Das Auge Südafrikas

Von Werner Bloch |
Es gibt Bilder, die die Welt verändern: das berühmte Porträt von Che Guevara zum Beispiel oder das Bild von Nelson Mandela in seiner Gefängniszelle bei Robben Island. In diese Kategorie fallen die Arbeiten von Jürgen Schadeberg. Kein anderer hat das südliche Afrika so eindringlich fotografiert, die Zeit der Apartheid, aber auch die positiven Aspekte der schwarzen Kultur in Szene gesetzt.
Bequem ist Jürgen Schadeberg nie gewesen. Auch, wenn er sehr freundlich auftritt, ein 76-Jähriger, der viel lächelt und viel jünger wirkt, mit wachen, sehr neugierigen Augen. Und überhaupt wirkt Schadeberg eher wie ein großer Junge, der sich selbst wundert über all die Dinge, die ihm da in seinem Leben zugestoßen sind - allerdings mit viel britischem Humor, den er in Afrika erlernt hat.

"Weil ich Angst hatte, dass die Polizei mit mir etwas vorhat. Und so freundlich waren die nicht, vor allem mit Fotografen."

20 Jahre lang hat Schadeberg die Unmenschlichkeit der südafrikanischen Apartheid dokumentiert. Heute fotografiert er die sozialen Verwerfungen im neuen Südafrika, die Namenlosen und Armen, die sich an den Rändern der Städte ansiedeln und um die sich auch der herrschende ANC nicht kümmert. Der charmante Querkopf aus Berlin lässt sich seine Projekte nicht ausreden - auch nicht vom ehemaligen Präsidenten Nelson Mandela, mit dem er befreundet ist.

"Wenn ich ihn jetzt mal wieder sehe, er ist ja nicht mehr so gesund, sagt er zu mir: Why haven't you retired yet? Was machst du hier? Er fühlt sich nicht so wohl jetzt."

Fast alle Fotos des jungen Mandela, damals noch ein unbekannter Rechtsanwalt, stammen von Jürgen Schadeberg, aber auch Bilder, die zu Ikonen wurden, weltweit millionenfach reproduziert, wie die Fotos von Mandela in seinem Gefängnis auf Robben Island.

"Er war immer sehr ruhig als Menschen, gelassen, still, bewegte sich nicht viel. Sie können das auf den Bildern sehen."

Ruhe, Bescheidenheit und Gelassenheit - diese Eigenschaften gelten ganz genau so für Schadeberg. Die Kunst, auf den richtigen Augenblick zu warten, dann aber im richtigen Augenblick am Drücker zu sein. "Die menschliche Kamera" hat ihn eine Ausstellung genannt Tatsächlich ist er sich immer treu geblieben, auch in Zeiten, als er um sein Leben fürchten musste. Denn kritische Journalisten hatten es nicht leicht im Südafrika der Apartheid, der begabteste schwarze Reporter, mit dem Schadeberg oft zusammenarbeitete, wurde ermordet, und auch hinter dem Fotografen waren die Sicherheitskräfte her.

"Dann kam ein Fanatiker am nächsten Tag in ein Café, wo ich mit ein paar Journalisten saß, hielt mir die Pistole an den Kopf und sagte, er werde mich jetzt erschießen."
Schadeberg schlug der Polizei mehr als einmal ein Schnippchen. Manchmal fotografierte er verdeckt, aus einem Loch in seiner Weste heraus, ein paar Mal wurde er verhaftet - dafür genügte es schon, Aufnahmen von einem schwarzen Model oder einer Sängerin zu machen.

Wenn er heute davon spricht, mimt Schadeberg nicht den Helden und auch nicht den Widerstandskämpfer. Die Schwarzen hatten nur eine Illustrierte, das Magazin Drum, und für die Drum fotografierte Schadeberg seine Reportagen von der Jazzszene und der Kunst in Johannesburg.

"Das Wichtige an der Drum Illustrierten Zeitung war: Es hat geholfen, eine Selbstsicherheit für die schwarze Bevölkerung aufzubauen. Vor Drum gab es keine Zeitschrift, die sich für die schwarze Gesellschaft interessierte."

Die junge Miriam Makeba, später ein Weltstar, zeigt Schadeberg noch als schüchterne 19-Jährige, mit gesenktem Blick auf der Bühne.

"Irgendwie war die Musik eine Demonstration gegen die Apartheid. Das war ein Gefühl der Freiheit. Da war diese bestimmte Township-Musik. Es hatte einen Rhtythmus und eine Energie. Wahrscheinlich war es die Energie."

Schadeberg fotografierte das Schöne und das Schreckliche, die Kultur und die Politik Südafrikas. Dabei war die Verbindung mit dem afrikanischen Kontinent eine eher zufällige, als er 1950 von Deutschland wegging.

"Ein Neunzehnjähriger, der kein Geld hatte, konnten Sie nicht raus aus Deutschland. Deutsche waren nicht sehr beliebt im Ausland. Ich wäre auch nach Peru gegangen oder Patagonien."

Jürgen Schadeberg lebt im Norden von Johannesburg. Aber es packt ihn doch vermehrt das Fernweh nach Europa. Im Herzen ist er Europäer geblieben und Deutscher, sagt er, trotz der vielen Jahrzehnte in Afrika. Die Deutschen aber haben ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Als er bei der deutschen Botschaft seinen deutschen Pass zur Verlängerung vorlegte, wurde der "ungültig" gestempelt - wegen einer Formalie.

"Den Pass haben sie mir weggenommen, die Deutschen. Ich habe aber Großkinder, die sprechen kein deutsch, die wissen nicht, wie Deutschland ist, die waren nie in Deutschland, aber die haben deutsche Pässe."