Das All braucht eine Müllabfuhr
Von Dirk Asendorpf · 27.04.2013
Wissenschaftler und Techniker haben in dieser Woche auf einer Konferenz der Weltraumagentur ESA in Darmstadt über die Eindämmung des Weltraummülls beraten. Dieser sich selbst immer weiter zerkleinernde Schrott bedroht Satelliten, Handynetze, aber auch die Raumstation ISS.
Knapp 5.000 Raketen hat die Menschheit bisher gestartet - und damit nebenbei 6800 Tonnen Weltraumschrott erzeugt, zersplittert in Hunderte Millionen Teilchen. Selbst wenn ab morgen keine einzige Rakete mehr starten dürfte, würde sich der Schrott noch vermehren. Der Grund: Erst nach Jahrzehnten werden die Überreste ehemaliger Raketen und Satelliten so stark abgebremst, dass sie von alleine in der Erdatmosphäre verglühen. Bis dahin rasen sie mit bis zu 40.000 Stundenkilometern um die Erde. Kommt es dabei zu Zusammenstößen, zerplatzen sie zu einer Vielzahl neuer Bruchstücke - und die Wahrscheinlichkeit weiterer Kollisionen nimmt zu.
Funktionsfähige Satelliten können vorhersehbaren Zusammenstößen ausweichen. Dafür behalten die Mitarbeiter im Darmstädter Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumagentur ESA die Flugbahn von 16.000 größeren Brocken im Blick und lassen gefährdete Satelliten Ausweichmanöver fliegen. Doch nur sechs Prozent der künstlichen Trabanten, die die Erde umkreisen, sind noch in Betrieb. Der Rest jagt steuerungslos durchs All. Das im wahrsten Sinn des Wortes dickste Problem in diesem Zusammenhang heißt Envisat.
Der 2002 gestartete Umweltsatellit ist mit acht Tonnen Gewicht und den Ausmaßen eines Doppeldeckerbusses das größte Objekt, das Europa je ins All gebracht hat. Der wissenschaftliche Nutzen seiner in zehn Jahren gesammelten Daten ist enorm. Doch über die Zeit nach dem Ende seiner Lebensdauer hatte vor dem Start niemand ernsthaft nachgedacht. Und vor einem Jahr riss dann auch noch die Datenverbindung ab. Was die Ursache für den Totalausfall war, ist bisher ungeklärt, sagt Juan Piñeiro im ESA-Kontrollraum:
"Den wirklichen Grund herauszufinden, ist praktisch unmöglich, denn der Satellit spricht ja nicht mehr mit uns. Wir wissen, dass er äußerlich weitgehend unversehrt ist, das können wir auf Radarbildern erkennen. Er zerfällt nicht in herumspukende Teile."
Doch das kann jetzt jederzeit passieren, Piñeiro und seine Kollegen könnten einer Kollision nur tatenlos zusehen. Der Weltraumschrott würde dann ausgerechnet dort sprunghaft zunehmen, wo er schon heute am dichtesten ist: auf 700 bis 900 Kilometern Höhe. Dort ziehen Forschungs-, Erdbeobachtungs- und Spionagesatelliten ihre Bahnen. Mindestens fünf größere Objekte müssten jedes Jahr eingefangen und kontrolliert zum Absturz gebracht werden, um die Menge des Weltraumschrotts auf Dauer stabil zu halten. Bei der ESA ist Luisa Innocenti dafür verantwortlich, dass es tatsächlich dazu kommt:
"Wenn wir Leute dazu bringen wollen, im All aufzuräumen, dann muss das so billig wie möglich passieren. Also betrachten wir die Kosten verschiedener Technologien: Klammern oder Roboterarme. Netze und Harpunen scheinen recht günstige Konzepte zu sein. Wichtig ist auch, dass die Technik für das Einfangen unterschiedlicher Objekte verwendet werden kann. Envisat ist aus unserer Sicht nur das Endziel eines schrittweisen Vorgehens."
60 Millionen Euro hat die ESA für die Planung einer ersten Rückholaktion zur Verfügung gestellt. Doch über das richtige Vorgehen gibt es keine Einigkeit. Die französische Raumfahrtagentur CNES will einen Satelliten starten, der mit einer großen Greifzange eine der 290 im All herumfliegenden ausgebrannten Oberstufen russischer Kosmos-Raketen eingefangen und zum Absturz bringen soll. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) will lieber klein anfangen, Manuel Metz ist dort für die Weltraummüll-Forschung zuständig:
"Wir haben eine Mission geplant, die nennt sich Deos, deutsche orbitale Servicing Mission. In der Mission geht es zunächst einmal darum, Technologien im Orbit zu verifizieren, um Satelliten anzufliegen und warten zu können, Reparaturen durchführen oder wiederbetanken zu können. Es wird auch mit dieser Mission gezeigt werden, dass zum Schluss ein kontrollierter Wiedereintritt erfolgreich durchgeführt werden kann."
Damit das auch wirklich klappt, soll allerdings kein echter Geistersatellit, sondern ein eigens zu diesem Zweck ins All gebrachtes Testobjekt angeflogen und dann beseitigt werden. Die ESA rechnet frühestens für das Jahr 2022 mit dem Start einer Pilotmission für die Müllabfuhr im All. Luisa Innocenti rechnet dafür mit Kosten von bis zu 500 Millionen Euro. Für die Frage, wer langfristig für die Entsorgung des Weltraumschrotts aufkommen soll, sieht sie eine überraschende Parallele zu einem ganz anderen globalen Umweltproblem.
Innocenti: "Es ist wie bei den Klimaverhandlungen seit Kyoto. Einige Länder haben mehr Müll produziert als andere. Aber das heißt nicht, dass sie die größte Verantwortung übernehmen. Der Verursacher soll zahlen - in der Theorie sind alle damit einverstanden - es sei denn, sie sind selber die Verursacher."
Funktionsfähige Satelliten können vorhersehbaren Zusammenstößen ausweichen. Dafür behalten die Mitarbeiter im Darmstädter Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumagentur ESA die Flugbahn von 16.000 größeren Brocken im Blick und lassen gefährdete Satelliten Ausweichmanöver fliegen. Doch nur sechs Prozent der künstlichen Trabanten, die die Erde umkreisen, sind noch in Betrieb. Der Rest jagt steuerungslos durchs All. Das im wahrsten Sinn des Wortes dickste Problem in diesem Zusammenhang heißt Envisat.
Der 2002 gestartete Umweltsatellit ist mit acht Tonnen Gewicht und den Ausmaßen eines Doppeldeckerbusses das größte Objekt, das Europa je ins All gebracht hat. Der wissenschaftliche Nutzen seiner in zehn Jahren gesammelten Daten ist enorm. Doch über die Zeit nach dem Ende seiner Lebensdauer hatte vor dem Start niemand ernsthaft nachgedacht. Und vor einem Jahr riss dann auch noch die Datenverbindung ab. Was die Ursache für den Totalausfall war, ist bisher ungeklärt, sagt Juan Piñeiro im ESA-Kontrollraum:
"Den wirklichen Grund herauszufinden, ist praktisch unmöglich, denn der Satellit spricht ja nicht mehr mit uns. Wir wissen, dass er äußerlich weitgehend unversehrt ist, das können wir auf Radarbildern erkennen. Er zerfällt nicht in herumspukende Teile."
Doch das kann jetzt jederzeit passieren, Piñeiro und seine Kollegen könnten einer Kollision nur tatenlos zusehen. Der Weltraumschrott würde dann ausgerechnet dort sprunghaft zunehmen, wo er schon heute am dichtesten ist: auf 700 bis 900 Kilometern Höhe. Dort ziehen Forschungs-, Erdbeobachtungs- und Spionagesatelliten ihre Bahnen. Mindestens fünf größere Objekte müssten jedes Jahr eingefangen und kontrolliert zum Absturz gebracht werden, um die Menge des Weltraumschrotts auf Dauer stabil zu halten. Bei der ESA ist Luisa Innocenti dafür verantwortlich, dass es tatsächlich dazu kommt:
"Wenn wir Leute dazu bringen wollen, im All aufzuräumen, dann muss das so billig wie möglich passieren. Also betrachten wir die Kosten verschiedener Technologien: Klammern oder Roboterarme. Netze und Harpunen scheinen recht günstige Konzepte zu sein. Wichtig ist auch, dass die Technik für das Einfangen unterschiedlicher Objekte verwendet werden kann. Envisat ist aus unserer Sicht nur das Endziel eines schrittweisen Vorgehens."
60 Millionen Euro hat die ESA für die Planung einer ersten Rückholaktion zur Verfügung gestellt. Doch über das richtige Vorgehen gibt es keine Einigkeit. Die französische Raumfahrtagentur CNES will einen Satelliten starten, der mit einer großen Greifzange eine der 290 im All herumfliegenden ausgebrannten Oberstufen russischer Kosmos-Raketen eingefangen und zum Absturz bringen soll. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) will lieber klein anfangen, Manuel Metz ist dort für die Weltraummüll-Forschung zuständig:
"Wir haben eine Mission geplant, die nennt sich Deos, deutsche orbitale Servicing Mission. In der Mission geht es zunächst einmal darum, Technologien im Orbit zu verifizieren, um Satelliten anzufliegen und warten zu können, Reparaturen durchführen oder wiederbetanken zu können. Es wird auch mit dieser Mission gezeigt werden, dass zum Schluss ein kontrollierter Wiedereintritt erfolgreich durchgeführt werden kann."
Damit das auch wirklich klappt, soll allerdings kein echter Geistersatellit, sondern ein eigens zu diesem Zweck ins All gebrachtes Testobjekt angeflogen und dann beseitigt werden. Die ESA rechnet frühestens für das Jahr 2022 mit dem Start einer Pilotmission für die Müllabfuhr im All. Luisa Innocenti rechnet dafür mit Kosten von bis zu 500 Millionen Euro. Für die Frage, wer langfristig für die Entsorgung des Weltraumschrotts aufkommen soll, sieht sie eine überraschende Parallele zu einem ganz anderen globalen Umweltproblem.
Innocenti: "Es ist wie bei den Klimaverhandlungen seit Kyoto. Einige Länder haben mehr Müll produziert als andere. Aber das heißt nicht, dass sie die größte Verantwortung übernehmen. Der Verursacher soll zahlen - in der Theorie sind alle damit einverstanden - es sei denn, sie sind selber die Verursacher."