"Da leuchten mir die Augen"

Renate Künast im Gespräch mit Christopher Ricke |
Sollte Barack Obama in das Weiße Haus einziehen, gehen die Grünen davon aus, dass in den USA ein Umdenken in Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes einsetzen wird. Obamas Ankündigung, auf erneuerbare Energien setzen zu wollen, werde auch international einen Schub auslösen, sagte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast.
Christopher Ricke: Der Wahlparteitag der US-Demokraten ist zu Ende. Höhe- und Schlusspunkt war die Rede des Präsidentschaftskandidaten Barack Obama. Die wichtigste Rede in seinem Leben, haben viele vorher gesagt, und zugehört und zugesehen haben die Medien der Welt und mehr als 75.000 Menschen im Football-Stadion von Denver.
Ich spreche jetzt mit der Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bundestag, Renate Künast, die auch in Denver ist, die auch die Obama-Rede beobachtet hat. In Denver ist gleich Mitternacht. Guten Abend, Frau Künast.

Renate Künast: Guten Abend!

Ricke: Hat er’s denn gut gemacht, der Barack Obama?

Künast: Es war schon beeindruckend, gerade wenn man einige Tage Parteitag hinter sich hat. Das war schon systematisch aufgebaut und heute hat man den Barack Obama erlebt, der sogar ein bisschen etwas Präsidiales schon angenommen hat – und Sie haben es ja gerade selber gespielt. "Ich bin bereit, diesen Kampf aufzunehmen, die Debatte aufzunehmen." Er war sehr selbstbewusst und in sich geruht. Es war alles in allem beeindruckend.

Natürlich war es auch typisch US-amerikanisch. Das würden wir auf Parteitagen bei uns so nicht zur Vorführung bringen. Und beeindruckend war auch, dass er wirklich so richtig sehr stark aufgenommen hat – etwas was offensichtlich viele Amerikaner fühlen, hört man hier immer -, diese acht Jahre George Bush haben in den USA innen nichts gebracht und nach außen einen miserablen Ruf und das will man ändern. Nach innen und nach außen gemeinsam anpacken. Da nimmt er sich sogar zurück und sagt, es ginge gar nicht um ihn, sondern wir alle gemeinsam werden diesen Weg gehen.

Ricke: Barack Obama hat in dieser Rede, so weit ich das beobachten konnte, alle wichtigen politischen Themen angesprochen, immer abgebunden mit einer sehr emotionalen Aussage nach dem Motto "das können wir schaffen, wenn wir zusammenstehen". Ist das Ihrer Meinung nach eine Reaktion auf den Vorwurf gewesen, dass man jetzt in dieser neuen Rolle etwas mehr Inhalt bräuchte, da er auch nominierter Kandidat ist?

Künast: Ich glaube, es ist nur zu einem Teil Reaktion auf den Vorwurf. Ich glaube, umgekehrt ist Barack Obama selber ganz sortiert. Dazu braucht er nicht mal McCain. Er muss sich erst mal selber den anderen vorstellen und zeigen, wer er ist. Meine These ist, als Präsident wäre er der erste wirkliche amerikanische Präsident, weil er ja das, was die USA betrifft – die Menschen haben Vorfahren in aller Herren und Frauen Länder und er hat halt eine weiße Mutter und einen schwarzen Vater -, eindeutig verkörpert. Er wäre der erste wirklich amerikanische Präsident. Er muss sich erst mal richtig vorstellen, wissen Sie, vorstellen, damit alle anderen ihn und seine Familie besser kennen, seine Aktivitäten, und jetzt baut sich das systematisch auf. Er hat sich den außenpolitikstarken, weisen Biden dazu als Vize geholt und er fängt logischerweise nach der Emotionalisierung an, immer inhaltlicher zu werden. Und ich sage Ihnen: wenn ich darauf gucke was er sagt, man wolle in zehn Jahren unabhängig sein von Ölimporten aus dem Nahen Osten, aus Saudi-Arabien, dann ist das ein sehr ehrgeiziges Programm.

Hier wird so oft über "Green Technology" und grünes Amerika gesprochen. Da leuchten mir natürlich die Augen und da glaube ich, mit dem als Präsidenten kann man sozusagen die weiteren Kyoto-Verhandlungen richtig gut führen – zum Nutzen der ganzen Welt.

Ricke: Frau Künast, da müssen wir die leuchtenden Augen aber auf Energiesparlampen umstellen. Er hat ja nicht nur gesagt "erneuerbare Energien"; er hat auch gesagt "Ausbau der Atomkraft". Das darf Ihnen doch nicht gefallen?

Künast: Das gefällt mir auch nicht! Er ist einer von denen, die sage ich mal alle Bereiche angeben und eine Vielzahl davon benennen. Ich glaube, eine Vielzahl von Begriffen, die da fallen, will er in der Breite. Teilweise ist es auch Wahlkampfgeklingel. Die USA haben in 30 Jahren kein einziges neues Atomkraftwerk gebaut. Das würde ich erst mal sehen wollen.
Ich weiß auch, dass die angegebenen etwas mehr als 150 Milliarden US-Dollar quasi ein bisschen über 100 Milliarden Euro sind. Auf die EU umgerechnet wäre das gar nicht mal viel. Da kann man manches mit Vorsicht genießen.

Aber ich sage Ihnen trotzdem: dieser Mann ist entschlossen, die USA aus der negativen Rolle rauszubringen. Er sagt außenpolitisch entschlossen, er will mit den Freunden und denen, die die gleichen demokratischen Werte haben, zusammen kooperieren und sie vorher konsultieren. Das ist nach George Bush ja schon mal eine Botschaft aus einer ganz anderen Milchstraße quasi und das gibt in Verbindung damit, dass er jetzt auch sagt, er will auf erneuerbare Energien gehen, international einen Schub. Ich hoffe, dass Europa sich da noch mehr anstrengt.

Ricke: Wir haben einen großen Parteitag erlebt, der sehr gut inszeniert war, bei dem das Timing gestimmt hat, bei dem die emotionale Komponente eine wichtige Rolle gespielt hat. Was macht denn unabhängig davon aus Ihrer Sicht Obama magnetisch? Ist es das, wie er lacht, wie er seinen Kopf schief hält, wie er "Change" sagt, oder sind es wirklich die Inhalte, die er versucht, rüberzubringen?

Künast: Ich glaube, dass es als allererstes der Punkt ist, dass er die Menschen einbezieht. Er sagt ganz ehrlich, er will viel transparenter Politik machen, den Menschen erklären was er macht, was er denkt, ihnen zuhören, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Dieses Gefühl, sich das ganze wieder anzueignen. Sie müssen verstehen: die Amerikaner haben bei Jobs keine gute Zeit. Detroit ist nicht die Autostadt, sondern da steht es mittlerweile eher leer, weil diese alten Autos nicht gekauft und auch kaum noch produziert werden. Alles geht runter. Es ist ein Land – das nehmen wir gar nicht so wahr -, wo die Menschen, das hat man im Stadion heute gemerkt, leiden hinsichtlich des Schicksals der Veteranen, die aus Kriegseinsätzen im Irak zum Beispiel zurückkommen. Da stehen alle auf, wenn dort gesagt wird, Leute, die ihrem Land im Ausland gedient haben und ihr Leben riskiert haben, haben auch das Recht, dass man ihnen hier eine College-Ausbildung finanziert und dass man sie nicht über Monate absolut hängen lässt ohne Krankenversicherung. – Kann man sich das vorstellen? – Man kann sich kaum vorstellen, dass es bisher so ist.

Und er ist derjenige, der immer wieder an Werte denkt. Er redet über die Würde der Arbeit, dass es für jeden Bedeutung hat, sich damit auch einbringen zu können, und die Chancen für jedes Kind, also so eine Art Aufbruch. Er spricht immer wieder diesen amerikanischen Geist an, dass man wirklich gemeinsam alles anpackt und jeder die Chance haben muss, sich zu entwickeln, statt eine immer weiter gespaltene Gesellschaft zu haben. Da erinnert uns die Debatte an Deutschland.

Ricke: Vielen Dank Renate Künast in Denver.

Das gesamte Gespräch mit Renate Künast können Sie bis zum 29. Januar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio