Daniel Brühl spielt Puig Antich

Von Julia Macher · 04.07.2005
Spanien tut sich mit seiner Vergangenheit nicht leicht - die Franco-Diktatur ist da ein Beispiel. In Barcelona beginnen nächste Woche die Dreharbeiten zu einem Film über den katalanischen Anarchisten Salvador Puig Antich, der als einer der letzten Spanier zum Tode verurteilt wurde. Diesen Anarchisten spielt Daniel Brühl. Warum ausgerechnet er?
Salvador Puig Antich, 3. März 1974. Mehr steht nicht auf der kleinen Plakette auf dem Friedhof Montjuic in Barcelona und doch bedeutet der Name so viel in Katalonien. Als der junge Anarchist wegen eines angeblichen Polizistenmordes, für den Beweise fehlten, hingerichtet wurde, löste das weltweit Proteste aus. Puig Antich ist kein katalanischer Nationalheld, kein Vorzeigewiderstandskämpfer, wohl aber ein Symbol für das letzte Aufbäumen der Franco-Diktatur. Und diesen jungen Mann lässt Regisseur Manuel Huerga ausgerechnet von Daniel Brühl spielen: Weil er eben keine spanische Geschichte erzählen wolle, sondern ein zeitloses universal verständliches Drama.

Manuel Huerga: "Zuallererst ist Daniel Brühl einfach ein großartiger Schauspieler. Außerdem ist Daniel inzwischen international bekannt. Das ist ein großer Vorteil für ein so ehrgeiziges Projekt wie unseres. Daniel ist jung, äußerst talentiert und - ist außerdem in Barcelona geboren. Er ist also kein "fremder Ausländer": Seine Mutter ist Katalanin und er spricht perfekt spanisch und katalanisch. Und das alles spricht für unsere Wahl."

Ein wenig mag auch "Die fetten Jahre sind vorbei" Huergas Wahl beeinflusst haben. Seit Hans Weingartners von der spanischen Kritik hochgelobtem Film gilt Brühl nicht nur als Idealbesetzung für "junge Rebellen", sondern als Schauspielhoffnung schlechthin. El País hat ihn vor einigen Wochen gleich ganz nationalstaatlich vereinnahmt und sagte dem in "Deutschland aufgewachsenen Barcelonesen" eine ähnlich glorreiche Zukunft wie die von Javier Bardem voraus. Bei so viel Lorbeeren muss Daniel Brühl erst einmal schlucken.

Daniel Brühl:" Das ehrt mich natürlich. Das ist ja wie Honig in einem Atemzug mit so einem großartigen Schauspieler genannt zu werden. Aber über so was mache ich mir nicht wirklich Gedanken. Ich genieße es im Moment total, dass Privileg zu haben und in verschiedenen Ländern arbeiten zu dürfen und mir auch aussuchen zu können, was ich spielen will. Und das ist seit jeher ein Traum von mir gewesen, und dass der jetzt schon wahrgeworden ist, ist großartig."

Um nationale Etiketten schert sich der Schauspieler ansonsten herzlich wenig. Für ihn ist Barcelona die Stadt, in der er - als Ergebnis einer Urlaubsliebe - geboren wurde. Eine Stadt, die er jetzt neu entdecken kann.

Daniel Brühl:" Ich bin 78 hier geboren, bin jedes Jahr hingekommen als Kind und kenne Barcelona als sehr lebendige, sehr weltoffene, sehr angesagte Stadt. Und meine Mutter meinte, dass es wahnsinnig grau, wahnsinnig trist war, das eine merkwürdige Atmosphäre geherrscht hat, eine ständige Bedrohung. Wenn ich Fotos, Bilder oder Dokus sehe von damals, erkenne ich die Stadt auch nicht wieder."

Insofern sind die dreizehn Wochen Dreh in Katalonien auch eine Art historischer Nachhilfeunterricht. Und eine große Herausforderung für ihn: Gerade weil es sich um die Verfilmung eines wahren Lebens handelt, das mit seinem wenig gemein hat:

Daniel Brühl: "Ich habe damals mit 16 in einer Band gesungen und ganz sozialkritische Texte geschrieben und gesungen, bin auf Demos gegangen und so weiter. Aber den Mut, wirklich etwas zu verändern und wirklich etwas aufs Spiel zu setzen - das kann ich nicht von mir behaupten. Und das ist auch das was mich fasziniert an dieser Zeit damals, dass es natürlich auch einfacher war, weil es klare Feindbilder gab. Es gab einen ganz klaren Feind, eine Diktatur gegen die man angekämpft hat."

Diffuse revolutionäre Sehnsucht gepaart mit bodenständiger Bescheidenheit: Das ist das Rezept, mit dem Daniel Brühl den spanischen Zeitgeist trifft.