Das Christentum als Kette von Irrtümern
Der Philosoph Kurt Flasch entzaubert das Christentum als historische Konstruktion. Zuvor setzt er sich nüchtern und akribisch mit dem Wahrheitsgehalt der Bibel und den Texten der christlichen Philosophen auseinander.
Kurt Flasch, der große alte Meister der christlichen Philosophie und deren heidnischen Vorläufern und Einflussgebern, aber auch der Geschichte der Antike und der Geschichte des Christentums, hat nun Resümee gezogen.
Der 84-Jährige beharrt auf einem radikal subjektiven Standpunkt, der biografisch anrührend mit einem anekdotischen Kontext versehen wird. Er will erzählen, warum er kein Christ (mehr) ist.
Aber Flasch wäre nicht Flasch, wenn er seine Subjektivität nicht so klar philosophisch umreißen würde, dass sie allgemein interessant wird; dass der Leser beobachten kann, wie diese Modellsubjektivität den Verlauf eines lebenslangen philosophischen und theologischen Experiments begleitet.
Ein nach dem Krieg desillusionierter, hochwacher und neugieriger junger Mann mit katholischem Hintergrund stürzt sich in das Studium der Philosophie, der Theologie, der alten Sprachen. Er wird Forscher und Lehrer und hat sein Leben lang ein System auf dem philologisch-philosophischen Labortisch: das Christentum.
Seine Methode ist die historisch-kritische Philologie, der akribische Text-, Wort- und Buchstaben-Vergleich zur Auffindung von Chronologien, produktiven oder katastrophalen Missverständnissen und Widersprüchen.
Der 84-Jährige beharrt auf einem radikal subjektiven Standpunkt, der biografisch anrührend mit einem anekdotischen Kontext versehen wird. Er will erzählen, warum er kein Christ (mehr) ist.
Aber Flasch wäre nicht Flasch, wenn er seine Subjektivität nicht so klar philosophisch umreißen würde, dass sie allgemein interessant wird; dass der Leser beobachten kann, wie diese Modellsubjektivität den Verlauf eines lebenslangen philosophischen und theologischen Experiments begleitet.
Ein nach dem Krieg desillusionierter, hochwacher und neugieriger junger Mann mit katholischem Hintergrund stürzt sich in das Studium der Philosophie, der Theologie, der alten Sprachen. Er wird Forscher und Lehrer und hat sein Leben lang ein System auf dem philologisch-philosophischen Labortisch: das Christentum.
Seine Methode ist die historisch-kritische Philologie, der akribische Text-, Wort- und Buchstaben-Vergleich zur Auffindung von Chronologien, produktiven oder katastrophalen Missverständnissen und Widersprüchen.
Die göttlich inspirierte Bibel ist unvollständig und widersprüchlich
Nüchtern, geduldig, gründlich geht er in seinen Büchern durch die Philosophiegeschichte des Christentums von Paulus bis heute. So regenbogenartig und inspirierend bei Flasch Texte von Autoren wie Augustinus, Thomas, Nicolaus Cusanus oder Meister Eckhard aufleuchten, so weitläufig er seine Sympathien mit den Denkern produktiv werden lässt, so nüchtern fällt sein Urteil am Lebensabend aus: Es gibt so viele Christentümer – allein in der katholischen Kirche –, dass man kaum von einer „Einheit“ des Christentums sprechen kann.
Die göttlich inspirierte Bibel ist unvollständig, widersprüchlich und kaum als Grundlage der Theologien zu gebrauchen. Die Dogmen des Christentums wirken sich verheerend auf Christenseele und Kirchenpolitik aus. Die besseren Philosophen gerieten immer an Grenzen des Dogmas, an denen sich ihr Denken gleichsam verbiegt. Nach keinem Wahrheitsbegriff kann das Christentum als „wahr“ bezeichnet werden, nur nach dem mystischen – und der interessiert Flasch nicht.
Der Gott, der auch heute noch hinter den flauschigen Kirchentagsversprechungen vom Reich der Liebe hervorguckt, ist ein grausamer, unberechenbarer, bisweilen zynischer Gott. Kurt Flasch geht diesen Feststellungen an reichem Material nach.
Nur in einer Hinsicht zeigt sich die geistige Position, die sogar Kurt Flaschs Vernünftigkeit überschreitet und auf die er sich letztlich beruft: die poetische Wahrheit, die man der christlichen Denk- und Fabulierlust insgesamt zugestehen könnte. Was bleibt? Die Liebe? Jesus redete fast gar nicht vor ihr, der Theologe Paulus erfand sie. So wie die Christen sie heute als unmittelbar einsichtigen Begriff verwenden, ist sie eine zweifelhafte Konstruktion des 20. Jahrhunderts. – Das Christentum bei Flasch: ein edler, grausamer, mitunter inspirierender Irrtum.
Besprochen von Marius Meller
Die göttlich inspirierte Bibel ist unvollständig, widersprüchlich und kaum als Grundlage der Theologien zu gebrauchen. Die Dogmen des Christentums wirken sich verheerend auf Christenseele und Kirchenpolitik aus. Die besseren Philosophen gerieten immer an Grenzen des Dogmas, an denen sich ihr Denken gleichsam verbiegt. Nach keinem Wahrheitsbegriff kann das Christentum als „wahr“ bezeichnet werden, nur nach dem mystischen – und der interessiert Flasch nicht.
Der Gott, der auch heute noch hinter den flauschigen Kirchentagsversprechungen vom Reich der Liebe hervorguckt, ist ein grausamer, unberechenbarer, bisweilen zynischer Gott. Kurt Flasch geht diesen Feststellungen an reichem Material nach.
Nur in einer Hinsicht zeigt sich die geistige Position, die sogar Kurt Flaschs Vernünftigkeit überschreitet und auf die er sich letztlich beruft: die poetische Wahrheit, die man der christlichen Denk- und Fabulierlust insgesamt zugestehen könnte. Was bleibt? Die Liebe? Jesus redete fast gar nicht vor ihr, der Theologe Paulus erfand sie. So wie die Christen sie heute als unmittelbar einsichtigen Begriff verwenden, ist sie eine zweifelhafte Konstruktion des 20. Jahrhunderts. – Das Christentum bei Flasch: ein edler, grausamer, mitunter inspirierender Irrtum.
Besprochen von Marius Meller
Kurt Flasch: Warum ich kein Christ bin
Verlag C.H. Beck, München 2013
280 Seiten, 19,95 Euro
Verlag C.H. Beck, München 2013
280 Seiten, 19,95 Euro