Das Bauhaus-Gefühl der zwanziger Jahre

Von Adolf Stock |
Im vergangenen Jahr kamen 80.000 Besucher nach Dessau, um das Bauhaus zu sehen. Das Bauhaus-Gebäude empfängt jetzt frisch herausgeputzt seine Besucher: Unter dem Titel „Bauhaus Dessau – Werkstatt der Moderne“ eröffnet jetzt die von Kritikern längst geforderte Dauerausstellung im Dessauer Bauhaus.
Ganz erstaunlich, wie frisch und farbenfroh das sorgfältig sanierte Bauhaus-Gebäude jetzt seinen Besuchern entgegentritt. Wer Augen hat zu sehen, sieht keine öde Kiste – wie es das ewige Vorurteil gegen das Bauhaus will – sondern subtile Raumfolgen, mit hellen, transparenten Räumen, die noch dazu wunderbar farbig sind. Hier also haben die Bauhäusler gelehrt und gewerkelt. Ausstellungskuratorin Kirsten Baumann:

„Das Gebäude ist natürlich Hülle und größtes Exponat zugleich, und es ist natürlich im Prinzip auch so eine Art Museumsbau für uns heute, weil wir ja eine museale Präsentation darin unterbringen. Aber es ist und bleibt ein bisschen die Quadratur des Kreises, in diesem luftigen, lichten, transparenten Bau eine Black Box einzubauen, um dort museale Bedingungen herzustellen. Ich finde es trotzdem gerechtfertigt, das zu tun. Die Besucher verlangen zu Recht eine Präsentation der Objekte und der Unterrichtsarbeiten des Bauhauses hier, denn eigentlich kann man nur hier an diesem Ort wirklich richtig verstehen, was hier unterrichtet und produziert worden ist.“

Nun steht alles friedlich beisammen: Marcel Breuers Stahlrohrstuhl, der keine Beine sondern schnittige Kufen hat, die silbernen Aschenbecher von Marianne Brandt und die berühmte Tischlampe von Wilhelm Wagenfeld, mit der gläsernen Kugel als Lampenschirm.

Kurfürstendammstil nannte Architekt Bruno Taut die Produkte aus der Dessauer Bauhaus-Werkstatt, als ob er schon damals geahnt hätte, dass sich mit den Ikonen der Bauhaus-Moderne bei betuchten Lifestyle-Menschen eine Menge Geld verdienen lässt.

„Es ist ja eine Vielzahl an Objekten, die wir präsentieren. Und ich muss gestehen, es gibt viele Dinge, die habe auch ich vorher noch nie gesehen, die haben die Kollegen einfach im Archiv entdeckt, das ist ein Skizzenheft zum Beispiel von Marianne Brandt, was ich wirklich als ein ganz wunderbares Exponat finde, und Unterrichtsaufzeichnungen von Lotte Gerson zum Beispiel, wo sich einfach auch abzeichnet, wie knallharter Ingenieursunterricht einfach in der Architekturabteilung des Bauhauses betrieben worden ist.

Aber es gibt natürlich auch sehr schöne spielerische Dinge zu sehen, diese endlose Metallspirale von Wils Ebert, also das sind ganz unprätentiöse, also das sind keine Kunstwerke, das sind einfach kleine spielerische Experimente, die aber sehr viel über den Charakter des Unterrichts an der Schule aussagen.“

Die Kuratoren versuchen, das Bauhaus-Gefühl der zwanziger Jahre sinnlich erfahrbar zu machen. Biografische Versatzstücke sollen helfen, das Bauhaus zu verstehen. In den Vitrinen liegen Studienausweise und Zeugnisse von Bauhaus-Schülern. Arbeiten von vier Bauhäuslern werden exemplarisch ausgestellt. Dabei wird deutlich, dass am Bauhaus umfassend und interdisziplinär studiert worden ist. Bauhaus-Direktor Omar Akbar.

„Was war das Bauhaus? Das Bauhaus war vor allem eine Schule gewesen, hat eine Idee entwickelt, wie man an einer Schule mit neuen Methoden arbeiten sollte.“

Die kurze Bauhaus-Geschichte – die zeitlich mit der Weimarer Republik zusammenfällt – wird anhand der drei Bauhaus-Direktoren erklärt. Drei zupackende Chefs mit drei klaren Konzepten. Ausstellungskuratorin Kirsten Baumann.

„Unter Gropius steht am Anfang klar das Experimentieren und das ‚Erforschen des Wesens’, wie er es so schön genannt hat, im Vordergrund. Unter Hannes Meyer, dem zweiten Direktor, spielen soziale Fragen eine ungleich größere Rolle. Also unter Hannes Meyer sind doch die Form- und Kunstfragen sehr in den Hintergrund getreten, zugunsten dieser sozialen Fragen. Und unter Ludwig Mies van der Rohe kehrt sich das Bauhaus quasi zu einer Architekturschule, in der dann künstlerische Ausbildung quasi eine Nebenrolle spielt.“

Mies van der Rohe hatte aus dem Bauhaus eine Architekturschule gemacht, ein Profil, das dem heutigen Bauhaus ähnelt, weil sich Direktor Omar Akbar vor allem mit Problemen des internationalen Städtebaus befasst. Zu wenig, meint der Kulturmanager Paul Raabe im „Blaubuch“, dem kulturellen Leitfaden für die Kultureinrichtungen in den Neuen Ländern, das die Bundesregierung in Auftrag gibt. „Unzureichend und provinziell. Internationale Erwartungen und lokale Wirklichkeit vor Ort entsprechen sich kaum“, heißt es dort über das Dessauer Bauhaus.

Das historische Bauhaus ist zum Mythos geworden. Gleich nach der Wende wurde in Dessau die „Stiftung Bauhaus Dessau“ mit dem Anspruch gegründet, die Bauhaus-Idee mit zeitgemäßen Mitteln weiterzuführen. Das hatte Mut und Schwung und war eine Provokation gegenüber den Berliner Kollegen vom Bauhaus Archiv, die das Erbe nur museal verwalten. Ein Konzept fürs breite Publikum war das allerdings nie. Die Eventkultur pfeift auf nachhaltige Stadtentwicklung.

Sagen wir so: Den Bauhaus-Mythos kann man nicht beerben. Im direkten Vergleich sehen alle heutigen Projekte ziemlich piefig aus. Diese schmerzhafte Erkenntnis wird mit der neuen Dauerausstellung noch einmal drastisch deutlich. Bleibt die Frage, ob die Zukunft der Stiftung in der Musealisierung liegt. Die Tourismusexperten sind alle dafür. Schließlich soll sich Dessau von Weimar und Berlin nicht die Show stehen lassen. Bauhaus-Direktor Omar Akbar.

„Gropius und seine Ideen, die Zeit war ja immer etwas Neues zu entwickeln. Wie könnte der Gang sein der Zukunft? Insofern kann man nicht nur einfach in Richtung Vermarkten, da kommen die Touristen. Und das wird vergessen aus meiner Sicht, und das ist eine Art, nicht ein Rückschritt, das ist eine eigenartige Haltung. Eine eigenartige Haltung auch sogar den Touristen gegenüber.“

Ob das Abfeiern der Ikone auch die Bauhaus-Idee am Leben erhält, steht auf einem anderen Blatt. Wohin die Reise geht, bleibt einstweilen offen. Noch versucht Bauhaus-Direktor Akbar, den Spagat zwischen Gestern und Morgen zu meistern. Eigentlich ganz ehrenwert. Ein wenig Wohlwollen und Nachsicht könnte da sicher nichts schaden.