Fahrradschnellstraßen für London
Der Bürgermeister von London, Boris Johnson, radelt morgens mit dem Fahrrad zu seinem Arbeitsplatz. Gleichzeitig treibt er den Fahrradverleih und den Ausbau von sogenannten "Cycle Superhighways" voran - Fahrradschnellstraßen in der Großstadt.
Fast jeden Morgen radelt Boris Johnson von seinem Haus im Norden Londons Richtung Süden, auf die andere Seite der Themse, wo das Rathaus steht: Den beliebten Bürgermeister der Hauptstadt kümmert es nicht, dass sein Anzug dabei verknittert und seine weißblonden Haare verwuschelt sind, wenn er den Helm absetzt – denn Johnson ist einfach überzeugter Radfahrer. Wenige Tage vor Frühlingsbeginn tauschte das Stadtoberhaupt jetzt den Fahrradsattel mit dem Sitz eines Baggers:
"Ich bin hier, um den Startschuss zu geben für den Bau eines weiteren Cycle-Superhighways, der in Nord-Süd-Richtung verläuft, von Elephant & Castle bis King’s Cross. Dies ist eine der beliebtesten Routen für Radfahrer, die wir nun viel sicherer machen. Das wird fantastisch."
Insgesamt 160 Millionen Pfund – umgerechnet rund 220 Millionen Euro – lässt sich das städtische Unternehmen Transport for London das Projekt kosten: Zwei Fahrrad-Autobahnen werden neu gebaut, vier bestehende ausgebaut. Das Ziel: Radfahrer sollen sich schnell und möglichst ungefährdet durch den dichten Verkehr bewegen können. Die "Cycle Superhighways" befinden sich teils auf der Fahrbahn, teils von ihr getrennt, teils etwas erhöht – leicht zu erkennen aber an der blauen Bemalung. Auch dieser junge Londoner fährt jeden Tag die bereits existierende Strecke von Canary Wharf im Osten in die City:
"Früher gab es Fahrradstreifen nur in Nebenstraßen, weil man die Radfahrer vom Autoverkehr fernhalten wollte. Aber am schnellsten ist man nun mal auch mit dem Rad auf den Hauptstraßen. Es ist also gut, dass man jetzt guckt: Wo sind die Radfahrer unterwegs? Und dass man dort die Radwege ausbaut."
In gut einem Jahr sollen die beiden neuen "Cycle Superhighways" fertig sein. Die Infrastruktur Londons zu verbessern, ist auch dringend nötig: Denn die Zahl der Radfahrer steigt seit langem und kontinuierlich. So fahren heute etwa doppelt so viele Menschen mit dem Rad zur Arbeit wie noch vor zehn Jahren.
Das ist die Motivation der Radler: Es ist günstig, man kommt auch in der Rushhour schnell von A nach B, man meidet die überfüllte U-Bahn – und tut nebenbei auch noch etwas für die eigene Fitness.
14 Radfahrer starben 2014 im Londoner Straßenverkehr
Der Tross der Londoner Radfahrer unterscheidet sich übrigens optisch sehr von dem in deutschen Städten: Hier haben nämlich fast alle einen Helm auf, fast alle tragen enge Radlerhosen, und fast alle haben Jacken in Neonfarben übergestreift. Das hält gerade die schwarzen Taxen und die roten Doppeldecker-Busse indes nicht davon ab, trotzdem sehr dicht zu überholen. 2014 sind in der Hauptstadt 14 Radfahrer ums Leben gekommen, in den meisten Fällen überfahren von linksabbiegenden Lkw; knapp 500 Menschen wurden schwer verletzt. Ist das Radfahren in London also sicher?
Es ist sicher, solange man selbst vorsichtig-umsichtig fährt und sich alle Verkehrsteilnehmer an die Regeln halten, meinen diese Radfahrer. Aber das ist eben nicht der Fall – und die Übeltäter aufzuspüren, das hat sich Dave Sherry zur Aufgabe gemacht: Der Busfahrer patrouilliert als selbst ernannter Fahrrad-Sheriff auf Londons Straßen und hat an seinem Gefährt drei Kameras montiert:
"Damit erwische ich die Verkehrssünder: Die Autofahrer zum Beispiel, die mit ihrem Handy hantieren. Die Kameras sind meine Werkzeuge."
Sein Filmmaterial übergibt er der Polizei, die damit schon so manchen Regelverstoß geahndet hat – auch wenn nicht alle die Überwachungsmethoden von Dave Sherry goutieren. Zumal sich gegen die neue Vorfahrt für Radfahrer in London inzwischen auch Widerstand regt: Lobbyisten für Taxi- und Autofahrer sowie die Verwaltung des Finanzviertels beschweren sich darüber, dass Autos künftig noch weniger Platz auf der Fahrbahn haben – und damit noch mehr Staus drohen. Doch das ficht den radelnden Bürgermeister Boris Johnson nicht an, der seine "Cycle Superhighways" verteidigt:
"Am Ende sind die gut für alle Verkehrsteilnehmer – denn es will doch kein Autofahrer permanent Gefahr laufen, mit einem schwächeren Fahrradfahrer zu kollidieren und ihn zu verletzen. Und dieses Konfliktpotenzial reduzieren wir, indem wir mehr abgetrennte Fahrradwege bauen."
Auf denen tummeln sich übrigens auch Touristen, meist auf den beliebten blauen Mietfahrrädern, in London nur als "Boris bikes" bekannt. Vor fünf Jahren gestartet, gibt es inzwischen mehr als 10.000 dieser Räder an mehr als 700 Stationen. Als neuer Sponsor ist kürzlich eine spanische Bank eingestiegen, was der Stadt jedes Jahr fast zehn Millionen Euro in die Kasse spült – und nicht nur den Erhalt, sondern auch den Ausbau dieses Verleihsystems finanzieren soll. Johnson selbst jedoch fährt kein "Boris bike", sondern strampelt auf seinem eigenen City-Rad durch sein London.