Das Berlin-Experiment
Von Holger Heimann · 18.09.2013
Georg M. Oswald ist nicht nur ein renommierter Krimi-Autor, er war auch ein erfolgreicher Anwalt. Jetzt hat der Münchner seiner Kanzlei den Rücken gekehrt und die Leitung des Berlin Verlags übernommen.
Georg M. Oswald: "Dann gehen wir mal rein. Dritte Etage. Der geht ein bisschen langsam, ist ein alter Lift."
Der Berliner Verkehrslärm rund um den südlichen Abschnitt der Friedrichstraße dringt nur noch gedämpft an die Ohren und verstummt schließlich ganz. Was in den Räumen des Berlin Verlags zuerst auffällt, ist die konzentrierte Stille. Unversehens ist man geneigt, sich nur noch auf Zehenspitzen zu bewegen, das scheint auch dem neuen Verleger Georg M. Oswald so zu gehen:
"Manche fragen, warum es hier so leise ist. Das liegt daran, dass die Leute hier weniger telefonieren als zum Beispiel in einer Anwaltskanzlei und mehr mit ruhiger Textarbeit beschäftigt sind."
Oswald weiß, wovon er spricht. Vor wenigen Wochen war er noch Anwalt in der Münchner Kanzlei Tax and Law, die er vor 13 Jahren mitgegründet hat. Ein Anruf von Marcel Hartges, Chef des Piper Verlags in München, zu dem der Berlin Verlag seit Anfang 2012 gehört, eröffnete dem Juristen plötzlich eine ganz neue Perspektive. Sein Berlin-Experiment begann am 2. September:
"Ich bin gerade 50 geworden. Ich habe die letzten 20 Jahre ein zufriedenes Leben in München geführt. Und finde das dann doch ziemlich abenteuerlich zu sagen, man wechselt den Beruf, man geht in eine andere Stadt und beginnt etwas ganz Neues, was man bisher noch nie gemacht hat. Aber es gab eine Motivation dafür, nämlich zu sagen: Ich kann jetzt den ganzen Tag mit Büchern verbringen und kann mich daran beteiligen, die Bücher zu machen, die es mir wert erscheinen."
Lange überlegt hat er daher nicht. Da war so ein Bauchgefühl und dem ist er gefolgt. Denn Garantien gibt es schließlich ohnehin kaum im Leben. Doch der Wahl-Berliner mit dem akkurat zur Seite gescheitelten Haar ist alles andere als ein Hasardeur. Aufgewachsen in einem kleinbürgerlichen Haushalt, die Eltern waren Bankangestellte, verbindet Oswald vielmehr jugendliche Neugier und Verschmitztheit mit bajuwarischem Pragmatismus und Selbstbewusstsein:
"Für mich war die entscheidende Frage nicht, ob ich das will. Das war mir sofort klar, dass ich das würde machen wollen. Für mich war die entscheidende Frage, ob meine Familie mitmacht."
Die Familie jedenfalls, Frau und Sohn, haben rasch und entschieden zugeraten. Und so sitzt Georg M. Oswald, der seit Beginn seines Berufslebens nicht nur Anwalt, sondern auch Schriftsteller ist und seit einiger Zeit bei Piper publiziert, plötzlich auf der anderen Seite des Schreibtisches. Auch wenn der Mann, der am liebsten Jeans trägt und dem jede steife Förmlichkeit fremd ist, das nicht so sehen will:
"Erstmal ist doch die Entscheidung die, womit will man seine Zeit verbringen: Will man sie mit Büchern verbringen oder will man sie mit Prozessen in einer Kanzlei verbringen oder will man sie in einer Bank verbringen oder wo auch immer. Ich gebe zu, ich finde es auch ganz toll, mal an der Stelle zu stehen, wo man nicht die Bücher schreiben muss, sondern darüber sich Gedanken machen darf, wie man sie am besten positioniert."
Georg M. Oswald hat 1995 mit dem Erzählband "Das Loch" als Schriftsteller debütiert. Seither ist eine ganze Reihe weiterer Bücher von ihm erschienen, darunter fünf Romane. Bekannt wurde der gebürtige Münchner mit "Alles, was zählt", einem entlarvenden Porträt der Businesswelt. In dem Thriller "Unter Feinden" der vor Kurzem verfilmt wurde, schickte Oswald zuletzt ein außergewöhnliches Ermittlerpaar durch seine alte Heimatstadt. Zuweilen hat er überlegt, sich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren, doch es blieb stets bei dem Gedankenspiel.
"Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass mich das zu einem glücklicheren Menschen macht, wenn ich mich ausschließlich der Schriftstellerei widme. Die Arbeit von Autoren, die wirklich nur schreiben – also ‚nur’ in Anführungsstrichen –, ist sehr sehr hart. Ich meine da am allerwenigsten die wirtschaftliche Seite, die kann auch schwierig und prekär sein. Aber ich muss sagen, sich dem so komplett zu überlassen, gerade dieser Moment, man sitzt da und kommt mit dem, was man machen will, nicht weiter, hat eine bestimmte Vorstellung davon im Kopf und entwickelt die weiter. Wenn ich da eine Situation herstellen kann, die mich an der Stelle entlastet, dann bin ich eigentlich immer dankbar um jede Arbeit."
Das neue Buch, wiederum ein Krimi, mit dem der Autor, wie er selbst sagt, auf einem guten Weg ist, muss jetzt erst einmal warten. Anders als in München, wo Oswald auch einmal einige Wochen Urlaub nahm von der Kanzlei, um mit dem Manuskript voranzukommen, ist solch eine Auszeit beim Berlin Verlag für die nächsten Monate ausgeschlossen. Oswald soll dem Verlag, in dem einmal Autoren wie Ingo Schulze, Richard Ford und Sybille Lewitscharoff zu Hause waren, dessen Zukunft zuletzt aber ungewiss schien, zu frischem Glanz verhelfen. Und es ist wohl weniger der zum neuen Beruf dazugehörige Zweckoptimismus, sondern eher eine Frage der Lebenseinstellung, die den Verleger so beschwingt auftreten lässt:
"Man muss mit dem arbeiten, was man vorfindet und daraus das Beste machen. Das gilt ja nicht nur für Verlage, sondern das gilt ganz allgemein so im Leben. Und damit fangen wir jetzt an."
Ein Strauß Blumen steht auf dem Schreibtisch, ein Willkommensgruß der Verlagsmitarbeiter – mehr Persönliches gibt es nicht, keine Bilder, keine Münchner Erinnerungsstücke. Aber Oswald will ja auch möglichst unbeschwert nach vorne blicken. Es ist ein langer Weg, den er vor sich hat. Doch man merkt dem sympathischen Neu-Verleger, der gern herzlich lacht, die Freude an der schwierigen Aufgabe durchaus an. Georg M. Oswald wirkt einfach so, als sei er sich ziemlich sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben.
Der Berliner Verkehrslärm rund um den südlichen Abschnitt der Friedrichstraße dringt nur noch gedämpft an die Ohren und verstummt schließlich ganz. Was in den Räumen des Berlin Verlags zuerst auffällt, ist die konzentrierte Stille. Unversehens ist man geneigt, sich nur noch auf Zehenspitzen zu bewegen, das scheint auch dem neuen Verleger Georg M. Oswald so zu gehen:
"Manche fragen, warum es hier so leise ist. Das liegt daran, dass die Leute hier weniger telefonieren als zum Beispiel in einer Anwaltskanzlei und mehr mit ruhiger Textarbeit beschäftigt sind."
Oswald weiß, wovon er spricht. Vor wenigen Wochen war er noch Anwalt in der Münchner Kanzlei Tax and Law, die er vor 13 Jahren mitgegründet hat. Ein Anruf von Marcel Hartges, Chef des Piper Verlags in München, zu dem der Berlin Verlag seit Anfang 2012 gehört, eröffnete dem Juristen plötzlich eine ganz neue Perspektive. Sein Berlin-Experiment begann am 2. September:
"Ich bin gerade 50 geworden. Ich habe die letzten 20 Jahre ein zufriedenes Leben in München geführt. Und finde das dann doch ziemlich abenteuerlich zu sagen, man wechselt den Beruf, man geht in eine andere Stadt und beginnt etwas ganz Neues, was man bisher noch nie gemacht hat. Aber es gab eine Motivation dafür, nämlich zu sagen: Ich kann jetzt den ganzen Tag mit Büchern verbringen und kann mich daran beteiligen, die Bücher zu machen, die es mir wert erscheinen."
Lange überlegt hat er daher nicht. Da war so ein Bauchgefühl und dem ist er gefolgt. Denn Garantien gibt es schließlich ohnehin kaum im Leben. Doch der Wahl-Berliner mit dem akkurat zur Seite gescheitelten Haar ist alles andere als ein Hasardeur. Aufgewachsen in einem kleinbürgerlichen Haushalt, die Eltern waren Bankangestellte, verbindet Oswald vielmehr jugendliche Neugier und Verschmitztheit mit bajuwarischem Pragmatismus und Selbstbewusstsein:
"Für mich war die entscheidende Frage nicht, ob ich das will. Das war mir sofort klar, dass ich das würde machen wollen. Für mich war die entscheidende Frage, ob meine Familie mitmacht."
Die Familie jedenfalls, Frau und Sohn, haben rasch und entschieden zugeraten. Und so sitzt Georg M. Oswald, der seit Beginn seines Berufslebens nicht nur Anwalt, sondern auch Schriftsteller ist und seit einiger Zeit bei Piper publiziert, plötzlich auf der anderen Seite des Schreibtisches. Auch wenn der Mann, der am liebsten Jeans trägt und dem jede steife Förmlichkeit fremd ist, das nicht so sehen will:
"Erstmal ist doch die Entscheidung die, womit will man seine Zeit verbringen: Will man sie mit Büchern verbringen oder will man sie mit Prozessen in einer Kanzlei verbringen oder will man sie in einer Bank verbringen oder wo auch immer. Ich gebe zu, ich finde es auch ganz toll, mal an der Stelle zu stehen, wo man nicht die Bücher schreiben muss, sondern darüber sich Gedanken machen darf, wie man sie am besten positioniert."
Georg M. Oswald hat 1995 mit dem Erzählband "Das Loch" als Schriftsteller debütiert. Seither ist eine ganze Reihe weiterer Bücher von ihm erschienen, darunter fünf Romane. Bekannt wurde der gebürtige Münchner mit "Alles, was zählt", einem entlarvenden Porträt der Businesswelt. In dem Thriller "Unter Feinden" der vor Kurzem verfilmt wurde, schickte Oswald zuletzt ein außergewöhnliches Ermittlerpaar durch seine alte Heimatstadt. Zuweilen hat er überlegt, sich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren, doch es blieb stets bei dem Gedankenspiel.
"Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass mich das zu einem glücklicheren Menschen macht, wenn ich mich ausschließlich der Schriftstellerei widme. Die Arbeit von Autoren, die wirklich nur schreiben – also ‚nur’ in Anführungsstrichen –, ist sehr sehr hart. Ich meine da am allerwenigsten die wirtschaftliche Seite, die kann auch schwierig und prekär sein. Aber ich muss sagen, sich dem so komplett zu überlassen, gerade dieser Moment, man sitzt da und kommt mit dem, was man machen will, nicht weiter, hat eine bestimmte Vorstellung davon im Kopf und entwickelt die weiter. Wenn ich da eine Situation herstellen kann, die mich an der Stelle entlastet, dann bin ich eigentlich immer dankbar um jede Arbeit."
Das neue Buch, wiederum ein Krimi, mit dem der Autor, wie er selbst sagt, auf einem guten Weg ist, muss jetzt erst einmal warten. Anders als in München, wo Oswald auch einmal einige Wochen Urlaub nahm von der Kanzlei, um mit dem Manuskript voranzukommen, ist solch eine Auszeit beim Berlin Verlag für die nächsten Monate ausgeschlossen. Oswald soll dem Verlag, in dem einmal Autoren wie Ingo Schulze, Richard Ford und Sybille Lewitscharoff zu Hause waren, dessen Zukunft zuletzt aber ungewiss schien, zu frischem Glanz verhelfen. Und es ist wohl weniger der zum neuen Beruf dazugehörige Zweckoptimismus, sondern eher eine Frage der Lebenseinstellung, die den Verleger so beschwingt auftreten lässt:
"Man muss mit dem arbeiten, was man vorfindet und daraus das Beste machen. Das gilt ja nicht nur für Verlage, sondern das gilt ganz allgemein so im Leben. Und damit fangen wir jetzt an."
Ein Strauß Blumen steht auf dem Schreibtisch, ein Willkommensgruß der Verlagsmitarbeiter – mehr Persönliches gibt es nicht, keine Bilder, keine Münchner Erinnerungsstücke. Aber Oswald will ja auch möglichst unbeschwert nach vorne blicken. Es ist ein langer Weg, den er vor sich hat. Doch man merkt dem sympathischen Neu-Verleger, der gern herzlich lacht, die Freude an der schwierigen Aufgabe durchaus an. Georg M. Oswald wirkt einfach so, als sei er sich ziemlich sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben.