Das Alter meistern
Fast jeder möchte alt werden, aber keiner will alt sein. Denn Alter hat etwas von Verfall und Krankheit. Und wer möchte das schon erleben? Schlimmstenfalls landet man ja wohlmöglich noch im Altersheim: Einsam und allein. Nein danke. Keine Lust. Muss man auch nicht: Denn Älterwerden ist nicht mehr das, was es einmal war, sagt Herrad Schenk in ihrem Buch "Der Alterskomplex".
Älter werden hat seinen Schrecken verloren und bedeutet heute nicht mehr dasselbe wie noch vor 30 Jahren: Mit Mitte 60 geht es den meisten älteren Menschen heute gesundheitlich noch prächtig, sie sind fit, geistig wie körperlich, sie haben viel freie Zeit, können ihren Hobbys frönen, wann immer sie wollen und nicht selten sind sie gut situiert, verfügen auch über gute Renten. Und das Beste: Sie haben noch einen langen Lebensabschnitt vor sich, einer der sogar länger ist als Kindheit und Pubertät zusammen.
So gab es beispielsweise 1950 in Westdeutschland 19.000 Menschen, die über neunzig Jahre alt waren. Heute sind es in demselben Gebiet über 340.000. Angesichts solcher Zahlen sollte man also mit dem Katzenjammer aufhören und sich lieber den Realitäten stellen, alt wird man schließlich, ob man will oder nicht. Und deshalb gilt es, aus dieser letzten Lebensphase, das Beste zu machen. Die Möglichkeiten dazu stehen zuhauf zur Verfügung; sie müssen nur genutzt werden. Älter werden ist also eine Chance im Leben Neues zu entdecken und sich selbst zu verwirklichen. So zumindest liest sich das in Herrad Schenks Buch "Der Alterskomplex".
Die studierte Sozialwissenschaftlerin will ihren Lesern die Angst nehmen vor dem Alter, ohne dabei die Schattenseiten des Alters zu verleugnen. Natürlich gehören Krankheit und Leistungsabfall dazu, sagt sie, aber das ist im Durchschnitt alles viel weniger schlimm als allgemein befürchtet. Und so beschreibt sie in den zwölf ausführlichen Kapiteln ihres Buches eindrucksvoll über das veränderte Selbstbild vieler Älterer und von ihrem neuen Selbstbewusstsein. In einer gekonnten Mischung aus Sachtext und Fallbeispielen erzählen da Frauen und Männer ab 60 Jahre aufwärts von ihrem ehrenamtlichen Job in einem Museum, von ihrem netten Theaterbesuch mit Freundinnen, von ihren Reisen in andere Länder. Großeltern berichten mit Leidenschaft über die Betreuung der Enkelkinder und Paare beschreiben, wie wichtig Sexualität als Rentner noch immer für sie ist.
Positive Trends werden durch Studien belegt:
Ältere Menschen leiden viel seltener unter negativen Gefühlszuständen, sind allgemein zufriedener, können Fehler viel besser akzeptieren und sie wählen ihre Kontakte sorgfältiger aus. Der Lebensabend - so scheint es - kommt Abrahams Schoss ziemlich nah. Warum also Angst davor haben? Zumal jeder schließlich seines Glückes Schmied ist. Und genau darin liegt die Crux des Buches; so schildert Herrad Schenk zwar all diese veränderten positiven Lebensmöglichkeiten, mit denen sie Mut machen will, aber sie macht auch deutlich: Die Verantwortung dafür, wie das Älterwerden sich gestaltet, liegt bei jedem selbst. Nur wer offen bleibt für Anregungen, wer seine Neugier behält, der ist seinem Älterwerden nicht schicksalhaft ausgeliefert, sondern kann diesen Prozess variabel und individuell gestalten und Lebensfreude gewinnen.
Irgendwie hatte die früher festgelegte Rentner- und Rentnerinnenrolle auch etwas Tröstliches. Da wusste man schließlich, woran man war, was einen erwartete. Doch damit ist es, liest man Herrad Schenk, nun vorbei. Die gesellschaftlichen Veränderungen machen eben auch nicht vor dem Alter halt. Das hat zwar insgesamt mehr positive Seiten, aber es gibt auch negative – und auch von ihnen schreibt die Autorin. So bedeutet etwa der jetzt anhaltende Trend zur Individualisierung und Kinderlosigkeit auch für die zukünftigen Alten eine Veränderung.
Sie müssen lernen sich ein Netz aus Freunden und Vertrauten zu knüpfen, sie müssen kontaktfreudiger und wendiger im Umgang mit anderen bleiben, wenn sie nicht doch wieder in Einsamkeit enden wollen. "Freundschaften", so schreibt Schenk, "aufzubauen und zu pflegen wird mindestens ebenso wichtig wie die Materielle Vorsorge durch Zusatzrenten." Dabei birgt auch die zukünftig unklare Altersabsicherung ihre Risiken: So müssen unter Umständen doch immer mehr Menschen immer länger arbeiten oder aber sie müssen ihre Rente durch Nebenjobs aufbessern. Das macht nachdenklich, aber nicht ängstlich, denn Herrad Schenk bietet auch hier fantasievolle und stellenweise auch unkonventionelle Auswege an. Etwa indem sie anregt, im Alter in eine WG zu ziehen, um Kosten zu sparen, aber auch um im Kontakt mit anderen zu bleiben. Eine nette Idee, die noch einmal mehr beweist, auch im Alter kann man Neues zu entdecken. Wir müssen nur die Möglichkeiten kennen und nutzen. Herrad Schenk nennt zumindest einige davon. Und insofern ist ihr Buch nicht nur für die jetzige Rentnergeneration interessant, sondern auch für jetzt noch junge Leser und Leserinnen. Denn älter werden will gelernt sein. Und je eher man damit beginnt, umso einfacher wird es.
Herrad Schenk: Der Altersangstkomplex. Auf dem weg zu einem neuen Selbstbewusstsein
C.H.Beck Verlag
239 Seiten, Paperback, 14, 90 Euro
So gab es beispielsweise 1950 in Westdeutschland 19.000 Menschen, die über neunzig Jahre alt waren. Heute sind es in demselben Gebiet über 340.000. Angesichts solcher Zahlen sollte man also mit dem Katzenjammer aufhören und sich lieber den Realitäten stellen, alt wird man schließlich, ob man will oder nicht. Und deshalb gilt es, aus dieser letzten Lebensphase, das Beste zu machen. Die Möglichkeiten dazu stehen zuhauf zur Verfügung; sie müssen nur genutzt werden. Älter werden ist also eine Chance im Leben Neues zu entdecken und sich selbst zu verwirklichen. So zumindest liest sich das in Herrad Schenks Buch "Der Alterskomplex".
Die studierte Sozialwissenschaftlerin will ihren Lesern die Angst nehmen vor dem Alter, ohne dabei die Schattenseiten des Alters zu verleugnen. Natürlich gehören Krankheit und Leistungsabfall dazu, sagt sie, aber das ist im Durchschnitt alles viel weniger schlimm als allgemein befürchtet. Und so beschreibt sie in den zwölf ausführlichen Kapiteln ihres Buches eindrucksvoll über das veränderte Selbstbild vieler Älterer und von ihrem neuen Selbstbewusstsein. In einer gekonnten Mischung aus Sachtext und Fallbeispielen erzählen da Frauen und Männer ab 60 Jahre aufwärts von ihrem ehrenamtlichen Job in einem Museum, von ihrem netten Theaterbesuch mit Freundinnen, von ihren Reisen in andere Länder. Großeltern berichten mit Leidenschaft über die Betreuung der Enkelkinder und Paare beschreiben, wie wichtig Sexualität als Rentner noch immer für sie ist.
Positive Trends werden durch Studien belegt:
Ältere Menschen leiden viel seltener unter negativen Gefühlszuständen, sind allgemein zufriedener, können Fehler viel besser akzeptieren und sie wählen ihre Kontakte sorgfältiger aus. Der Lebensabend - so scheint es - kommt Abrahams Schoss ziemlich nah. Warum also Angst davor haben? Zumal jeder schließlich seines Glückes Schmied ist. Und genau darin liegt die Crux des Buches; so schildert Herrad Schenk zwar all diese veränderten positiven Lebensmöglichkeiten, mit denen sie Mut machen will, aber sie macht auch deutlich: Die Verantwortung dafür, wie das Älterwerden sich gestaltet, liegt bei jedem selbst. Nur wer offen bleibt für Anregungen, wer seine Neugier behält, der ist seinem Älterwerden nicht schicksalhaft ausgeliefert, sondern kann diesen Prozess variabel und individuell gestalten und Lebensfreude gewinnen.
Irgendwie hatte die früher festgelegte Rentner- und Rentnerinnenrolle auch etwas Tröstliches. Da wusste man schließlich, woran man war, was einen erwartete. Doch damit ist es, liest man Herrad Schenk, nun vorbei. Die gesellschaftlichen Veränderungen machen eben auch nicht vor dem Alter halt. Das hat zwar insgesamt mehr positive Seiten, aber es gibt auch negative – und auch von ihnen schreibt die Autorin. So bedeutet etwa der jetzt anhaltende Trend zur Individualisierung und Kinderlosigkeit auch für die zukünftigen Alten eine Veränderung.
Sie müssen lernen sich ein Netz aus Freunden und Vertrauten zu knüpfen, sie müssen kontaktfreudiger und wendiger im Umgang mit anderen bleiben, wenn sie nicht doch wieder in Einsamkeit enden wollen. "Freundschaften", so schreibt Schenk, "aufzubauen und zu pflegen wird mindestens ebenso wichtig wie die Materielle Vorsorge durch Zusatzrenten." Dabei birgt auch die zukünftig unklare Altersabsicherung ihre Risiken: So müssen unter Umständen doch immer mehr Menschen immer länger arbeiten oder aber sie müssen ihre Rente durch Nebenjobs aufbessern. Das macht nachdenklich, aber nicht ängstlich, denn Herrad Schenk bietet auch hier fantasievolle und stellenweise auch unkonventionelle Auswege an. Etwa indem sie anregt, im Alter in eine WG zu ziehen, um Kosten zu sparen, aber auch um im Kontakt mit anderen zu bleiben. Eine nette Idee, die noch einmal mehr beweist, auch im Alter kann man Neues zu entdecken. Wir müssen nur die Möglichkeiten kennen und nutzen. Herrad Schenk nennt zumindest einige davon. Und insofern ist ihr Buch nicht nur für die jetzige Rentnergeneration interessant, sondern auch für jetzt noch junge Leser und Leserinnen. Denn älter werden will gelernt sein. Und je eher man damit beginnt, umso einfacher wird es.
Herrad Schenk: Der Altersangstkomplex. Auf dem weg zu einem neuen Selbstbewusstsein
C.H.Beck Verlag
239 Seiten, Paperback, 14, 90 Euro