Darf Satire alles?

Von Alexandra Gerlach |
Das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig widmet sich in einer neuen Ausstellung dem Humor. Über 800 Exponate , Film- und Tondokumente sowie Installationen zeigen die Entwicklung des politischen Humors im geteilten und vereinten Deutschland.
Kabarettist/Ost: "Wer sind die vier natürlichen Feinde des Sozialismus? Der Frühling, der Sommer, der Herbst und der Winter."

Politischer Humor sei ein Gradmesser für die Freiheit einer Gesellschaft, sagen die Leipziger Ausstellungsmacher. Dementsprechend glich das politische Kabarett zu DDR-Zeiten zeitweilig einem Ritt auf der Rasierklinge.

Dieses hatte auch der österreichische Kabarettist, Werner Schneyder, im Hinterkopf, als er 1985 gemeinsam mit seinem westdeutschen Kollegen, Dieter Hildebrandt das heute als legendär geltende Gastspiel in der Messestadt "Zugabe Leipzig" vorbereitete:

Werner Schneyder: "Wir wollten ja auch niemanden ans Messer liefern. Wenn wir uns hier aufgeführt hätten wie die Beserker, hätten möglicherweise die Leute die Zeche gezahlt, die das verantwortet haben, das Gastspiel. Das heißt, wir waren wirklich listig wie zehn Kobras."
Dieter Hildebrandt: "Und der erste große Lacher kam, als ich, was nicht auf dem Papier stand, sagte, wir Deutschen, da sind wir ja geteilter Meinungen - Lachen – und da habe ich gewusst hier bin ich zuhause. "

25 Jahre danach ist der große Saal im zeitgeschichtlichen Forum Leipzig rappelvoll. Selbst im Foyer drängen sich die Menschen, um noch einmal aus erster Hand zu hören, wie das damals war in Leipzig, als Schneyder und Hildebrandt in der DDR, von höchster Stelle genehmigt, auf der Bühne standen und trickreich vom Leder zogen.

Schneyder: "Wir haben die Zustände im Westen beschimpft und haben gesagt, bei Ihnen ist das ja alles viel besser . Meine Lieblingsstelle ist, Hildebrandt sagt 'die Missstände in der DDR', ich sage, 'es gibt keine Missstände in der DDR', sagt er, 'was denn?' Sag ich 'gesellschaftliche Widersprüche', sagt er 'was sind gesellschaftliche Widersprüche?' Sag ich 'Missstände'."

Hildebrandt: "Und dann sah ich unten ein paar Uniformierte sitzen, ... und die haben gar nicht gelacht, ..."

Das SED-Regime der DDR verpflichtete die Satiriker den Sozialismus zu unterstützen. Dennoch suchten und fanden die Künstler Möglichkeiten, um den Unmut der Bevölkerung über die bestehenden Verhältnisse zu artikulieren. Die Verbreitung von politischen Witzen jedoch war durchaus mit persönlichen Risiken verbunden.

DDR-Kabarett: "Was ist Glück? Dass wir in Erich Honeckers DDR leben dürfen.

Was ist Pech? Dass gerade wir das Glück haben.

Warum ist die Berliner Mauer nie verputzt worden?Weil sich so viele für den Außenputz gemeldet haben."

Das Publikum dankte den risikobereiten Kabarettisten mit besonderer Aufmerksamkeit und einer ausgeprägten Fähigkeit jegliches Gleichnis richtig zu interpretieren.

Mann aus Leipzig: "Es waren damals andere Voraussetzungen ins Kabarett zu gehen, weil man ja auch zwischen den Zeilen etwas hören wollte und gehört hat."

In der Bundesrepublik hingegen gehörten unkonventionelle satirische Aktionen seit den Studentenunruhen von 1968 zu den gängigen Protestformen. Ebenso die politische Büttenrede in Fastnacht und Karneval. Zugleich geriet das politische Kabarett, das über das Fernsehen ein Millionenpublikum erreichte immer mal wieder an Grenzen.

Als die Satire-Sendung "Rudis Tages-Show" Mitte der 80-iger Jahre in einem Beitrag den iranischen Ayatollah Khomeni mit Dessous bewerfen ließ, löste das eine bilaterale Krise mit dem Iran aus. Das Original dieser Sendung ist bis heute unter Verschluss.

Nach der Wiedervereinigung zeigten sich im Humor die Unterschiede zwischen "Wessis" und "Ossis". Manche Pointe, manches satirische Plakat sorgte für Verstimmung. Einige davon sind in Leipzig zu sehen. Für den gebürtigen Ostdeutschen und Leiter des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, Rainer Eckert ist eine besonders umstrittene Provokation von damals aus heutiger Sicht durchaus amüsant.

Prof. Dr. Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig: "Und zwar ist das die ziemlich gemeine Karikatur von Zonen-Gabi im Glück mit der geschälte Gurke in der Hand ..., wenn ich da vorbei gehe, ich muss einfach lachen, obwohl ich ja vielleicht auch ein Stück weit damit gemeint bin."

Erst mit der friedlichen Revolution 1989 konnten die Menschen in der DDR ihre Meinung offen sagen. Seitdem habe das politische Kabarett im Osten seinen Biss und seine Raffinesse verloren, beklagen viele. Ob er das auch so empfinde, wurde der österreichische Kabarettist Werner Schneyder in Leipzig gefragt:

"Nein, denn ich finde es leicht pervers, sich nach einer Diktatur zurückzusehen, nur damit das Kabarett besser wird ..."