Da geht's lang. Aber manchmal auch nicht
Das Leben ist ein Irrweg, von dem nur der Mensch glaubt, es sei eine Gerade. So begibt er sich schnell und geradewegs auf den Irrweg, sucht er in Berlin eine bestimmte Hausnummer. Zu einem Leidensweg kann für Ortsunkundige die Irrfahrt in der Kölner Innenstadt werden. Und nur beschränkt auskunftsfreudige Personen sind die Mitarbeiter der Zentralen Briefermittlungsstelle in Marburg, die auf Empfängersuche für Liebes- und sonstige Grüße-Irrläufer sind. Ja, ja, es gibt einiges zu erzählen.
Fingerzeige für Politiker. Berlin
Von Peter Zudeick
Wir kennen das Bild: Einer zeigt den Politikern immer, wo es lang geht. Zum Mikrofon zum Beispiel. Die Kanzlerin schreitet die Treppe im Kanzleramt herab, wendet sich nach ... sie weiß es vielleicht noch nicht, ein Herr weist ihr dezent, aber für uns unübersehbar den Weg, als dort entlang. Sie folgt der Armbewegung und steht Sekunden später vor dem Mikrofon. Um eine Erklärung abzugeben. Nicht sie, sondern Peter Zudeick erklärt uns nun, wie das so mit politischen Irrwegen, also richtungsmäßig gemeint, so ist. Oder sein kann.
Irgendwie wissen Politiker nie so recht, wohin sie gehören. Wo sie stehen müssen. Wohin sie gehen müssen. In ihrer eigenen Welt finden sie sich gerade noch so zurecht. Das heißt: Sie werden zurechtgewiesen, ihnen wird der Weg gewiesen. Das machen die professionellen Wegweiser.
Die neuen Abgeordneten des neuen Bundestages bekommen in diesen Tagen ein kleines Büchlein in die Hand gedrückt, eine Art Fibel, in der alles drinsteht, was man wissen muss. Wo die Fraktionsebenen sind, wo die Toiletten, wo das Restaurant, wo die Gottesdienste stattfinden und wann für welche Konfession, wann es wie klingelt im Bundestag und was das zu bedeuten hat - ein Parlaments-Wegweiser eben, ohne den sich niemand zurechtfinden würde.
Im Kanzleramt und in den Ministerien gibt es so was nicht, da gibt es lebendige Wegweiser. Persönliche Referenten, Büroleiter, die Pressesprecher, Image-Berater. Wo muss ich stehen? Das ist die Standard-Frage von Politikern. Und ihre Adlaten und Adlatinnen nuscheln ihnen dann irgendwas ans Ohr.
Bei Fototerminen sind Kreuze auf den Boden geklebt, bei Fernsehauftritten haben die Helferlein im Hintergrund wochenlang darüber verhandelt, von welcher Seite die Kamera kommen darf, von welcher das Licht, nicht von unten fotografieren, nicht von hinten ranfahren - das ist alles geregelt. Obwohl selbst in diesem Hochsicherheitsbereich immer mal wieder was schief geht. Der britische Premier Gordon Brown wollte sich bei einem Staatsbesuch in Berlin partout nicht an das Pult stellen, das für ihn vorgesehen war. Mühsam musste er dahin dirigiert werden. Und auch Nikolas Sarkozy lieferte sich mit Angela Merkel mal ein schönes kleines Rennen um Rednerpulte, bis alle dort standen, wo es die Imageberater beider Seiten für richtig gehalten und entsprechend ausgehandelt hatten.
Unübertroffen dieses wunderbare Bild vom Dezember 2005. Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong auf Staatsbesuch in Berlin. Beim Abschreiten der Ehrenformation der Bundeswehr bleibt er nicht, wie das Protokoll es will, auf dem roten Teppich stehen, um vor der deutschen Fahne einen Diener zu machen, sondern geht einfach weiter. Frau Angela schaut ihm verdutzt hinterher, ruft ihm was nach, er geht weiter, bis ein Protokollbeamter ihn einfängt.
Gleich hinter Lee Hsien Loong rangiert Edmund Stoiber, der es einmal fertigbrachte, einen Konferenzraum durch eine geschlossene Tür verlassen zu wollen. Allseits bekannt auch das Bild des Bundestagsabgeordneten, der im auch innen verglasten Reichstag zu Berlin einen Gang lang läuft und gegen eine Glasscheibe donnert. Oder der Minister, der einen der Fahrstühle des Bundestages auf der falschen Seite verlassen will. Klong, macht es, weh tut es, denn Sicherheitsglas ist hart wie Stahl.
Will sagen: Die politischen Irrwege fangen da an, wo Politiker sich nicht auskennen und dummerweise gerade kein Helferlein in der Nähe ist. Das wird umso schlimmer, je weiter Politiker von ihrem engeren Wirkungsbereich entfernt sind. Spitzenpolitiker werden ja in aller Regel gefahren. Die Staatskarossen fahren vor, die Jungs und Mädels steigen aus, gehen durch eine Tür, fertig. Immer umgeben von wichtigen Begleitern. Wenn sie aber mal eine mittlere oder längere Strecke zu Fuß gehen müssen, wird's putzig.
Die Merkels und Münteferings und Westerwelles müssen ja immer voranstürmen, das macht einen guten Eindruck. Aber irgendwann kommt dann an irgendeiner Ecke mit tödlicher Sicherheit die verdruckst gemurmelte Frage an die Entourage: Wo geht's weiter? Da vorne jetzt links? Und husch, schließt ein gnädiges Helferlein nach vorne auf und übernimmt die Wegweisung.
Was schlicht daran liegt, dass die heutigen Politiker nicht mehr aus sich selbst heraus wissen, wo's lang geht. Helmut Schmidt musste niemanden fragen, der wusste immer über alles Bescheid. Sein Nachfolger Helmut Kohl wusste noch viel bescheider. Er war eigentlich von Beruf Platzanweiser. Seine liebste Tätigkeit, als er noch in Amt und Würden war: Die Großen dieser Welt am Schulterblatt fassen und rumschubsen. Da ist dein Platz fürs obligate "Familienfoto" bei Gipfeltreffen, da ist dein Sitz im Flugzeug, da dein Stuhl bei großen Konferenzen, da steht dein Mikrofon, hier ist meins, da warten die Fotografen, dahin muss du lächeln - bei solchen Anlässen war er immer in seinem Element. Und das war nicht nur in Bonn so, wo er tatsächlich Gastgeber war. Wenn er gut drauf war, dann hat er auch in Washington und Paris und Moskau und London den Hausherrn und Platzanweiser gemimt, hat Staatschefs und Chefinnen hin- und hergeschoben. Weil eben nur er wusste, wo's langgeht.
Das ist vorbei, den großen Platzanweiser gibt's nicht mehr, nur noch kleine Helferlein und Protokollbeamte. Da muss sich niemand wundern, dass auch im Geistigen und Inhaltlichen die politischen Irrwege bedrohlich zunehmen.
Kleine Leidensgeschichte. Köln
Von Herbert Hoven
Wer in Köln aus dem Hauptbahnhof steigt, dem fällt der Dom auf den Kopf. Will er das verhindern und nähert sich mit dem Auto der Innenstadt, dann fasst er sich an den Kopf. Mehrfach, jedenfalls so er ortsunkundig und auf den Stadtplan angewiesen ist. Als unerfahrener Kölner kommt er nämlich viel herum, aber schwerlich dorthin, wo er eigentlich gleich aussteigen wollte. Das kann nämlich eine ganze Weile dauern. Auch wenn er um Hilfe bittet. Ja, da in Köln braucht man viel Humor.
"Hääh?!"
Einmal angenommen: Etwas orientierungslos stehen Sie an der Ecke Friesenplatz/Hohenzollernring und erkundigen sich nach der Straße Burgmauer. Ihr Ziel ist möglicherweise das Metropolitankapitel, jener geheime Aufsichtsrat des Doms, der das absolute Sagen in klerikalen wie in weltlichen Angelegenheiten hat.
"Kein Problem", beruhigt Sie die freundliche Politesse, in ca. drei Minuten seien Sie am Ziel. Sie fahren also die Magnusstraße in Richtung Dom.
Nach ungefähr 1.000 Metern gehe die Magnusstraße in die Burgmauer über. Etwas angestrengt behalten sie ihren Tacho im Auge, um rechtzeitig nach einem Parkplatz Ausschau zu halten. Ihre Suche hat offensichtlich ein wenig zu lang gedauert, denn im Nu befinden sie sich auf der Komödienstraße. Und wenn sie jetzt nicht aufpassen, geraten sie nach 300 Metern auf die Zufahrt zum Rheinufertunnel - und hier haben sie nur noch die Möglichkeit in Richtung Bonn oder Düsseldorf abzubiegen.
"Ach nö!"
Irgendwie kriegen sie dann aber doch noch die Kurve, steigen in der Komödienstraße aus und gehen zurück in Richtung Burgmauer. Die Hausnummer "1 A" suchen dort allerdings vergeblich.
Nach einigem hin und her dann die zuversichtliche Auskunft eines Ortskundigen. Die Burgmauer mit den Hausnummern "1" bis "3" und "2" bis "28" liege oberhalb und parallel zur Komödienstraße, eben dort, wo Sie geparkt haben, verdeckt allerdings durch eine Häuserzeile und erreichbar über eine Treppe. Natürlich, mit dem Auto gehe es auch.
Eine Kehrtwendung und wieder zurück in die Richtung, aus der Sie gekommen sind. Dann links in die Nord-Süd-Fahrt einbiegen, die an dieser Stelle als Tunisstraße ausgeschildert ist, was aber kaum jemand weiß. Nach ca. 200 Metern wieder links in die Breite Straße einbiegen, die nach 30 Metern zur Minoritenstraße wird. Nach weiteren 20 Metern unbedingt links in die Drususgasse einbiegen. Nach 120 Metern kreuzt die Straße An der Rechtsschule.
Und jetzt, ja, das müssten Sie riskieren, ein paar Meter links gegen die Einbahnstraße fahren, um dann rechts in die Mariengartengasse einzubiegen, die in einer Rechtskurve nach etwa 200 Metern zur Burgmauer wird. Überflüssig zu sagen, dass die Straßen ab Komödienstraße alles Einbahnstraßen sind. Der Kolpingplatz, den Sie auf diesen paar 100 Metern auch passiert haben, ist ihnen zum Glück nicht aufgefallen.
"Ich fasse es nicht!"
In der Tiefe des Raumes erkennen Sie das Westportal des Kölner Doms und der Blick entschädigt.
Drehen Sie sich jetzt um 180 Grad und gehen ein paar Schritte zurück, dann stehen Sie an einer Mauerbrüstung und unter Ihnen liegt ein anderer Teil Burgmauer. Oder ist es die Komödienstraße oder gar die Zeughausstraße?
Dieses Chaos hat seine Ursache weder in den römischen noch in den mittelalterlichen Strukturen der Stadt, sondern in der Stadtplanung der 1950er Jahre, in der eine sechsspurige Schnellstraße den mittelalterlichen Stadtkern durchschnitten hat. Die sogenannte Nord-Süd-Fahrt begrub ganze Häuserzeilen unter sich oder durchtrennte den oberen Teil einer Straße vom unteren Teil.
Na toll! Die Ratspolitiker versuchten Köln auf Weltstadt zu trimmen und ... landeten beim Durcheinander.
Dieses Durcheinander von den römischen Anfängen über das mittelalterliche Köln bis zur vermeintlichen Weltläufigkeit der Stadt macht auch die Suche nach innerstädtischen Parkhäusern nicht einfach.
"Clever parken mit System" heißt ein vor kurzem erschienener Faltplan des "Amtes für Straßen und Verkehrstechnik". Darin wird der Rat suchende Autofahrer informiert, dass es in Köln blaue "aktive" und orangefarbene "passive" Hinweisschilder zu den einzelnen Parkhäusern gibt. Soweit, so nicht gut. Denn es gibt auch noch grüne und gelbe Hinweisschilder. Und wenn es hart auf hart kommt, findet man alle vier Markierungen auf ein und derselben Tafel.
Diverse Suchanzeigen. Marburg
Von Claus Stephan Rehfeld
"Was bin ich?" - die Sendung von und mit Robert Lembke ist uns in guter Erinnerung. Die Frage wurde ein Mal im Monat gestellt und mal beantwortet, mal nicht. "Wer bin ich?" - die Frage nun stellt sich täglich in Marburg. Von Briefen ohne Adressen, von der Empfängersuche sowie von einigen Begebenheiten verschiedener Art erzählt der folgende Beitrag. Er erreichte uns aus der Zentralen Briefermittlungsstelle der Post.
"Ruhe, Männer! (Telefon klingelt) Mit Namen müssen wir verschwiegen sein."
Stille Post da in Marburg.
Schweiger: "Das wars." (Geräusch)
Der Herr Schweiger hat dem Brief- und Postgeheimnis ewige Treue geschworen. Die Scheidungsrate ist hier vermutlich größer als die der Dienstvergehen. Also greift sich der Schweiger vom rechten Briefstapel die nächste Briefsendung. Ein Video.
""So, mal schauen, was drauf ist."
Was also gibt es zu berichten? Außer so Geschichten von Brillanten, Goldmünzen, Handschellen und dergleichen, die hier anlanden. Also was man heutzutage halt so braucht. Führerscheine, Geldkarten, Darstellungsmappen und Briefe von da nach dort. In Postsendungen, die der Vermerk schmückt "Empfänger unbekannt". Und dann noch die diversen Brief-Vermisst-Anzeigen.
Gruß: "Der Kunde sagt immer: 'Ach, das ist ja interessant. Was machen Sie?!' Dann sage ich: Ja, ja, die Briefe werden bei uns geöffnet. Dann wird nachgeschaut, ob es einen Empfangsberechtigten gibt. 'Was, das gibt's ja net. Das habe ich ja noch nie gehört. Das ist ja interessant!'"
Alles Routine, sagt der Herr Gruß. Alles Routine ertönt es unisono von der Abteilung Stille Post. Man sei halt Beamter im Briefermittlungsdienst der Deutschen Post AG, arbeite in der Abteilung Kunden, Service, Qualität. Punktum, irgendwelche Schmunzetten - Fehlanzeige.
In den Briefen stehe viel drin, aber drauf eben zu wenig. Und Marburg soll helfen - mit Telefon- und Adressbüchern, mit Nachfragen und Erfahrungen. Also: Nichts da von wegen ... ., jedenfalls nicht wie damals in der Fernsehserie "Briefgeheimnis".
Gruß: " "Und da haben sie so einen Heroinring aufgedeckt. Nein, ein Bauskandal war das. Von der Dienststelle, können Sie mal sehen, sind die zu zweit nach Frankfurt gefahren und haben da irgendwas ermittelt. Hier oben, kann man sich nur an den Kopf fassen. Und das wird dann so verkauft."
Herr Gruß tippt sich noch an den Kopf und macht Mittagspause von Lebensläufen, Versprechungen und Aufkündigungen, besprochenen Tonbändern und gefilmten Hochzeiten. Über allen steht der Dienstweg. Auch über einer wirren Botschaft an einen Herrn Adolf H. in Berlin, die uns mitteilt: Töte Sie, wenn es regnet.
Peter: "Der kriegt sogar ein eigenes Aktenzeichen. 21541 kriegt der. Als wenn der ganz normal wär."
Herr Peter grinst und das Dokument des Schwachsinns geht seinen Dienstweg. Ein Aktenzeichen. Weiter geht's auf dem Dienstweg.
Peter: "Die haben ihren Vermerk rauf gemacht, dass der Empfänger unbekannt ist in Berlin."
Rehfeld: "Könnten doch schreiben, dass der verstorben ist?"
Peter: "Ja, gut, der Briefträger dort wird sich hüten zu schreiben, dass er verstorben ist."
Die Aufklärungsquote beträgt so 60 Prozent in der Briefermittlungsstelle. Tagewerk, Routine, kein Stoff, aus dem Träume sind.
"Nein, nicht. (lacht) Dazu bin ich viel zu lange Postler. (lacht) Ja, so ist das."
Tja, so ist das mit den Träumen, mit der Suche nach Absendern oder Empfängern. Und gelegentlich mit Aufschriften in Spiegelschrift oder mit Morsezeichen. Und Inhalten wie so Sexsachen und so.
Schweiger: "Ja, ja. Wir werden mit allen Möglichkeiten konfrontiert. (lacht) Ja ja, das ist ... bembembem ... das ist die Firma in Flensburg ist, weiß man, aber ... "
Kleine Vermisstenanzeige. Internet
Von Gerd Brendel
Der Herr da am Schreibtisch hat wieder seiner Lieblingsseite im Internet angesteuert. Ein Chatportal teilt ihm gerade mit, dass er bis dato 731 Stunden und 30 Minuten eingeloggt war. Und sollte es stimmen, dass Quantität irgendwann mal in Qualität umschlägt, dann dürfte ihn die Verweildauer demnächst zum unschlagbaren Internet-Experten machen. Davon gibt es viele und er gehört dann zur großen Schar derer, die weltweit an einem Selbstversuch teilnehmen. Wer ihn überleben sollte, darf dann seinen Bericht veröffentlichen unter: www.Wie-ich-im-Internet-verloren-ging.Tschüß.
Das kennt ja jeder, der schon mal im Netz unterwegs war. Man sucht nach Urlaubspensionen auf Mallorca und landet auf Reklameseiten für Osborne-Brandy, man googelt nach einem Liebesgedicht und landet auf einem Pornoportal, man sucht nach einer Berliner Adresse und muss sich durch die Familienfotos einer amerikanischen Großfamilie aus "Börlin"/Kentucky klicken.
Das Problem fängt dann an, wenn die Pornoseiten geheime Wünsche wecken und die Familienfotos zum Schreien komisch sind. Schon werden aus Minuten Stunden. Und Gnade dem User, der keine Flatrate gebucht hat. Das Internet ist wie ein Labyrinth ohne Aussichtsturm: Alle Hecken sind gleich hoch - Suchmaschinen suchen nach Begriffen, nicht nach tieferer Bedeutung.
Auf der Suche nach einer sinnvollen Geschichte zum Thema "Wie ich im Internet verloren ging" zum Beispiel zeigt Google 1.350.000 Einträge an, die von verlorenen Paketen, von verlorener Liebe und von verlorenen Internet-Verbindungen handeln.
Hoffnungsfroher stimmt die Suche nach dem Stichwort "Internet-Labyrinth". Gleich vier Dutzend Seiten mit virtuellen Irrgärten fordern mich auf, den Download-Knopf zu klicken. Leider versagt mein Rechner gleich beim ersten Versuch, die umfangreiche Spiele-Software zu installieren. Als ich den Computer wieder hochfahre, lasse ich die Finger von animierten Internet-Rätselbildern, sondern klicke auf einen Artikel über vom Internet überforderte Studenten.
Leider kann ich mir im Gegensatz zu Studierenden einen Motivationsabfall nicht leisten, mein Abgabetermin rückt unerbittlich näher. Und noch immer habe ich keine Geschichte. Ein Anruf bei einem befreundeten Web-erfahrenen Designer lässt mich hoffen. Versuch's doch mal mit der Seite "Assoziations-Blaster", empfiehlt er.
Ein Versprechen, das sich schlagartig erfüllt, als ich "Internet-Labyrinth" eingebe. Verheißungsvolle "361 Einträge" zeigt die Statistik. User "Internetsüchtig" glänzt mit der Aussage: "Das Internet ist ein Spiegel der Gesellschaft."
Nach drei Stunden unterwegs in den Windungen von "Google", "Assoziationsblaster", "youtube" und "Myspace", 100 Fotos des Labyrinths von Chartre, einer unübersehbaren Menge von Einträgen zum Labyrinth des Minotaurus später lande ich auf der Seite: Labyrinth und innerer Friede.
"Das Labyrinth weist den Weg zum inneren Selbst". lese ich. Die Erkenntnis trifft mich wie die neuste Flash-Animation meines Lieblingscomputerspiels. Bebend vor Erkenntnisdrang tippe ich meinen eigenen Namen in das Feld mit der Lupe bei meiner Suchmaschine. Es erscheinen 94.600 Einträge zu meinem Namen. Unter anderem bin ich laut Google Schornsteinfeger in Böblingen, Kriminalkommissar in Bad Godesberg, spiele in der Altherrenriege des SG Weinsheim (mit Foto), habe 300 Freunde bei MySpace und genieße das Leben gerne bei einem guten Tropfen. Die knapp 100.000 virtuellen Spiegelbilder lassen mich schwindlig werden. Was ist real, was virtuell?
Bevor ein Krampf meinen Tippfinger lahm legt, verspüre ich plötzlich ein unbändiges Verlangen nach realen Rauschmitteln. Ein letzter Klick. Der Getränkeservice meiner Wahl verspricht auf seiner Homepage "Lieferservice frei Haus, ab drei Kästen." Als es an der Wohnungstür klingelt, drücke ich automatisch die "enter"-Taste und wundere mich, dass mir kein freundlicher Barkeeper erscheint und ein Brandyglas aus dem Bildschirm herausreicht.
Von Peter Zudeick
Wir kennen das Bild: Einer zeigt den Politikern immer, wo es lang geht. Zum Mikrofon zum Beispiel. Die Kanzlerin schreitet die Treppe im Kanzleramt herab, wendet sich nach ... sie weiß es vielleicht noch nicht, ein Herr weist ihr dezent, aber für uns unübersehbar den Weg, als dort entlang. Sie folgt der Armbewegung und steht Sekunden später vor dem Mikrofon. Um eine Erklärung abzugeben. Nicht sie, sondern Peter Zudeick erklärt uns nun, wie das so mit politischen Irrwegen, also richtungsmäßig gemeint, so ist. Oder sein kann.
Irgendwie wissen Politiker nie so recht, wohin sie gehören. Wo sie stehen müssen. Wohin sie gehen müssen. In ihrer eigenen Welt finden sie sich gerade noch so zurecht. Das heißt: Sie werden zurechtgewiesen, ihnen wird der Weg gewiesen. Das machen die professionellen Wegweiser.
Die neuen Abgeordneten des neuen Bundestages bekommen in diesen Tagen ein kleines Büchlein in die Hand gedrückt, eine Art Fibel, in der alles drinsteht, was man wissen muss. Wo die Fraktionsebenen sind, wo die Toiletten, wo das Restaurant, wo die Gottesdienste stattfinden und wann für welche Konfession, wann es wie klingelt im Bundestag und was das zu bedeuten hat - ein Parlaments-Wegweiser eben, ohne den sich niemand zurechtfinden würde.
Im Kanzleramt und in den Ministerien gibt es so was nicht, da gibt es lebendige Wegweiser. Persönliche Referenten, Büroleiter, die Pressesprecher, Image-Berater. Wo muss ich stehen? Das ist die Standard-Frage von Politikern. Und ihre Adlaten und Adlatinnen nuscheln ihnen dann irgendwas ans Ohr.
Bei Fototerminen sind Kreuze auf den Boden geklebt, bei Fernsehauftritten haben die Helferlein im Hintergrund wochenlang darüber verhandelt, von welcher Seite die Kamera kommen darf, von welcher das Licht, nicht von unten fotografieren, nicht von hinten ranfahren - das ist alles geregelt. Obwohl selbst in diesem Hochsicherheitsbereich immer mal wieder was schief geht. Der britische Premier Gordon Brown wollte sich bei einem Staatsbesuch in Berlin partout nicht an das Pult stellen, das für ihn vorgesehen war. Mühsam musste er dahin dirigiert werden. Und auch Nikolas Sarkozy lieferte sich mit Angela Merkel mal ein schönes kleines Rennen um Rednerpulte, bis alle dort standen, wo es die Imageberater beider Seiten für richtig gehalten und entsprechend ausgehandelt hatten.
Unübertroffen dieses wunderbare Bild vom Dezember 2005. Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong auf Staatsbesuch in Berlin. Beim Abschreiten der Ehrenformation der Bundeswehr bleibt er nicht, wie das Protokoll es will, auf dem roten Teppich stehen, um vor der deutschen Fahne einen Diener zu machen, sondern geht einfach weiter. Frau Angela schaut ihm verdutzt hinterher, ruft ihm was nach, er geht weiter, bis ein Protokollbeamter ihn einfängt.
Gleich hinter Lee Hsien Loong rangiert Edmund Stoiber, der es einmal fertigbrachte, einen Konferenzraum durch eine geschlossene Tür verlassen zu wollen. Allseits bekannt auch das Bild des Bundestagsabgeordneten, der im auch innen verglasten Reichstag zu Berlin einen Gang lang läuft und gegen eine Glasscheibe donnert. Oder der Minister, der einen der Fahrstühle des Bundestages auf der falschen Seite verlassen will. Klong, macht es, weh tut es, denn Sicherheitsglas ist hart wie Stahl.
Will sagen: Die politischen Irrwege fangen da an, wo Politiker sich nicht auskennen und dummerweise gerade kein Helferlein in der Nähe ist. Das wird umso schlimmer, je weiter Politiker von ihrem engeren Wirkungsbereich entfernt sind. Spitzenpolitiker werden ja in aller Regel gefahren. Die Staatskarossen fahren vor, die Jungs und Mädels steigen aus, gehen durch eine Tür, fertig. Immer umgeben von wichtigen Begleitern. Wenn sie aber mal eine mittlere oder längere Strecke zu Fuß gehen müssen, wird's putzig.
Die Merkels und Münteferings und Westerwelles müssen ja immer voranstürmen, das macht einen guten Eindruck. Aber irgendwann kommt dann an irgendeiner Ecke mit tödlicher Sicherheit die verdruckst gemurmelte Frage an die Entourage: Wo geht's weiter? Da vorne jetzt links? Und husch, schließt ein gnädiges Helferlein nach vorne auf und übernimmt die Wegweisung.
Was schlicht daran liegt, dass die heutigen Politiker nicht mehr aus sich selbst heraus wissen, wo's lang geht. Helmut Schmidt musste niemanden fragen, der wusste immer über alles Bescheid. Sein Nachfolger Helmut Kohl wusste noch viel bescheider. Er war eigentlich von Beruf Platzanweiser. Seine liebste Tätigkeit, als er noch in Amt und Würden war: Die Großen dieser Welt am Schulterblatt fassen und rumschubsen. Da ist dein Platz fürs obligate "Familienfoto" bei Gipfeltreffen, da ist dein Sitz im Flugzeug, da dein Stuhl bei großen Konferenzen, da steht dein Mikrofon, hier ist meins, da warten die Fotografen, dahin muss du lächeln - bei solchen Anlässen war er immer in seinem Element. Und das war nicht nur in Bonn so, wo er tatsächlich Gastgeber war. Wenn er gut drauf war, dann hat er auch in Washington und Paris und Moskau und London den Hausherrn und Platzanweiser gemimt, hat Staatschefs und Chefinnen hin- und hergeschoben. Weil eben nur er wusste, wo's langgeht.
Das ist vorbei, den großen Platzanweiser gibt's nicht mehr, nur noch kleine Helferlein und Protokollbeamte. Da muss sich niemand wundern, dass auch im Geistigen und Inhaltlichen die politischen Irrwege bedrohlich zunehmen.
Kleine Leidensgeschichte. Köln
Von Herbert Hoven
Wer in Köln aus dem Hauptbahnhof steigt, dem fällt der Dom auf den Kopf. Will er das verhindern und nähert sich mit dem Auto der Innenstadt, dann fasst er sich an den Kopf. Mehrfach, jedenfalls so er ortsunkundig und auf den Stadtplan angewiesen ist. Als unerfahrener Kölner kommt er nämlich viel herum, aber schwerlich dorthin, wo er eigentlich gleich aussteigen wollte. Das kann nämlich eine ganze Weile dauern. Auch wenn er um Hilfe bittet. Ja, da in Köln braucht man viel Humor.
"Hääh?!"
Einmal angenommen: Etwas orientierungslos stehen Sie an der Ecke Friesenplatz/Hohenzollernring und erkundigen sich nach der Straße Burgmauer. Ihr Ziel ist möglicherweise das Metropolitankapitel, jener geheime Aufsichtsrat des Doms, der das absolute Sagen in klerikalen wie in weltlichen Angelegenheiten hat.
"Kein Problem", beruhigt Sie die freundliche Politesse, in ca. drei Minuten seien Sie am Ziel. Sie fahren also die Magnusstraße in Richtung Dom.
Nach ungefähr 1.000 Metern gehe die Magnusstraße in die Burgmauer über. Etwas angestrengt behalten sie ihren Tacho im Auge, um rechtzeitig nach einem Parkplatz Ausschau zu halten. Ihre Suche hat offensichtlich ein wenig zu lang gedauert, denn im Nu befinden sie sich auf der Komödienstraße. Und wenn sie jetzt nicht aufpassen, geraten sie nach 300 Metern auf die Zufahrt zum Rheinufertunnel - und hier haben sie nur noch die Möglichkeit in Richtung Bonn oder Düsseldorf abzubiegen.
"Ach nö!"
Irgendwie kriegen sie dann aber doch noch die Kurve, steigen in der Komödienstraße aus und gehen zurück in Richtung Burgmauer. Die Hausnummer "1 A" suchen dort allerdings vergeblich.
Nach einigem hin und her dann die zuversichtliche Auskunft eines Ortskundigen. Die Burgmauer mit den Hausnummern "1" bis "3" und "2" bis "28" liege oberhalb und parallel zur Komödienstraße, eben dort, wo Sie geparkt haben, verdeckt allerdings durch eine Häuserzeile und erreichbar über eine Treppe. Natürlich, mit dem Auto gehe es auch.
Eine Kehrtwendung und wieder zurück in die Richtung, aus der Sie gekommen sind. Dann links in die Nord-Süd-Fahrt einbiegen, die an dieser Stelle als Tunisstraße ausgeschildert ist, was aber kaum jemand weiß. Nach ca. 200 Metern wieder links in die Breite Straße einbiegen, die nach 30 Metern zur Minoritenstraße wird. Nach weiteren 20 Metern unbedingt links in die Drususgasse einbiegen. Nach 120 Metern kreuzt die Straße An der Rechtsschule.
Und jetzt, ja, das müssten Sie riskieren, ein paar Meter links gegen die Einbahnstraße fahren, um dann rechts in die Mariengartengasse einzubiegen, die in einer Rechtskurve nach etwa 200 Metern zur Burgmauer wird. Überflüssig zu sagen, dass die Straßen ab Komödienstraße alles Einbahnstraßen sind. Der Kolpingplatz, den Sie auf diesen paar 100 Metern auch passiert haben, ist ihnen zum Glück nicht aufgefallen.
"Ich fasse es nicht!"
In der Tiefe des Raumes erkennen Sie das Westportal des Kölner Doms und der Blick entschädigt.
Drehen Sie sich jetzt um 180 Grad und gehen ein paar Schritte zurück, dann stehen Sie an einer Mauerbrüstung und unter Ihnen liegt ein anderer Teil Burgmauer. Oder ist es die Komödienstraße oder gar die Zeughausstraße?
Dieses Chaos hat seine Ursache weder in den römischen noch in den mittelalterlichen Strukturen der Stadt, sondern in der Stadtplanung der 1950er Jahre, in der eine sechsspurige Schnellstraße den mittelalterlichen Stadtkern durchschnitten hat. Die sogenannte Nord-Süd-Fahrt begrub ganze Häuserzeilen unter sich oder durchtrennte den oberen Teil einer Straße vom unteren Teil.
Na toll! Die Ratspolitiker versuchten Köln auf Weltstadt zu trimmen und ... landeten beim Durcheinander.
Dieses Durcheinander von den römischen Anfängen über das mittelalterliche Köln bis zur vermeintlichen Weltläufigkeit der Stadt macht auch die Suche nach innerstädtischen Parkhäusern nicht einfach.
"Clever parken mit System" heißt ein vor kurzem erschienener Faltplan des "Amtes für Straßen und Verkehrstechnik". Darin wird der Rat suchende Autofahrer informiert, dass es in Köln blaue "aktive" und orangefarbene "passive" Hinweisschilder zu den einzelnen Parkhäusern gibt. Soweit, so nicht gut. Denn es gibt auch noch grüne und gelbe Hinweisschilder. Und wenn es hart auf hart kommt, findet man alle vier Markierungen auf ein und derselben Tafel.
Diverse Suchanzeigen. Marburg
Von Claus Stephan Rehfeld
"Was bin ich?" - die Sendung von und mit Robert Lembke ist uns in guter Erinnerung. Die Frage wurde ein Mal im Monat gestellt und mal beantwortet, mal nicht. "Wer bin ich?" - die Frage nun stellt sich täglich in Marburg. Von Briefen ohne Adressen, von der Empfängersuche sowie von einigen Begebenheiten verschiedener Art erzählt der folgende Beitrag. Er erreichte uns aus der Zentralen Briefermittlungsstelle der Post.
"Ruhe, Männer! (Telefon klingelt) Mit Namen müssen wir verschwiegen sein."
Stille Post da in Marburg.
Schweiger: "Das wars." (Geräusch)
Der Herr Schweiger hat dem Brief- und Postgeheimnis ewige Treue geschworen. Die Scheidungsrate ist hier vermutlich größer als die der Dienstvergehen. Also greift sich der Schweiger vom rechten Briefstapel die nächste Briefsendung. Ein Video.
""So, mal schauen, was drauf ist."
Was also gibt es zu berichten? Außer so Geschichten von Brillanten, Goldmünzen, Handschellen und dergleichen, die hier anlanden. Also was man heutzutage halt so braucht. Führerscheine, Geldkarten, Darstellungsmappen und Briefe von da nach dort. In Postsendungen, die der Vermerk schmückt "Empfänger unbekannt". Und dann noch die diversen Brief-Vermisst-Anzeigen.
Gruß: "Der Kunde sagt immer: 'Ach, das ist ja interessant. Was machen Sie?!' Dann sage ich: Ja, ja, die Briefe werden bei uns geöffnet. Dann wird nachgeschaut, ob es einen Empfangsberechtigten gibt. 'Was, das gibt's ja net. Das habe ich ja noch nie gehört. Das ist ja interessant!'"
Alles Routine, sagt der Herr Gruß. Alles Routine ertönt es unisono von der Abteilung Stille Post. Man sei halt Beamter im Briefermittlungsdienst der Deutschen Post AG, arbeite in der Abteilung Kunden, Service, Qualität. Punktum, irgendwelche Schmunzetten - Fehlanzeige.
In den Briefen stehe viel drin, aber drauf eben zu wenig. Und Marburg soll helfen - mit Telefon- und Adressbüchern, mit Nachfragen und Erfahrungen. Also: Nichts da von wegen ... ., jedenfalls nicht wie damals in der Fernsehserie "Briefgeheimnis".
Gruß: " "Und da haben sie so einen Heroinring aufgedeckt. Nein, ein Bauskandal war das. Von der Dienststelle, können Sie mal sehen, sind die zu zweit nach Frankfurt gefahren und haben da irgendwas ermittelt. Hier oben, kann man sich nur an den Kopf fassen. Und das wird dann so verkauft."
Herr Gruß tippt sich noch an den Kopf und macht Mittagspause von Lebensläufen, Versprechungen und Aufkündigungen, besprochenen Tonbändern und gefilmten Hochzeiten. Über allen steht der Dienstweg. Auch über einer wirren Botschaft an einen Herrn Adolf H. in Berlin, die uns mitteilt: Töte Sie, wenn es regnet.
Peter: "Der kriegt sogar ein eigenes Aktenzeichen. 21541 kriegt der. Als wenn der ganz normal wär."
Herr Peter grinst und das Dokument des Schwachsinns geht seinen Dienstweg. Ein Aktenzeichen. Weiter geht's auf dem Dienstweg.
Peter: "Die haben ihren Vermerk rauf gemacht, dass der Empfänger unbekannt ist in Berlin."
Rehfeld: "Könnten doch schreiben, dass der verstorben ist?"
Peter: "Ja, gut, der Briefträger dort wird sich hüten zu schreiben, dass er verstorben ist."
Die Aufklärungsquote beträgt so 60 Prozent in der Briefermittlungsstelle. Tagewerk, Routine, kein Stoff, aus dem Träume sind.
"Nein, nicht. (lacht) Dazu bin ich viel zu lange Postler. (lacht) Ja, so ist das."
Tja, so ist das mit den Träumen, mit der Suche nach Absendern oder Empfängern. Und gelegentlich mit Aufschriften in Spiegelschrift oder mit Morsezeichen. Und Inhalten wie so Sexsachen und so.
Schweiger: "Ja, ja. Wir werden mit allen Möglichkeiten konfrontiert. (lacht) Ja ja, das ist ... bembembem ... das ist die Firma in Flensburg ist, weiß man, aber ... "
Kleine Vermisstenanzeige. Internet
Von Gerd Brendel
Der Herr da am Schreibtisch hat wieder seiner Lieblingsseite im Internet angesteuert. Ein Chatportal teilt ihm gerade mit, dass er bis dato 731 Stunden und 30 Minuten eingeloggt war. Und sollte es stimmen, dass Quantität irgendwann mal in Qualität umschlägt, dann dürfte ihn die Verweildauer demnächst zum unschlagbaren Internet-Experten machen. Davon gibt es viele und er gehört dann zur großen Schar derer, die weltweit an einem Selbstversuch teilnehmen. Wer ihn überleben sollte, darf dann seinen Bericht veröffentlichen unter: www.Wie-ich-im-Internet-verloren-ging.Tschüß.
Das kennt ja jeder, der schon mal im Netz unterwegs war. Man sucht nach Urlaubspensionen auf Mallorca und landet auf Reklameseiten für Osborne-Brandy, man googelt nach einem Liebesgedicht und landet auf einem Pornoportal, man sucht nach einer Berliner Adresse und muss sich durch die Familienfotos einer amerikanischen Großfamilie aus "Börlin"/Kentucky klicken.
Das Problem fängt dann an, wenn die Pornoseiten geheime Wünsche wecken und die Familienfotos zum Schreien komisch sind. Schon werden aus Minuten Stunden. Und Gnade dem User, der keine Flatrate gebucht hat. Das Internet ist wie ein Labyrinth ohne Aussichtsturm: Alle Hecken sind gleich hoch - Suchmaschinen suchen nach Begriffen, nicht nach tieferer Bedeutung.
Auf der Suche nach einer sinnvollen Geschichte zum Thema "Wie ich im Internet verloren ging" zum Beispiel zeigt Google 1.350.000 Einträge an, die von verlorenen Paketen, von verlorener Liebe und von verlorenen Internet-Verbindungen handeln.
Hoffnungsfroher stimmt die Suche nach dem Stichwort "Internet-Labyrinth". Gleich vier Dutzend Seiten mit virtuellen Irrgärten fordern mich auf, den Download-Knopf zu klicken. Leider versagt mein Rechner gleich beim ersten Versuch, die umfangreiche Spiele-Software zu installieren. Als ich den Computer wieder hochfahre, lasse ich die Finger von animierten Internet-Rätselbildern, sondern klicke auf einen Artikel über vom Internet überforderte Studenten.
Leider kann ich mir im Gegensatz zu Studierenden einen Motivationsabfall nicht leisten, mein Abgabetermin rückt unerbittlich näher. Und noch immer habe ich keine Geschichte. Ein Anruf bei einem befreundeten Web-erfahrenen Designer lässt mich hoffen. Versuch's doch mal mit der Seite "Assoziations-Blaster", empfiehlt er.
Ein Versprechen, das sich schlagartig erfüllt, als ich "Internet-Labyrinth" eingebe. Verheißungsvolle "361 Einträge" zeigt die Statistik. User "Internetsüchtig" glänzt mit der Aussage: "Das Internet ist ein Spiegel der Gesellschaft."
Nach drei Stunden unterwegs in den Windungen von "Google", "Assoziationsblaster", "youtube" und "Myspace", 100 Fotos des Labyrinths von Chartre, einer unübersehbaren Menge von Einträgen zum Labyrinth des Minotaurus später lande ich auf der Seite: Labyrinth und innerer Friede.
"Das Labyrinth weist den Weg zum inneren Selbst". lese ich. Die Erkenntnis trifft mich wie die neuste Flash-Animation meines Lieblingscomputerspiels. Bebend vor Erkenntnisdrang tippe ich meinen eigenen Namen in das Feld mit der Lupe bei meiner Suchmaschine. Es erscheinen 94.600 Einträge zu meinem Namen. Unter anderem bin ich laut Google Schornsteinfeger in Böblingen, Kriminalkommissar in Bad Godesberg, spiele in der Altherrenriege des SG Weinsheim (mit Foto), habe 300 Freunde bei MySpace und genieße das Leben gerne bei einem guten Tropfen. Die knapp 100.000 virtuellen Spiegelbilder lassen mich schwindlig werden. Was ist real, was virtuell?
Bevor ein Krampf meinen Tippfinger lahm legt, verspüre ich plötzlich ein unbändiges Verlangen nach realen Rauschmitteln. Ein letzter Klick. Der Getränkeservice meiner Wahl verspricht auf seiner Homepage "Lieferservice frei Haus, ab drei Kästen." Als es an der Wohnungstür klingelt, drücke ich automatisch die "enter"-Taste und wundere mich, dass mir kein freundlicher Barkeeper erscheint und ein Brandyglas aus dem Bildschirm herausreicht.

Blick auf die Domstadt Köln© Stock.XCHNG / Benedikt Ernst

In Marburg gehen sie auf die Suche nach den richtigen Empfängern.© AP

In den Weiten des Internets geht so mancher schnell verloren.© Stock.XCHNG / Vince Varga