Das Böse als Tanz ohne Hose
Der Choreograf Christoph Winkler hat keine Kompanie und arbeitet für kein großes Haus. Doch die Kritiker lieben ihn dafür, wie er mit seinem Körper Geschichten erzählt. Die Berliner Sophiensäle zeigen derzeit sein Stück "Böse Körper".
Wie tanzt man das Böse? Bei Christoph Winkler ohne Hose.
In der aktuellen Produktion des Choreografen steht ein Tänzer am Ende mit heruntergelassenem Slip vor dem Publikum und breitet mit großer Geste beide Arme aus. Vom Band kommt Paganini, die Teufelssonate. Aber mit einem Mal torkelt der Darsteller rückwärts und verzerrt das Gesicht zu einem irren Jack-Nickolson-Grinsen.
Christoph Winkler nickt zustimmend. Mit seiner Nickelbrille und dem schulterlangen grauen Haar wirkt er wie das Klischeebild eines vergeistigten Intellektuellen, aber der Eindruck täuscht: Die Mischung aus Pop-Klassik und Hollywood ist typisch für seine Arbeiten. Egal ob er sich in seinen Tanzstücken mit der Verkörperung des Bösen auseinandersetzt, mit der Informationsgesellschaft, dem Älterwerden oder der Existenz von Freiberuflern.
"Ich nehme alles, ich begebe mich schon auf die Suche nach Material im populären Bereich, also ich gucke, wo Tanz in seiner banalsten Form auftritt."
In "Instruction-DVDs" zum Beispiel.
"Da gibt es Yoga-Tanz, Bauchtanz für Gothics, Schwangerenyoga. Es gibt sogar Striptease für ältere Frauen."
Und …
"… die gesamte Club-Med-Choreographien als DVD."
Das war nicht immer so: Noch vor fünf Jahren wurde Winkler für seine strengen neo-klassizistischen Choreografien von den Kritikern gelobt und als Nachfolger von William Forsythe oder Angelin Preljocaj gefeiert. Und mit Ende 30 sah sich Winkler am Endpunkt seiner Choreografen-Karriere angelangt.
"Das hatte so 'ne Größe erreicht, der Komponist war schon da, der Bühnenbildner noch bevor ich überhaupt angefangen habe. Ich hab' das dann gestoppt und bin in 'ne ganz andere Richtung gegangen."
In Richtung Anfang. Christoph Winkler besann sich auf seine ersten Tanzerfahrungen im Kreiskulturhaus von Torgau.
"Das war so Anfang der 80er-Jahre. Ich hab so mit 14 bei der Tanzstunde gemerkt , die ich besuchen musste, dass ich das ganz gut kann. Und dann ging das so los, 'I heard my calling on the dance floor'."
Parallel machte der Achtklässler Karriere beim DDR-Jugendsport – als Gewichtheber. Und er entdeckte in einer Laientheatergruppe den klassischen Tanz. Für den Teenager kein Widerspruch, auch wenn die Klassenkameraden bei den Sportspartakiaden wenig mit seiner zweiten Leidenschaft anfangen konnten.
"Als ich zum ersten Mal so Laientheater so klassisch gemacht habe, bin ich dann zurückgegangen und hab dann angefangen in meinem Gewichtheberraum die Stange zu üben, vor meinen Kollegen, die haben mich dann auch so schräg angeguckt, ob das denn was wird?"
Es wurde was. Nach dem Studium bewarb sich Winkler bei der renommierten staatlichen Ballet-Schule Berlin und wurde aufgenommen.
"Und zwar für so 'ne Sonderausbildung, Folklore, Jazztanz und Stadttheater mittlerer Größe, à la Friedrichstadtpalast, Fernsehballett, 'Erich-Weinert-Ensemble der Armee', das wäre meine Zukunft gewesen."
Aber die Wende kam dazwischen. Statt ein Kessel Buntes und Revuetanz entdeckte Christoph Winkler Pina Bausch und William Forsythe und wechselte an die Ernst-Busch-Schule, Studiengang Choreographie.
Seit seinen ersten Versuchen hat sich Christoph Winklers Tanzuniversum immer weiter entwickelt - weg von der Hoch-Kultur Richtung Populär-Kultur. Vorläufiger Höhepunkt: die Gründung einer eigenen Agentur für Gogo-Tanz:
"Hab' zeitgenössische Tänzer genommen und gesagt: Wir behandeln euch wie Gogos, ihr könnt euren Stil tanzen, aber wir vermarkten euch für Gogos. Auch vor dem Hintergrund, dass ich sage, ich möchte Tanz nicht mehr nur in meiner subjektiven Idee verkaufen, sondern ich verkaufe Tanz in seiner simpelsten Form: Einer tanzt für den anderen."
Das nächste Tanzstück ist schon in Planung - ein Stück über Background-Tänzer.
Seit sich seine elfjährige Tochter für Popmusik interessiert, kann der alleinerziehende Vater Christoph Winker die gemeinsamen Unternehmungen zur Recherche nutzen.
"Am Wochenende muss ich zum Justin-Bieber-Konzert in die O2 Arena, da gibt es mit Sicherheit Background-Sänger und da gibt es auch 10.000 kreischende Mädchen wie meine Tochter. Ich hab' ihr schon gesagt, Du bleibst still."
Für Tanz interessiert sich Winklers Tochter übrigens bisher nicht – ihr Vater landete ja auch auf Umwegen in seinem Beruf als Choreograf.
In der aktuellen Produktion des Choreografen steht ein Tänzer am Ende mit heruntergelassenem Slip vor dem Publikum und breitet mit großer Geste beide Arme aus. Vom Band kommt Paganini, die Teufelssonate. Aber mit einem Mal torkelt der Darsteller rückwärts und verzerrt das Gesicht zu einem irren Jack-Nickolson-Grinsen.
Christoph Winkler nickt zustimmend. Mit seiner Nickelbrille und dem schulterlangen grauen Haar wirkt er wie das Klischeebild eines vergeistigten Intellektuellen, aber der Eindruck täuscht: Die Mischung aus Pop-Klassik und Hollywood ist typisch für seine Arbeiten. Egal ob er sich in seinen Tanzstücken mit der Verkörperung des Bösen auseinandersetzt, mit der Informationsgesellschaft, dem Älterwerden oder der Existenz von Freiberuflern.
"Ich nehme alles, ich begebe mich schon auf die Suche nach Material im populären Bereich, also ich gucke, wo Tanz in seiner banalsten Form auftritt."
In "Instruction-DVDs" zum Beispiel.
"Da gibt es Yoga-Tanz, Bauchtanz für Gothics, Schwangerenyoga. Es gibt sogar Striptease für ältere Frauen."
Und …
"… die gesamte Club-Med-Choreographien als DVD."
Das war nicht immer so: Noch vor fünf Jahren wurde Winkler für seine strengen neo-klassizistischen Choreografien von den Kritikern gelobt und als Nachfolger von William Forsythe oder Angelin Preljocaj gefeiert. Und mit Ende 30 sah sich Winkler am Endpunkt seiner Choreografen-Karriere angelangt.
"Das hatte so 'ne Größe erreicht, der Komponist war schon da, der Bühnenbildner noch bevor ich überhaupt angefangen habe. Ich hab' das dann gestoppt und bin in 'ne ganz andere Richtung gegangen."
In Richtung Anfang. Christoph Winkler besann sich auf seine ersten Tanzerfahrungen im Kreiskulturhaus von Torgau.
"Das war so Anfang der 80er-Jahre. Ich hab so mit 14 bei der Tanzstunde gemerkt , die ich besuchen musste, dass ich das ganz gut kann. Und dann ging das so los, 'I heard my calling on the dance floor'."
Parallel machte der Achtklässler Karriere beim DDR-Jugendsport – als Gewichtheber. Und er entdeckte in einer Laientheatergruppe den klassischen Tanz. Für den Teenager kein Widerspruch, auch wenn die Klassenkameraden bei den Sportspartakiaden wenig mit seiner zweiten Leidenschaft anfangen konnten.
"Als ich zum ersten Mal so Laientheater so klassisch gemacht habe, bin ich dann zurückgegangen und hab dann angefangen in meinem Gewichtheberraum die Stange zu üben, vor meinen Kollegen, die haben mich dann auch so schräg angeguckt, ob das denn was wird?"
Es wurde was. Nach dem Studium bewarb sich Winkler bei der renommierten staatlichen Ballet-Schule Berlin und wurde aufgenommen.
"Und zwar für so 'ne Sonderausbildung, Folklore, Jazztanz und Stadttheater mittlerer Größe, à la Friedrichstadtpalast, Fernsehballett, 'Erich-Weinert-Ensemble der Armee', das wäre meine Zukunft gewesen."
Aber die Wende kam dazwischen. Statt ein Kessel Buntes und Revuetanz entdeckte Christoph Winkler Pina Bausch und William Forsythe und wechselte an die Ernst-Busch-Schule, Studiengang Choreographie.
Seit seinen ersten Versuchen hat sich Christoph Winklers Tanzuniversum immer weiter entwickelt - weg von der Hoch-Kultur Richtung Populär-Kultur. Vorläufiger Höhepunkt: die Gründung einer eigenen Agentur für Gogo-Tanz:
"Hab' zeitgenössische Tänzer genommen und gesagt: Wir behandeln euch wie Gogos, ihr könnt euren Stil tanzen, aber wir vermarkten euch für Gogos. Auch vor dem Hintergrund, dass ich sage, ich möchte Tanz nicht mehr nur in meiner subjektiven Idee verkaufen, sondern ich verkaufe Tanz in seiner simpelsten Form: Einer tanzt für den anderen."
Das nächste Tanzstück ist schon in Planung - ein Stück über Background-Tänzer.
Seit sich seine elfjährige Tochter für Popmusik interessiert, kann der alleinerziehende Vater Christoph Winker die gemeinsamen Unternehmungen zur Recherche nutzen.
"Am Wochenende muss ich zum Justin-Bieber-Konzert in die O2 Arena, da gibt es mit Sicherheit Background-Sänger und da gibt es auch 10.000 kreischende Mädchen wie meine Tochter. Ich hab' ihr schon gesagt, Du bleibst still."
Für Tanz interessiert sich Winklers Tochter übrigens bisher nicht – ihr Vater landete ja auch auf Umwegen in seinem Beruf als Choreograf.