Das Böse lauert überall
30.07.2010
Erst lange nach seinem Tod wurde bekannt, dass der Physiker Albert Einstein eine uneheliche Tochter gezeugt hat. Aus der Geschichte dieses Mädchens hat Philip Sington nun einen mörderisch spannenden Krimi im Berlin der 30er-Jahre gemacht.
"Albert war … - wie der Gott einer monotheistischen Religion - allgegenwärtig geworden …"
Der Physiker Albert Einstein gehört einerseits zu den prominentesten Figuren der Weltgeschichte, andererseits weist seine Biografie bis heute erhebliche Lücken auf: 1986, - 30 Jahre nach Einsteins Tod -, wurde ein Briefwechsel entdeckt, der beweist, dass Einstein eine Tochter hatte, die 1902 geboren wurde; das weitere Schicksal des Kindes blieb unbekannt. Dieses Thema hat Philip Sington unter dem Titel "Das Einstein-Mädchen" zu einem Roman gemacht. Sington ist englischer Historiker, Drehbuch-, Theater- und Bestsellerautor von Wissenschaftsthrillern (bisher unter dem Pseudonym Patrick Lynch), in denen es unter anderem gerne von Monsterviren wimmelt.
Der Sprung von Monsterviren zu Einstein, - das Böse lauert überall -, gelingt Sington problemlos: In "Das Einstein-Mädchen" erscheint selbst Albert Einstein als Monster vorstellbar, das gerne Menschen Treppen hinunter stößt und junge Frauen betäubt und missbraucht. "Das Einstein-Mädchen" ist ein mörderisch spannender Thriller, der auf keine Pointe verzichtet.
Wir befinden uns im Jahr 1932 in und bei Berlin. Nahe eines kleinen Dorfes namens Caputh, in dem damals Albert Einstein wohnte, wird eine junge Frau im Wald gefunden; sie ist nackt, verletzt und leidet unter Gedächtnisverlust. Die einzige Spur ist ein Zettel in ihrer Hand: die Einladung zu einem Vortrag von Einstein. Erzählt wird der Roman aus der Perspektive eines jungen Psychiaters namens Martin Kirsch, in dessen Klinik die junge Frau als Patientin eingeliefert wird.
Und wie sollte es anders sein: Kirsch verliebt sich in die junge Frau und versucht, deren höchst verwickelte Biografie aufzuklären, was ihm auch gelingt und was am Ende in einem monströs konstruierten tragischen Showdown mit Albert Einstein, Theaterdonner, Pistolen und einem Toten kumuliert.
Aber diese etwas forcierte, wenn auch im Thrillergenre explizit erlaubte, Konstruktion des Endes lässt sich leicht verschmerzen. Der Roman entschädigt den Leser auf zweierlei Weise. Erstens erzeugt er einen unwiderstehlichen Sog, schlägt ein wahnwitziges Tempo an. Und zweitens zeichnet er sich abseits der Effekte auch durch echten, ernsthaften, politischen Tiefgang aus, indem er atmosphärisch dicht das Deutschland der Jahre 1932 und 1933 und sehr plastisch vor allem die Atmosphäre in Berlin beschreibt.
Dem jungen Roman-Psychiater wird von einem führenden Nazi, den es historisch tatsächlich gab, Dr. Eugen Fischer, eine leitende Position im Gesundheitswesen angeboten: die Organisation der Ermordung von 250.000 geistig und körperlich Behinderten, also die so genannte Euthanasie, und die Zwangssterilisierung von weiteren 400.000 Personen. Und Autor Sington weist in seinem Nachwort darauf hin, dass eben jener Dr. Eugen Fischer nie vor ein bundesdeutsches Gericht gestellt wurde.
"Das Einstein-Mädchen" ist ein Unterhaltungsroman auf hohem Niveau, ein enorm praller, reicher Roman, dem man die paar Schwächen gerne verzeiht. Ein britischer "Reißer" im besten Sinne, - Alistair MacLean lebt.
Besprochen von Lutz Bunk
Philip Sington: Das Einstein-Mädchen
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2010
459 Seiten, 14,90 Euro
Der Physiker Albert Einstein gehört einerseits zu den prominentesten Figuren der Weltgeschichte, andererseits weist seine Biografie bis heute erhebliche Lücken auf: 1986, - 30 Jahre nach Einsteins Tod -, wurde ein Briefwechsel entdeckt, der beweist, dass Einstein eine Tochter hatte, die 1902 geboren wurde; das weitere Schicksal des Kindes blieb unbekannt. Dieses Thema hat Philip Sington unter dem Titel "Das Einstein-Mädchen" zu einem Roman gemacht. Sington ist englischer Historiker, Drehbuch-, Theater- und Bestsellerautor von Wissenschaftsthrillern (bisher unter dem Pseudonym Patrick Lynch), in denen es unter anderem gerne von Monsterviren wimmelt.
Der Sprung von Monsterviren zu Einstein, - das Böse lauert überall -, gelingt Sington problemlos: In "Das Einstein-Mädchen" erscheint selbst Albert Einstein als Monster vorstellbar, das gerne Menschen Treppen hinunter stößt und junge Frauen betäubt und missbraucht. "Das Einstein-Mädchen" ist ein mörderisch spannender Thriller, der auf keine Pointe verzichtet.
Wir befinden uns im Jahr 1932 in und bei Berlin. Nahe eines kleinen Dorfes namens Caputh, in dem damals Albert Einstein wohnte, wird eine junge Frau im Wald gefunden; sie ist nackt, verletzt und leidet unter Gedächtnisverlust. Die einzige Spur ist ein Zettel in ihrer Hand: die Einladung zu einem Vortrag von Einstein. Erzählt wird der Roman aus der Perspektive eines jungen Psychiaters namens Martin Kirsch, in dessen Klinik die junge Frau als Patientin eingeliefert wird.
Und wie sollte es anders sein: Kirsch verliebt sich in die junge Frau und versucht, deren höchst verwickelte Biografie aufzuklären, was ihm auch gelingt und was am Ende in einem monströs konstruierten tragischen Showdown mit Albert Einstein, Theaterdonner, Pistolen und einem Toten kumuliert.
Aber diese etwas forcierte, wenn auch im Thrillergenre explizit erlaubte, Konstruktion des Endes lässt sich leicht verschmerzen. Der Roman entschädigt den Leser auf zweierlei Weise. Erstens erzeugt er einen unwiderstehlichen Sog, schlägt ein wahnwitziges Tempo an. Und zweitens zeichnet er sich abseits der Effekte auch durch echten, ernsthaften, politischen Tiefgang aus, indem er atmosphärisch dicht das Deutschland der Jahre 1932 und 1933 und sehr plastisch vor allem die Atmosphäre in Berlin beschreibt.
Dem jungen Roman-Psychiater wird von einem führenden Nazi, den es historisch tatsächlich gab, Dr. Eugen Fischer, eine leitende Position im Gesundheitswesen angeboten: die Organisation der Ermordung von 250.000 geistig und körperlich Behinderten, also die so genannte Euthanasie, und die Zwangssterilisierung von weiteren 400.000 Personen. Und Autor Sington weist in seinem Nachwort darauf hin, dass eben jener Dr. Eugen Fischer nie vor ein bundesdeutsches Gericht gestellt wurde.
"Das Einstein-Mädchen" ist ein Unterhaltungsroman auf hohem Niveau, ein enorm praller, reicher Roman, dem man die paar Schwächen gerne verzeiht. Ein britischer "Reißer" im besten Sinne, - Alistair MacLean lebt.
Besprochen von Lutz Bunk
Philip Sington: Das Einstein-Mädchen
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2010
459 Seiten, 14,90 Euro