Das außergewöhnlichste Autorennen der Welt

Von Roland Krüger |
Seit Jahren arbeitet die Industrie an Systemen, die Autos autonom fahren lassen - ohne menschliches Zutun. Grundlage sind moderne Lasersensoren, die ein Fahrzeug in die Lage versetzen, seine Umgebung gewissermaßen zu "sehen". Für Autos dieser Art findet jährlich ein Wettbewerb in den USA statt, bei dem ein 60 Meilen langer innerstädtischer Kurs absolviert werden muss.
Äußerlich sieht er aus wie ein VW-Passat TDI von der Stange. Aber dann ist man doch verwirrt, denn der Wagen lenkt und kurvt herum, ohne dass es einen Fahrer gibt, das Fahrzeug ist leer. Tritt man sehr nah an den Wagen heran, dann wird einem klar, dass sich im Auto sehr viel mehr verbirgt als das, was in Wolfsburg vom Band rollt. Auf den ersten Blick fallen Antenne und Dachlampe auf:

"Auf dem Dach haben wir eine hochgenaue GPS-Antenne. Die brauchen wir, weil das Navigationssystem im Auto zu ungenau ist. Im Rennen müssen wir Punkte überfahren, wir brauchen eine Genauigkeit von Zentimetern. Das Signallicht ist auch eine Vorschrift von der Rennleitung, das Fahrzeug muss anzeigen, dass es sich im autonomen Fahrbetrieb befindet, dann hören Sie ´n Sound und das Licht blinkt."

Holger Salow ist der technische Leiter beim Team Lux, der kleinsten Teilnehmer-Gruppe im diesjährigen Darpa Grand Challenge, dem vielleicht außergewöhnlichsten Autorennen der Welt.

Völlig unbemannte Fahrzeuge müssen am kommenden Samstag gegeneinander antreten, und 60 Meilen durch die kalifornische Kleinstadt Victorville fahren. Sie müssen typische städtische Verkehrssituationen bewältigen, zum Beispiel Gegenverkehr beachten, überholen, abbiegen, Routen berechnen, U-Turns und sogar schwierige Kreuzungssituationen meistern. Und: sie dürfen auf keinen Fall irgendwo anecken.

Das Team Lux setzt zu hundert Prozent auf deutsche Technologie. Der Rennwagen ist mit drei Prototypen eines neuen Lasersensors ausgestattet, die fast unsichtbar in die Karosserie integriert sind. Hersteller ist ein deutscher Laserspezialist.
Damit der Wagen die Informationen verarbeiten kann, die ihm die Lasersensoren liefern, braucht er so etwas wie ein Gedächtnis, und das steckt im Kofferraum:

"Natürlich kommen wir nicht ohne Rechentechnik aus, die verbirgt sich zwischen Reserverad und Abdeckung. Für das ganze autonome Fahren brauchen wir lediglich zwei Rechner. Dort findet die Signalverarbeitung statt und die Navigation, Routenplanung, alles was wir brauchen."

Holger Salow führt das Auto vor.

Der Wagen fährt los. Biegt links ab und stellt fest, dass er in einer Sackgasse ist. Also umdrehen, Gegenverkehr durchlassen, links abbiegen, und auch die nächste Straße endet als Sackgasse. Das Auto dreht wieder um, muss noch einmal andere Fahrzeuge vorlassen, hält kurz an und parkt schließlich ein. Zufriedene Gesichter im Team Lux, denn nur einmal hat der VW Passat ganz leicht einen Bordstein berührt. Ende der Vorführung und kurze Bilanz der Marketing-Spezialistin im Team, Tanja-Müller:

"Ich bin ganz glücklich und sehr stolz auf das, was das Team da geleistet hat, es war wirklich beeindruckend, was das Fahrzeug gefahren ist, heute."

Das war die Testfahrt auf heimischem Gelände. Wenn sich der Wagen auch in Kalifornien eigenständig sicher bewegen soll, dann muss er noch eine ganze Menge dazulernen, denn die Tücke liegt im Detail:

"In Amerika sind es andere Fahrbahnmarkierungen, es wurde andere Farbe benutzt, dann sind die Straßen breiter, haben auch n bisschen ne andere Form, sind in der Mitte so´n bisschen höher als an der Seite, und dann müssen auch noch Feinschliffe gemacht werden, letzte Manöver ausprobiert und üben, üben, üben."

Das kalifornische Städtchen Victorville ist während des Rennens am Samstag menschenleer. Wenn dort 18 Autos gegeneinander antreten, sind Fahrzeuge dabei, die aussehen wie das Mondauto von 1969, so voller Technik, dass ein Fahrer kaum Platz im Auto hätte. Das Team Cybernet aus Ann Arbor in Michigan zum Beilspiel startet mit einem Fahrzeug namens Cybervan. Der Cybervan hat für seine technische Ausrüstung eine so geradezu gigantische Stoßstange erhalten, die jedem Fußgänger Angst einjagen muss. Der Anreiz für alle Teams, zu gewinnen, ist hoch: zwei, eine und eine halbe Million Dollar für die Plätze 1 bis 3.

Das Team Lux hat in einer Disziplin bereits die Nase vorn. Der umgebaute VW Passat ist der einzige Rennteilnehmer mit einer Erlaubnis für den ganz normalen Straßenverkehr – alle anderen gelten als Spezialfahrzeuge und müssen aufwändig an die Rennstrecke herantransportiert werden.

Autonomes Fahren ist keineswegs nur noch einen Katzensprung entfernt. Was im Test schon sehr gut funktioniert, ist noch lange nicht serienreif. Bedenken hat vor allem der Gesetzgeber, der sich bislang nicht vorstellen kann, wie man mit der Haftungsfrage umgeht.
Ein fahrerloses Auto kann man ja wohl schwer vor Gericht stellen, wenn es gekracht hat. Ein paar technische Systeme, die in der fernen Zukunft für autonomes Fahren sorgen können, haben in Serienautos schon Einzug gehalten, sagt Werner Stedtnitz, Professor für Fahrzeugtechnik in Berlin:

"Wir haben heute in unseren Fahrzeugen schon eine Fülle von Assistenz-Systemen. Seit den 80er Jahren mit dem ABS beginnend sind diese Assistenzsysteme immer komplexer geworden. Wir können heute von 0 bis 200 Kilometer pro Stunde die Geschwindigkeit konstant halten, einen Abstand konstant halten, es ist auch möglich, leichter einzuparken, es ist auch möglich, dass das Fahrzeug automatisch abbremst bis dahin. Es gibt in speziellen Umgebungen auch heute schon Fahrzeuge, die autonom fahren, es gibt in Berlin ein Werksgelände, dort können Sattelzüge sich autonom bewegen, und das machen die so genau, dass man mir schon berichtet hat, dass es Spurrillen in der Fahrbahn gibt, weil die so präzise immer den gleichen Weg fahren."

Das Auto, das völlig ohne Fahrer auskommt, gibt es also schon. Es funktioniert nur noch nicht auf der freien Straße. Der nächste Schritt wird sein, Autos mit ihrer Umgebung kommunizieren zu lassen, mit Ampeln, Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierungen, mit anderen Autos und natürlich: Mit den Menschen und ihren Absichten auf der Straße.