Cyril Collot und Luca Caioli: "Mbappé. Der kleine Prinz"

Auf dem Rasen geblieben

07:05 Minuten
Im Vordergrund ist das Cover des Buches "Mbappé. Der kleine Prinz". Im Hintergrund ist der Fußballer
Mit 17 Durchbruch als Profi, mit 18 zweitteuerster Fußballer der Geschichte, mit 19 Weltmeister: Der französische Nationalspieler Mbappé blickt im Alter von 20 Jahren auf eine beeindruckende Karriere zurück. © Die Werkstatt / Picture Alliance / dpa / Nicolas Créach
Wölf-Sören Treusch im Gespräch mit Thorsten Jabs · 07.04.2019
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Wer etwas über die Kindheit und Jugend des französischen Nationalspielers Kylian Mbappé lernen will, wird in der Biografie "Mbappé. Der kleine Prinz" fündig. Über die Gegenwart des Superstars erfahre man jedoch nur wenig, meint unser Rezensent.
Thorsten Jabs: In der kommenden Woche werden die Viertelfinalhinspiele in der Champions Leage ausgespielt. Ein Name wird dabei besonders fehlen: Kylian Mbappé. Der französische WM-Held ist mit seinem Verein Paris Saint-Germain im Achtelfinale ausgeschieden. Aber wir werden ihn trotzdem wiedersehen. Und bis zur Europameisterschaft im nächsten Jahr wird uns das Buch "Kylian Mbappé. Der kleine Prinz" von Cyril Collot und Luca Caioli erhalten bleiben. Wolf-Sören Treusch hat es gelesen. Ist Ihnen das neue Wunderkind des Weltfußball dadurch näher gekommen?
Wolf-Sören Treusch: Ja und nein. Der Werdegang bis zu seinem 18. Lebensjahr – Kylian Mbappé ist ja noch sehr jung – enthält viel Erhellendes, nicht nur über Fußball, aber natürlich vor allen Dingen über Fußball. Mit seinem Wechsel 2017 von AS Monaco zu Paris Saint-Germain für 180 Millionen Euro und seinem Aufstieg zum zweitteuersten Fußballer der Geschichte ist das Buch dann doch inhaltlich etwas dünn. Denn ab diesem Moment ist er ein absoluter Superstar. Und wenn einer diesen Status erreicht hat, erfährt man nicht mehr viel über ihn, nur noch das, was er will, dass es die Öffentlichkeit über einen erfährt – oder eben Gerüchte.

Gerüchte über Wechsel zu Real

Jabs: Gerüchte ist ein gutes Stichwort. Mbappé könnte noch viel teurer werden, weil Real Madrid an ihm interessiert ist. Er könnte angeblich für 280 Millionen Euro von PSG nach Madrid wechseln. Madrid, das ist der Traum eines jeden Fußballers – findet man dazu etwas in der Biografie?
Treusch: Tatsächlich ja, deshalb sind diese Spekulationen definitiv auch keine Luftnummer. Schon im Sommer 2017, als "Der kleine Prinz" – wie Kylian Mbappé genannt wird – von Monaco zu PSG wechselte, war er bei Real Madrid im Gespräch. Es gab ein Treffen mit seinem Landesmann Zinédine Zidane, dem damaligen und auch heute wieder Trainer von Real. Das Problem: Zinédine Zidane wollte ihn als vierten Stürmer haben – er hatte ja schon drei gute. Mbappé will aber spielen und ging deshalb zu PSG, weil er dort mit Neymar, Cavani und eben sich selbst nur zu dritt ist.
Schon in der Jugendakademie in Clairefontaine, die Eliteschule für die Nachwuchskicker in Frankreich, schlich er sich immer mit seinen Kumpels nachts nach draußen, um dann im Schein der Smartphone-Taschenlampen auf Kleinfeld Fußball zu spielen. Und neben dem höheren Jahresgehalt, das PSG damals versprach und letztendlich wohl auch zahlt, war die Aussicht, viel spielen zu können, ausschlaggebend für die Absage an die Königlichen. Aber jetzt hätte er bei Real mit Sicherheit eine Einsatzgarantie, insofern ist ein Wechsel dorthin durchaus im Bereich des Möglichen.
Jabs: Sein Trainer Thomas Tuchel wird das mit Sicherheit zu verhindern versuchen. Mbappé hat wirklich schon eine beeindruckende Karriere hingelegt: mit 17 Durchbruch als Profi, mit 18 zweitteuerster Fußballer der Geschichte, mit 19 Weltmeister. Was macht ihn spielerisch so spektakulär?

Schnell wie ein Sprinter

Treusch: Fußballerisch auf alle Fälle seine Geschwindigkeit. Dafür steht eine Szene aus dem WM-Achtelfinale gegen Argentinien: Kylian Mbappé schnappt sich den Ball in der eigenen Hälfte, überläuft in Windeseile drei Argentinier, der vierte kann ihn dann nur noch foulen, er ist aber inzwischen im Strafraum, deshalb Elfmeter. Frankreich geht 1:0 in Führung, gewinnt das Spiel insgesamt 4:3. Mbappé schießt zwei Tore, wird quasi mit diesem Spiel auch zum WM-Star, später werden die Franzosen Weltmeister. Man hat errechnet, dass Kylian Mbappé auf den ersten Metern eine Geschwindigkeit von 37 km/h hatte, damit ist er kaum langsamer als die weltbesten Sprinter.
Menschlich ist es seine Bodenständigkeit, die ihn auszeichnet. Kylian Mbappé ist groß geworden in Bondy, einem Vorort in der Banlieue von Paris, dort leben viele Arbeiter und Migranten. In jedem Interview betont er diese Wurzeln. Als er 2017 erstmals französischer Meister wurde, damals mit AS Monaco, fuhr er anschließend nicht etwa in den Urlaub wie alle anderen, sondern nach Bondy, um seinen Leuten den Meisterpokal zu präsentieren.
Jabs: Was findet man in diesem Buch noch über sein Leben abseits des Fußballs? Schaut er über den Tellerrand hinaus, engagiert er sich zum Beispiel für soziale Projekte?
Treusch: Das ahnt man in dem Buch. Da das Buch aber einen Redaktionsschluss hatte – im Prinzip schon vor der WM, dann hat man noch schnell was von der WM mit reingenommen –, erfährt man leider nicht das, was man hinterher erfahren konnte. Und das ist sehr spannend. Denn Kylian Mbappé setzt sich sehr wohl für soziale Belange ein. Seine komplette Siegprämie der WM in Höhe von 432.000 Euro hat er gespendet an eine Stiftung, die sich dafür einsetzt, Behinderte an sportliche Aktivitäten heranzuführen und Kinder, die krank in Kliniken liegen, mithilfe von Sportkursen aus dieser Isolation herauszuholen. Seine Begründung, sinngemäß: Ich verdiene genug Geld, es ist eine Ehre für mich, für Frankreich zu spielen, genauso wichtig ist es für mich, denjenigen zu helfen, die es benötigen. Das liege mir sehr am Herzen, sagt er.
Trotz seines jungen Alters lässt er sich offensichtlich von Geld und Ruhm nicht den Kopf verdrehen. Sein fünf Jahre älterer Mannschaftskollege aus dem Nationalteam, Paul Pogba, sagt über ihn: Er begreift Dinge, die ich in seinem Alter noch nicht kapiert habe.

Bislang keine Skandale

Jabs: Das klingt alles ein bisschen zu schön, um wahr zu sein: nach Bodenständigkeit, nach Bilderbuchkarriere und viel Licht. Ist im Buch auch etwas über die Schattenseiten des Jungstars zu lesen?
Treusch: Nein, leider nicht. Darauf warte ich auch noch, denn wir wissen alle, so Figuren wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, die absoluten Superstars des Weltfußballs, die haben irgendwann ein Problem mit ihrem Geld – zum Beispiel Steuerhinterziehung. Teilweise können sie ja auch gar nichts dafür, weil es irgendwelche Menschen im Hintergrund veranstalten. Ehrlich gesagt, irgendwann kommt der Punkt, da befürchte ich, wird auch Kylian Mbappé dieses Schicksal ereilen. Das Einzige, was ich entdeckt habe, ist, dass irgendein deutsches Model ihn hat abblitzen lassen. Vielleicht kann man das schon als kleinen Skandal durchgehen lassen.
Jabs: Und Ihr Fazit, trotzdem ein lesenswertes Buch?
Treusch: Ja, wenn man über Kylian Mbappé als Jugendlicher, als Kind etwas erfahren will. Ist man nur scharf darauf zu erfahren, wie geht es diesem Menschen in seiner fußballerischen Laufbahn heute, dann ist es definitiv zu dünn.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Cyril Collot und Luca Caioli: "Mbappé. Der kleine Prinz"
Übersetzt von Olaf Bentkämper
Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2019
184 Seiten, 16,90 Euro

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