Das Blechdach ist lange nicht mehr so heiß

Von Roger Cahn |
Als "Die Katze auf dem heißen Blechdach" 1955 in New York von Elia Kazan uraufgeführt wurde, erregte sie die Gemüter und gewann sogar den begehrten Pulitzer Preis. Heute fasziniert das Stück nur noch dann, wenn überzeugende Schauspieler auf der Bühne stehen - das ist in Zürich teilweise der Fall.
Vor allem Julia Jentsch als Maggie reißt den Abend raus. Sie macht verständlich, weshalb der von den Männern im Stück für Frauen eher despektierlich verwendete Ausdruck "Katze", im Titel steht: Vom Schmusetierchen bis hin zur buckelnden und Kralle zeigenden Bestie zieht sie alle Register. Und gewinnt schließlich in der Inszenierung von Stefan Pucher das anscheinend hoffnungslose Spiel. Was in der Urfassung als Welt ohne jegliche Hoffnung konzipiert wurde, entwickelt sich am Ende zu einer intimen Szene zwischen Maggie und Brick (Markus Scheumann), welche die Möglichkeit offen lässt, ob die Lüge – "ich erwarte ein Kind" – nicht doch noch Wirklichkeit werden könnte. Ein Höhepunkt der Inszenierung.

Dass diese Wendung ins Positive heute überhaupt möglich scheint, beweist, dass sich die Zeiten geändert haben. Homosexualität ist kein Tabu mehr. Dass auf der Bühne ständig geflucht und "gezotet" wird, auch nicht. Dass in einer Welt der Abzocker kein Mittel unmoralisch genug scheint, um ans große Geld zu kommen, beweist die reale und mediale Realität. Und Alkoholsucht wurde auf der Sündenskala längst vom Drogenkonsum verdrängt. Tennessee Williams‘ Horrorbild der Gesellschaft hat sich bereits weit in den heutigen Alltag eingeschlichen.

Und die Folge für das Stück: Es wird schnell mal langweilig. Als Gegenmittel helfen da nur hervorragende Schauspieler wie Julia Jentsch und Markus Scheumann, der den Brick mit vornehmer Zurückhaltung, unaufdringlich und leise spielt. Oder laute Musik: Evelinn Trouble, die auch die Protagonisten immer mal wieder zum Mikro greifen lässt. Und auch hier beweist sich, dass leise Töne mehr Wirkung erzielen als laute: Wenn Brick im zweiten Akt seinem Vater die Wahrheit über sich an den Kopf wirft, tut er dies mit Hilfe emotionsverstärkender, feiner Klänge. Ein zweiter Höhepunkt des Abends.

Fazit: Der Zahn der Zeit nagt auch an berühmten Klassikern.


Informationen des Schauspielhauses Zürich zur Inszenierung "Die Katze auf dem heißen Blechdach"