Danke auch dem Computer
Die Internationalität der Welt und mehrdimensionale Geschichten auf die Bühne zu bringen, ist das Ziel der "Theaterformen". In diesem Jahr zeigt das Festival in Hannover 18 Produktionen aus mehreren Kontinenten.
Theaterformen, das ist der Name eines Festivals in Niedersachsen, genauer gesagt, in Südniedersachsen. Der Festivalort wechselt zwischen Hannover und Braunschweig. Die Theaterformen gehen jedes Jahr im Sommer, im Juni über die Bretter, die die Welt bedeuten. In diesem Jahr in Hannover. Das Festival begann am 19. und dauert noch bis zum 30. Juni. Die Strukturzahlen sind eindrucksvoll: 18 Produktionen kommen aus dem Iran, der Schweiz, aus Deutschland, dem Kongo, Südafrika und den Niederlanden, aus Belgien, Argentinien, Irland, Frankreich, Griechenland, der Türkei, Syrien und last but not least Russland. Die Ensembles und Compagnien präsentieren 88 Vorstellungen in acht Spielstätten.
Die künstlerische Leiterin der Theaterformen ist seit 2008 Anja Dirks. Sie ist Jahrgang 1970 und hat eine breite Ausbildung. Ihre Erfahrungen bieten eine solide Grundlage für die Auswahl der eingeladenen Produktionen, des Programms von Anja Dirks:
"Mir ist schon wichtig, weil wir ja ein internationales Festival sind, dass wir ein Bild von der Welt geben, eine Form von Repräsentation, von Internationalität der Welt. Insofern ist es mir schon sehr wichtig, dass wir den Blick auch in Regionen richten, die in Deutschland nicht so viel oder nur sehr einseitig wahrgenommen werden. Da betreib' ich die Suche auch durchaus aktiv. Da ist es mir wichtig, die Geschichten auch anders zu erzählen, nicht wie in den Medien, wo immer, wenn irgendwo Krise ist oder geschossen wird, die Kameras draufhalten und dann zieht die Karawane weiter. Und eigentlich die anderen Geschichten zu erzählen die mehrdimensionalen, die komplexeren Geschichten: Das ist mir sehr wichtig. Dafür möchte ich eigentlich dieses Festival auch nutzen."
Typisch für die Theaterformen sind, wie der Name des Festivals schon andeutet, genreübergreifende Formate. Alain Platel und seine neue Produktion "Nine Finger" ist ein gutes Beispiel.
Platel und sein zweiköpfiges Ensemble nutzen Mittel der Musik, des Tanzes, vor allem aber auch des Wortes. Sie greifen auf einen Roman Uzodinma Iwealas zurück. Der amerikanische Autor hat in "Beasts of No Nation" - "Ungeheuer keiner Nation" - die Geschichte eines Kindersoldaten geschrieben. Aus seiner Perspektive, aus der Perspektive des Kindes. Bilder aus der Hölle, "Nine Finger" klagt an.
Ein Teil des Publikums ging nach "Nine Finger", die etwa 70 Minuten dauerten, vom Schauspielhaus in der Prinzenstraße in die Altstadt. Im Ballhof stand Dieudonné Niangouna auf dem Programm mit seinem Stück "La Fin de la Légende" (Das Ende der Legende).
Am Anfang räumten die acht Darsteller, sechs Herren, zwei Damen, die Spielfläche im Ballhof 2, einer Studiobühne, leer, dann ging eine Schauspielerin ans Mikrofon und bedankte sich erst einmal.
Sie bedankte sich bei Hannover und Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, bei allen aus dem Ensemble einzeln, beim Computer – offenbar machte sie sich lustig über jene protokollgerechten Dankesreden, die zu jedem künstlerischen Austausch gehören. Auf diese Dekonstruktion folgten weitere, absurde Szenen, die unverbunden hintereinander gereiht waren.
"La Fin de la Légende" – wahrlich: das Ende der Geschichte – es gibt keine mehr, schon gar keine, die Hoffnung macht, keine Legende vom Fortschritt. Das Ensemble überzeugte durch Vielfalt des Ausdrucks und Vitalität, die freilich mitunter etwas mehr hätte gezügelt werden dürfen – auch einige Szenen wirkten zu lang. Weniger wäre mehr gewesen.
Die Stimmung auf den Theaterformen ist gut:
"Ich hab alles gesehen bisher. Ich find es toll. Weil es wirklich Theaterformen sein wollten. Also man sieht wirklich die unterschiedlichsten Theaterformate; und weil es die unterschiedlichsten politischen Stimmen hierher bringt. Das sieht man in Deutschland in der Ballung nicht oft. Und in Hannover sowieso nicht. Insofern freu ich mich. Ich bin ein großer Fan dieses Festivals."
"Sehr anregend. Ich hab immer Probleme, weil ich nicht so gut Fremdsprachen kann, aber das ist trotzdem o.k."
"Toll. Wirklich toll. Also ich bin eigentlich jedes Mal dabei. Ja! Wunderbar."
Das Festival dauert noch bis zum 30. Juni. Intendantin Anja Dirks, die das Programm am besten kennt, gibt allen, die sich noch etwas bei den Theaterformen anschauen wollen, einen Tipp:
""Wenn ich wirklich nur einen auswählen darf, dann würd ich gern auf 'Olmamis mi?' zurückkommen, 'War wohl nichts!', haben wir das auf Deutsch übersetzt. Das ist eine Arbeit einer jungen Truppe aus der Türkei, die in diesem Stück - wir haben es ein Pop-Medley über die Kinder der 90er genannt - ihre eigene Generation fragt: Was hat uns geprägt? War es der Kommerz der 90er-Jahre? Waren es vielleicht auch diese untergründigen Konflikte wie der Kurdenkonflikt, der immer sehr präsent war in dieser Zeit, und die sich eigentlich auch damit immer gefragt haben: Warum ist unsere Generation so unpolitisch? Und die jetzt ihr politisches Erweckungserlebnis haben. Da hat man diesen seltenen Fall, dass ein Stück passt auf die aktuelle Lage. Das würd’ ich hervorheben wollen."
Informationen des Festivals Theaterformen
Die künstlerische Leiterin der Theaterformen ist seit 2008 Anja Dirks. Sie ist Jahrgang 1970 und hat eine breite Ausbildung. Ihre Erfahrungen bieten eine solide Grundlage für die Auswahl der eingeladenen Produktionen, des Programms von Anja Dirks:
"Mir ist schon wichtig, weil wir ja ein internationales Festival sind, dass wir ein Bild von der Welt geben, eine Form von Repräsentation, von Internationalität der Welt. Insofern ist es mir schon sehr wichtig, dass wir den Blick auch in Regionen richten, die in Deutschland nicht so viel oder nur sehr einseitig wahrgenommen werden. Da betreib' ich die Suche auch durchaus aktiv. Da ist es mir wichtig, die Geschichten auch anders zu erzählen, nicht wie in den Medien, wo immer, wenn irgendwo Krise ist oder geschossen wird, die Kameras draufhalten und dann zieht die Karawane weiter. Und eigentlich die anderen Geschichten zu erzählen die mehrdimensionalen, die komplexeren Geschichten: Das ist mir sehr wichtig. Dafür möchte ich eigentlich dieses Festival auch nutzen."
Typisch für die Theaterformen sind, wie der Name des Festivals schon andeutet, genreübergreifende Formate. Alain Platel und seine neue Produktion "Nine Finger" ist ein gutes Beispiel.
Platel und sein zweiköpfiges Ensemble nutzen Mittel der Musik, des Tanzes, vor allem aber auch des Wortes. Sie greifen auf einen Roman Uzodinma Iwealas zurück. Der amerikanische Autor hat in "Beasts of No Nation" - "Ungeheuer keiner Nation" - die Geschichte eines Kindersoldaten geschrieben. Aus seiner Perspektive, aus der Perspektive des Kindes. Bilder aus der Hölle, "Nine Finger" klagt an.
Ein Teil des Publikums ging nach "Nine Finger", die etwa 70 Minuten dauerten, vom Schauspielhaus in der Prinzenstraße in die Altstadt. Im Ballhof stand Dieudonné Niangouna auf dem Programm mit seinem Stück "La Fin de la Légende" (Das Ende der Legende).
Am Anfang räumten die acht Darsteller, sechs Herren, zwei Damen, die Spielfläche im Ballhof 2, einer Studiobühne, leer, dann ging eine Schauspielerin ans Mikrofon und bedankte sich erst einmal.
Sie bedankte sich bei Hannover und Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, bei allen aus dem Ensemble einzeln, beim Computer – offenbar machte sie sich lustig über jene protokollgerechten Dankesreden, die zu jedem künstlerischen Austausch gehören. Auf diese Dekonstruktion folgten weitere, absurde Szenen, die unverbunden hintereinander gereiht waren.
"La Fin de la Légende" – wahrlich: das Ende der Geschichte – es gibt keine mehr, schon gar keine, die Hoffnung macht, keine Legende vom Fortschritt. Das Ensemble überzeugte durch Vielfalt des Ausdrucks und Vitalität, die freilich mitunter etwas mehr hätte gezügelt werden dürfen – auch einige Szenen wirkten zu lang. Weniger wäre mehr gewesen.
Die Stimmung auf den Theaterformen ist gut:
"Ich hab alles gesehen bisher. Ich find es toll. Weil es wirklich Theaterformen sein wollten. Also man sieht wirklich die unterschiedlichsten Theaterformate; und weil es die unterschiedlichsten politischen Stimmen hierher bringt. Das sieht man in Deutschland in der Ballung nicht oft. Und in Hannover sowieso nicht. Insofern freu ich mich. Ich bin ein großer Fan dieses Festivals."
"Sehr anregend. Ich hab immer Probleme, weil ich nicht so gut Fremdsprachen kann, aber das ist trotzdem o.k."
"Toll. Wirklich toll. Also ich bin eigentlich jedes Mal dabei. Ja! Wunderbar."
Das Festival dauert noch bis zum 30. Juni. Intendantin Anja Dirks, die das Programm am besten kennt, gibt allen, die sich noch etwas bei den Theaterformen anschauen wollen, einen Tipp:
""Wenn ich wirklich nur einen auswählen darf, dann würd ich gern auf 'Olmamis mi?' zurückkommen, 'War wohl nichts!', haben wir das auf Deutsch übersetzt. Das ist eine Arbeit einer jungen Truppe aus der Türkei, die in diesem Stück - wir haben es ein Pop-Medley über die Kinder der 90er genannt - ihre eigene Generation fragt: Was hat uns geprägt? War es der Kommerz der 90er-Jahre? Waren es vielleicht auch diese untergründigen Konflikte wie der Kurdenkonflikt, der immer sehr präsent war in dieser Zeit, und die sich eigentlich auch damit immer gefragt haben: Warum ist unsere Generation so unpolitisch? Und die jetzt ihr politisches Erweckungserlebnis haben. Da hat man diesen seltenen Fall, dass ein Stück passt auf die aktuelle Lage. Das würd’ ich hervorheben wollen."
Informationen des Festivals Theaterformen

Anja Dirks© dpa / picture alliance / Holger Hollemann