausdrücklich betont.
"Das Buch enthält keinerlei Anmerkungen, keinerlei Fachbegriffe, keinerlei Griechisch. Es ist ganz bewusst für einen Hörerkreis aller Fakultäten geschrieben."
Besprochen von Thomas Kroll
Dietrich-Alex Koch: Bilder aus der Welt des Urchristentums
Das Römische Reich und die hellenistische Kultur als Lebensraum des frühen Christentums in den ersten zwei Jahrhunderten
Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2009
277 Seiten, 59,90 Euro
Dietrich-Alex Koch ist emeritierter Professor für Neues Testament und Autor des Buches "Bilder aus der Welt des Urchristentums". Die darin versammelten 437 Abbildungen geben einen Einblick in die Lebenswelt der frühen Christen. Ohne deren Kenntnis versteht man manche Passagen im Neuen Testament nur unvollständig oder gar nicht.
"Die Anfangsphase des Christentums enthält wichtige Weichenstellungen für die gesamte spätere Geschichte des Christentum."
Ein Beispiel: Christliche Gemeinden wachsen und müssen sich organisieren. Dabei setzt sich das Modell der Gemeindeleitung durch einen Bischof durch. Ihm stehen Älteste und Diakone zur Seite.
"Die ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderte waren die große Blütezeit des römischen Reiches. Das heißt: Das frühe Christentum ist kein Produkt der Krise."
Das Christentum entsteht in einer großen Friedensperiode des Römischen Reiches und verbreitet sich rasch rund um das Mittelmeer. Diese Gebiete stehen kulturell unter dem Vorzeichen des Hellenismus, der antiken griechischen Kultur. Daher der lange Untertitel von Kochs Buch: Das Römische Reich und die hellenistische Kultur als Lebensraum des frühen Christentums in den ersten zwei Jahrhunderten.
"Wir haben sehr viel Literatur aus dieser Zeit, aber wir haben aus dieser Zeit auch den meisten und beeindruckendsten Bestand an archäologischen Überresten."
Die zahlreichen Abbildungen in Kochs Buch verdeutlichen die politischen und sozialen, die ökonomischen und religiösen Bedingungen des frühen Christentums. So findet man Bilder von Ruinen wichtiger Bauwerke ebenso wie Abbildungen von Grabungsfunden. Das sind zum Beispiel Mosaiken und Inschriften, Grabstelen und Votivgaben.
"Gerade in Pergamon, wo es ein großes Asklepios-Heiligtum aus dem ersten und zweiten Jahrhundert gegeben hat, sind eine Reihe von Votivgaben und Dankinschriften für Heilungen an den Gott Asklepios überliefert."
"Für Asklepios, den Retter /
Flavia Sekonda /
gemäß einem Traum."
"Das ist der Text einer kleinen Metallplatte, in deren oberen Teil man ein vergoldetes Ohr sieht. Nun kann man entweder annehmen, dass die Heilung, für die sie dankt, sich auf das Ohr bezog. Wahrscheinlicher ist aber, dass damit eine allgemeinere Aussage gemacht werden soll, nämlich, dass dieser Gott sie erhört hat. Es ist dasselbe Motiv, das wir auch in den Psalmen haben, wo um das Hören, Erhören vom Beter gebetet wird: 'Erhöre mich, Herr.'"
Koch kommentiert jede der mehr als 400 Abbildungen. Er ordnet sie nach Themenbereichen und stellt diesen jeweils eine kurze Einleitung voran. Das gesamte Bildmaterial gliedert Koch in drei große Teile.
"Der erste große Teil ist die Globalisierung der antiken Welt, also die Ausdehnung der hellenistischen Kultur und dann des römischen Reiches in den ersten Jahrhunderten vor und nach Christus. Dazu gehört dann auch die Wirtschaft zum Beispiel oder die Verkehrslage im römischen Reich, die Straßen, die Häfen."
Der zweite große Teil nimmt die antike Stadt als Lebensraum in den Blick. Das frühe Christentum ist eine "ausgesprochene Stadtreligion". In den Städten stößt man auf große Bereitschaft, sich religiös neu zu orientieren. Dabei spielt die Versammlung der Christen in Häusern eine wichtige praktische Rolle.
"Und der dritte Teil ist gewidmet den Götterwelten und den Götterkulten, also der religiösen Welt im engeren Sinne."
Auf einer Seite findet man in Kochs Buch vier verschiedene Abbildungen der Göttin Isis. Die erste zeigt sie mit typisch ägyptischem Kopfschmuck.
"Mit säugendem Kind auf den Knien."
Da mag der christliche Betrachter noch nicht an eine Mariendarstellung denken. Bei der vierten Isis-Abbildung hingegen schon. Es fehlen die ägyptischen Merkmale; nun wird Isis dargestellt im Stil der griechischen Kultur. Man liest:
"Sitzstatue der Isis mit dem Horuskind auf den Knien ... Isis ist hier bis hin zum Faltenwurf und der Haartracht völlig gräzisiert."
"Ja, natürlich ist das später Maria. Das frühe Christentum konnte im zweiten, dritten, vierten Jahrhundert diese Rolle der Isis nicht beiseite schieben, ohne dafür gleichzeitig ein anderes Angebot den Menschen zu machen."
Es setzt dem Isis-Kult etwas entgegen aus der eigenen Tradition.
"Und das war schon auf dem Hintergrund des Lukasevangeliums ganz selbstverständlich dann Maria mit dem Kind, dessen Geburtsgeschichte ja in Lukas 2 sehr schön erzählt ist."
Hier zeigt sich exemplarisch: Inmitten der antiken Lebenswelt und deren religiöser Prägung knüpft das Christentum an Bestehendes an - und grenzt sich zugleich deutlich ab.
"Natürlich kann der Ersatz nur so erfolgen, dass die Rolle Marias im Rahmen christlicher Theologie dann theologisch durchreflektiert wird, und theologisch kann sie nicht die Ehefrau eines Gottes sein, wie Isis die Ehefrau ihres Gottbruders Sarapis ist, sondern sie kann natürlich nur, griechisch gesprochen: die theotokos, die Gottesgebärerin sein."
Koch legt auf 277 Seiten ein facettenreiches Bildkompendium vor, ein gelungenes, gut lesbares Sach- und Bilderbuch für Erwachsene - und nicht nur für Theologen, wie Dietrich-Alex Koch ausdrücklich betont.
"Das Buch enthält keinerlei Anmerkungen, keinerlei Fachbegriffe, keinerlei Griechisch. Es ist ganz bewusst für einen Hörerkreis aller Fakultäten geschrieben."
Besprochen von Thomas Kroll
Dietrich-Alex Koch: Bilder aus der Welt des Urchristentums
Das Römische Reich und die hellenistische Kultur als Lebensraum des frühen Christentums in den ersten zwei Jahrhunderten
Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2009
277 Seiten, 59,90 Euro