Das andere Ungarn
Kultur, die sich nicht dem nationalkonservativen Mainstream in Ungarn unterwirft, hat es schwer. Kritische Künstler werden gemobbt oder von ihren Posten verdrängt. Die Ausstellung "Budapest Experience of Art, Vol.1" will in Berlin dagegen halten.
Der rote Neonschriftzug scheint Programm: "Time for Revolution" (Zeit für Revolution) prangt an der Backsteinmauer des ehemaligen Berliner Senatsreservenspeichers an der Spree. Im zweiten Stock des Hauses in Berlin-Kreuzberg: DJ-Sounds aus Budapest, die in die Space-Atmosphäre der 70er-Jahre zurückversetzen, als ungarische Rockbands wie "Omega" noch Stadien füllten. Der quäkende Synthesizer – ein Relikt aus vergangener Zeit.
Budapest-Berlin-Salon – seit 2008 wagt Eszter Gantner zusammen mit ihren Künstlerfreunden den Brückenschlag zwischen den Metropolen:
"Entweder sind wir dort geboren, hier aufgewachsen, leben hier oder umgekehrt. Das ist unser Radius und der erste Grund für den Salon. Der zweite: Die Städte sind sich sehr ähnlich. Seit mehr als 100 Jahren gibt es einen starken Einfluss von Berlin auf die Entwicklung in Budapest – und erst recht nach 1989."
Aber auch umgekehrt gilt das. So gibt es seit einigen Jahren in Berlin einen Ableger der Budapester Kult-Kneipe "Szimpla". Der ungarische Literaturnobelpreisträger Imre Kertész zieht es vor, in Berlin zu leben statt in Budapest, wo er immer wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt ist. Berlin Budapest – die beiden Städte driften immer mehr auseinander. Hier: Vielleicht eine grüne Bürgermeisterin. Dort: Eine
ungarntümelnde nationalkonservative Regierung. Mittlerweile haben die ungarischen Konservativen auch das Budapester Rathaus erobert.
Zoltán Balla leitet in Budapest das alternative Kulturzentrum "Tüzraktér" im ehemaligen Judenviertel Terézváros, das von der Schließung bedroht ist:
"Es gibt eine neue Bezirksregierung. Die Leute einer neuen Partei kamen, die wollen Posten haben. Was vorher war, war schlecht, sagen sie. Und jetzt wird mit dem Stahlbesen ausgekehrt. Es geht nur um die Macht. Sonst nichts."
So wie dem "Tüzraktér" geht es vielen alternativen Kultureinrichtungen. Sie kämpfen ums nackte Überleben. Kulturelle Gleichschaltung ist zu befürchten, sagt die Organisatorin des Salons:
"Es besteht die Gefahr, dass Budapest zur Provinz wird. Dass es nicht die Rolle einer führenden mitteleuropäischen Metropole einnimmt, die seit der Wende im Raum steht."
Scheinbar harmlos kommen die Videoinstallationen in Berlin-Kreuzberg daher. Ein roter Ball mit weißen Punkten wird zum Stadtführer durch Budapest. Start am Heldenplatz, er springt durchs Burgviertel, landet am Ende – nach Treffen mit einem zweiten Ball in der Donau – dort treiben die beiden Bälle in Frieden, zusammen mit Eisschollen. Ein Sinnbild für Kommunikation und die ist schwierig im gespaltenen Ungarn derzeit. Auf Video ist der Entstehungsprozess des Bildes "Noah" zu sehen: Eine Graffiti-Arche in Gelb und Blau. Das Besondere: Der körperbehinderte Sprayer Károly Horváth arbeitet mit den Füßen. Attila Stark gehört der Gruppe "1000 Prozent" an, sein Kunstwerk ist bislang noch eine weiße Wand:
"Wir werden diese weiße Wand anmalen, ich kann noch nicht sagen, wie sie aussehen wird."
Work in Progress. Alternativ-Kunst, die so in Ungarn derzeit immer weniger Raum hat. Dort dominieren: Trikolore, Großungarn-Träume, Rückbesinnung auf die Árpáden-Könige, die 30er-Jahre und den Kádárismus, meint Historikerin Eszter Gantner, die an der Humboldt-Universität unterrichtet. Der Budapest-Berlin-Salon will das andere Ungarn zeigen, sagt sie:
"Wir stellen talentierte Künstler aus, die sich mit städtischem Raum befassen, deren Perspektive eine ist, die das konstruierte Bild von Ungarn etwas verändern kann. Wir möchten ihnen eine Chance geben, sich im Ausland vorzustellen. Das andere Ungarn vorstellen, das andere Budapest: Das liebenswerte, aufregende, das es zu entdecken gilt – das seinen Weg geht, egal was da oben passiert."
Informationen des Budapest-Berlin-Salon über die Ausstellung
Budapest-Berlin-Salon – seit 2008 wagt Eszter Gantner zusammen mit ihren Künstlerfreunden den Brückenschlag zwischen den Metropolen:
"Entweder sind wir dort geboren, hier aufgewachsen, leben hier oder umgekehrt. Das ist unser Radius und der erste Grund für den Salon. Der zweite: Die Städte sind sich sehr ähnlich. Seit mehr als 100 Jahren gibt es einen starken Einfluss von Berlin auf die Entwicklung in Budapest – und erst recht nach 1989."
Aber auch umgekehrt gilt das. So gibt es seit einigen Jahren in Berlin einen Ableger der Budapester Kult-Kneipe "Szimpla". Der ungarische Literaturnobelpreisträger Imre Kertész zieht es vor, in Berlin zu leben statt in Budapest, wo er immer wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt ist. Berlin Budapest – die beiden Städte driften immer mehr auseinander. Hier: Vielleicht eine grüne Bürgermeisterin. Dort: Eine
ungarntümelnde nationalkonservative Regierung. Mittlerweile haben die ungarischen Konservativen auch das Budapester Rathaus erobert.
Zoltán Balla leitet in Budapest das alternative Kulturzentrum "Tüzraktér" im ehemaligen Judenviertel Terézváros, das von der Schließung bedroht ist:
"Es gibt eine neue Bezirksregierung. Die Leute einer neuen Partei kamen, die wollen Posten haben. Was vorher war, war schlecht, sagen sie. Und jetzt wird mit dem Stahlbesen ausgekehrt. Es geht nur um die Macht. Sonst nichts."
So wie dem "Tüzraktér" geht es vielen alternativen Kultureinrichtungen. Sie kämpfen ums nackte Überleben. Kulturelle Gleichschaltung ist zu befürchten, sagt die Organisatorin des Salons:
"Es besteht die Gefahr, dass Budapest zur Provinz wird. Dass es nicht die Rolle einer führenden mitteleuropäischen Metropole einnimmt, die seit der Wende im Raum steht."
Scheinbar harmlos kommen die Videoinstallationen in Berlin-Kreuzberg daher. Ein roter Ball mit weißen Punkten wird zum Stadtführer durch Budapest. Start am Heldenplatz, er springt durchs Burgviertel, landet am Ende – nach Treffen mit einem zweiten Ball in der Donau – dort treiben die beiden Bälle in Frieden, zusammen mit Eisschollen. Ein Sinnbild für Kommunikation und die ist schwierig im gespaltenen Ungarn derzeit. Auf Video ist der Entstehungsprozess des Bildes "Noah" zu sehen: Eine Graffiti-Arche in Gelb und Blau. Das Besondere: Der körperbehinderte Sprayer Károly Horváth arbeitet mit den Füßen. Attila Stark gehört der Gruppe "1000 Prozent" an, sein Kunstwerk ist bislang noch eine weiße Wand:
"Wir werden diese weiße Wand anmalen, ich kann noch nicht sagen, wie sie aussehen wird."
Work in Progress. Alternativ-Kunst, die so in Ungarn derzeit immer weniger Raum hat. Dort dominieren: Trikolore, Großungarn-Träume, Rückbesinnung auf die Árpáden-Könige, die 30er-Jahre und den Kádárismus, meint Historikerin Eszter Gantner, die an der Humboldt-Universität unterrichtet. Der Budapest-Berlin-Salon will das andere Ungarn zeigen, sagt sie:
"Wir stellen talentierte Künstler aus, die sich mit städtischem Raum befassen, deren Perspektive eine ist, die das konstruierte Bild von Ungarn etwas verändern kann. Wir möchten ihnen eine Chance geben, sich im Ausland vorzustellen. Das andere Ungarn vorstellen, das andere Budapest: Das liebenswerte, aufregende, das es zu entdecken gilt – das seinen Weg geht, egal was da oben passiert."
Informationen des Budapest-Berlin-Salon über die Ausstellung