Das allgegenwärtige Auge
Auch in Deutschland liefern Webcams immer mehr Bilder von öffentlichen Plätzen, Bahnhöfen, Einkaufszentren oder privaten Wohnzimmern. Doch was in anderen Ländern wie Großbritannien rechtlich unproblematisch ist, unterliegt in Deutschland strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Der Videoüberwachung sind hierzulande Grenzen gesetzt.
Ein Grund für die Verbreitung der Webcams ist, dass sie heute billig zu haben und leicht zu installieren sind. Die einfachsten liefern schon für ein paar Euro ihr matschiges und verpixeltes Bild. Nach oben hin sind die Grenzen offen: Hersteller mit Namen wie "go1984" liefern ganze Überwachungsanlagen für den Hausgebrauch, komplett mit Bewegungsmelder, schwenkbarem Objektiv und Warnmeldung an das Handy des Besitzers. Nicht selten gehen solche Maßnahmen aber nach hinten los, wenn zum Beispiel Hacker das Passwort solcher Anlagen knacken. Sie können dann das überwachte Haus bequem im Internet sehen und nach Bedarf den Schwenkarm fernsteuern. Aber auch wenn die Technik so funktioniert wie geplant, sind zumindest in Deutschland die Grenzen des Kontrolleifers eng gesteckt.
"Wenn jemand gezielt auch als Privatmann Personen ablichtet oder mit einer Webcam aufnimmt und dann diese Bilder von Personen ins Internet stellt, dann macht er sich möglicherweise strafbar."
Alexander Dix ist Beauftragter für Datenschutz des Landes Berlin. An ihn wenden sich Bürger, die ihr Recht auf Persönlichkeitsschutz verletzt sehen.
"Zum Beispiel in Einkaufspassagen, das ist ein eindeutiger Rechtsverstoß. Es darf nicht sein, niemand muss es sich gefallen lassen, wenn er Mittag isst in 'ner Pizzeria, dass das ständig im Internet weitergegeben wird. Wir bekommen zunehmend Beschwerden; auch daraus schließe ich natürlich, dass die Zahl der Kameras auch mehr wird."
Das Beispiel Einkaufspassage zeigt, dass in der Praxis die Grenzen der Privatheit kaum merklich aufweichen. Eine mehrstöckige Shopping Mall ist ein Ort in Privatbesitz – dennoch findet dort öffentliches Leben statt. Um vor Diebstahl zu schützen, dürfen die Betreiber näher heran zoomen als bei der sonst erlaubten Überblicksaufnahme. Aber was geschieht mit den Bildern?
"So lange dürfen Aufnahmen gespeichert bleiben, wie sie erforderlich sind für den Geschäftsablauf, da kann man sich natürlich wenig für kaufen; also in der Regel sind aus meiner Sicht 48 Stunden da schon das Maximum."
Eine Regel, die eindeutig ist und trotzdem oft gebrochen wird, ist die Kennzeichnungspflicht.
"Solche Beobachtung muss offen stattfinden, sie darf generell nicht heimlich passieren; also es müssen deutliche Hinweisschilder platziert werden, hier ist Videoüberwachung im Einsatz, und es muss auch klar sein, wer für diese Kameras verantwortlich ist, an wen man sich wenden kann bei Nachfragen oder Beschwerden."
Wenn die Polizei beobachtet, soll das der Prävention dienen: Achtung, potenzieller Krimineller, wir sehen dich. Die Überwachung so genannter gefährlicher Orte ist aber ein zweischneidiges Schwert. Oft wandert zum Beispiel der Drogenhandel einfach in Nachbargegenden ab; mit dem Ergebnis, dass die Kriminalität schwerer statt leichter zu kontrollieren ist. Außerdem nützen die gefilmten Bilder nur dann, wenn auch wirklich jemand hinschaut.
"Wenn man zum Beispiel auf einem U-Bahnhof bedroht wird oder überfallen wird, und man weiß, das wird alles per Video überwacht, dann erwarte ich als Opfer einer Straftat, dass mir da in dieser Situation binnen fünf Minuten wirklich akut geholfen wird. Wenn das nicht gewährleistet wird, dann wird diese Technik eher die Unsicherheit bei den Fahrgästen erhöhen statt sie zu begrenzen."
Das gleiche gilt für den Einsatz biometrischer Software, die irgendwann einmal Gesichter oder auffällige Handlungen erkennen soll. Ihr Einsatz ist in Deutschland bisher nicht erlaubt, eine derzeit laufende Anlage am Mainzer Hauptbahnhof dient vorläufig nur dem Test der Software. Möglicherweise dient die Weiterentwicklung der Technik aber auch dem Datenschutz. Wird zum Beispiel eine Häuserreihe gefilmt, kann der Einblick in Privatwohnungen durchs Fenster automatisch geschwärzt werden.
Seit Big Brother nicht mehr für den totalitären Überwachungsstaat steht, sondern für eine Unterhaltungsshow, stellt sich die Frage: Werfen sich heute nicht viele freiwillig in die Arme der Kamerakontrolle? Tatsächlich findet gerade eine Verschiebung der Selbstverständlichkeiten in der Alltagskultur statt. Immer mehr Menschen machen im Internet einen Teil ihres Lebens öffentlich. Was Privatsphäre überhaupt ist, wird mit solchen Praktiken gerade neu entworfen. Dabei gibt es aber viele Abstufungen. Mit einer Webcam kann man sich beispielsweise für den Videochat filmen lassen, in das eigene Gesicht aber einen so genannten Avatar hineinretuschieren lassen. Kopfbewegungen und ein rudimentäres Mienenspiel werden dann von einer Comicfigur ausgeführt. Das Beispiel zeigt:
jeder muss in der Lage bleiben, die eigenen Grenzen zu setzen.
"Also, es gibt ja flächendeckende Überwachung etwa in Großbritannien, Großbritannien, muss man sagen, ist heute eine Überwachungsgesellschaft. Es gibt mehrere Fälle, in denen äußerst sensible Aufnahmen, etwa von knutschenden Liebespaaren in irgendwelchen Hauseingängen dann im Privatfernsehen in Form einer Reality Show dann vorgeführt werden. Das ist eine Entwicklung, die ich durchaus hier auch befürchte."
Doch noch herrscht ein anderes Klima in Deutschland, und die Einschränkungen der Videoüberwachung sind strikter. Wenn man die Kameras einfach gewähren lässt, könnte sich das bald ändern. Die Antwort auf die stummen Augen des Netzes muss also sein: Zurückschauen – und nach den Menschen und Interessen hinter der Kamera fragen.
"Wenn jemand gezielt auch als Privatmann Personen ablichtet oder mit einer Webcam aufnimmt und dann diese Bilder von Personen ins Internet stellt, dann macht er sich möglicherweise strafbar."
Alexander Dix ist Beauftragter für Datenschutz des Landes Berlin. An ihn wenden sich Bürger, die ihr Recht auf Persönlichkeitsschutz verletzt sehen.
"Zum Beispiel in Einkaufspassagen, das ist ein eindeutiger Rechtsverstoß. Es darf nicht sein, niemand muss es sich gefallen lassen, wenn er Mittag isst in 'ner Pizzeria, dass das ständig im Internet weitergegeben wird. Wir bekommen zunehmend Beschwerden; auch daraus schließe ich natürlich, dass die Zahl der Kameras auch mehr wird."
Das Beispiel Einkaufspassage zeigt, dass in der Praxis die Grenzen der Privatheit kaum merklich aufweichen. Eine mehrstöckige Shopping Mall ist ein Ort in Privatbesitz – dennoch findet dort öffentliches Leben statt. Um vor Diebstahl zu schützen, dürfen die Betreiber näher heran zoomen als bei der sonst erlaubten Überblicksaufnahme. Aber was geschieht mit den Bildern?
"So lange dürfen Aufnahmen gespeichert bleiben, wie sie erforderlich sind für den Geschäftsablauf, da kann man sich natürlich wenig für kaufen; also in der Regel sind aus meiner Sicht 48 Stunden da schon das Maximum."
Eine Regel, die eindeutig ist und trotzdem oft gebrochen wird, ist die Kennzeichnungspflicht.
"Solche Beobachtung muss offen stattfinden, sie darf generell nicht heimlich passieren; also es müssen deutliche Hinweisschilder platziert werden, hier ist Videoüberwachung im Einsatz, und es muss auch klar sein, wer für diese Kameras verantwortlich ist, an wen man sich wenden kann bei Nachfragen oder Beschwerden."
Wenn die Polizei beobachtet, soll das der Prävention dienen: Achtung, potenzieller Krimineller, wir sehen dich. Die Überwachung so genannter gefährlicher Orte ist aber ein zweischneidiges Schwert. Oft wandert zum Beispiel der Drogenhandel einfach in Nachbargegenden ab; mit dem Ergebnis, dass die Kriminalität schwerer statt leichter zu kontrollieren ist. Außerdem nützen die gefilmten Bilder nur dann, wenn auch wirklich jemand hinschaut.
"Wenn man zum Beispiel auf einem U-Bahnhof bedroht wird oder überfallen wird, und man weiß, das wird alles per Video überwacht, dann erwarte ich als Opfer einer Straftat, dass mir da in dieser Situation binnen fünf Minuten wirklich akut geholfen wird. Wenn das nicht gewährleistet wird, dann wird diese Technik eher die Unsicherheit bei den Fahrgästen erhöhen statt sie zu begrenzen."
Das gleiche gilt für den Einsatz biometrischer Software, die irgendwann einmal Gesichter oder auffällige Handlungen erkennen soll. Ihr Einsatz ist in Deutschland bisher nicht erlaubt, eine derzeit laufende Anlage am Mainzer Hauptbahnhof dient vorläufig nur dem Test der Software. Möglicherweise dient die Weiterentwicklung der Technik aber auch dem Datenschutz. Wird zum Beispiel eine Häuserreihe gefilmt, kann der Einblick in Privatwohnungen durchs Fenster automatisch geschwärzt werden.
Seit Big Brother nicht mehr für den totalitären Überwachungsstaat steht, sondern für eine Unterhaltungsshow, stellt sich die Frage: Werfen sich heute nicht viele freiwillig in die Arme der Kamerakontrolle? Tatsächlich findet gerade eine Verschiebung der Selbstverständlichkeiten in der Alltagskultur statt. Immer mehr Menschen machen im Internet einen Teil ihres Lebens öffentlich. Was Privatsphäre überhaupt ist, wird mit solchen Praktiken gerade neu entworfen. Dabei gibt es aber viele Abstufungen. Mit einer Webcam kann man sich beispielsweise für den Videochat filmen lassen, in das eigene Gesicht aber einen so genannten Avatar hineinretuschieren lassen. Kopfbewegungen und ein rudimentäres Mienenspiel werden dann von einer Comicfigur ausgeführt. Das Beispiel zeigt:
jeder muss in der Lage bleiben, die eigenen Grenzen zu setzen.
"Also, es gibt ja flächendeckende Überwachung etwa in Großbritannien, Großbritannien, muss man sagen, ist heute eine Überwachungsgesellschaft. Es gibt mehrere Fälle, in denen äußerst sensible Aufnahmen, etwa von knutschenden Liebespaaren in irgendwelchen Hauseingängen dann im Privatfernsehen in Form einer Reality Show dann vorgeführt werden. Das ist eine Entwicklung, die ich durchaus hier auch befürchte."
Doch noch herrscht ein anderes Klima in Deutschland, und die Einschränkungen der Videoüberwachung sind strikter. Wenn man die Kameras einfach gewähren lässt, könnte sich das bald ändern. Die Antwort auf die stummen Augen des Netzes muss also sein: Zurückschauen – und nach den Menschen und Interessen hinter der Kamera fragen.