Wir befinden uns gerade in einem Krieg, und dann handelt man im Extremfall auch als Kombattant in diesem Krieg.
Manuel Atug, IT-Sicherheitsexperte
Aufruf der Ukraine zu Cyberangriffen
Hacker sollen die Ukraine mit Cyberattacken gegen Russland unterstützen. Manuel Atug hält bestenfalls defensive Aktionen für gerechtfertigt. Man dürfe nicht Kriegsteilnehmer werden. © imago/ZUMA Wire
Hacker gegen Putin?
10:16 Minuten
Auf Bitten der Ukraine agieren Hacker wie die Gruppe Anonymous offenbar gegen Russland. Doch sind Cyberattacken wirklich angebracht? Und können sie Putins Krieg stoppen? Der IT-Sicherheitsexperte Manuel Atug kann nur warnen.
Das Hackerkollektiv Anonymous hat Russland den Cyberkrieg erklärt, nachdem die ukrainische Regierung die Cybercommunity um Unterstützung gebeten hatte. Laut Anonymous wurden mehrere Netzwerke der russischen Regierung, aber auch die Homepage des Staatssenders RT stundenweise lahmgelegt. Eine wirksame Strategie, um Russland im Ukrainekrieg Einhalt zu gebieten?
Der IT-Sicherheitsexperte Manuel Atug sieht das äußerst kritisch. Er hält offensive Cyberangriffe gegen Moskau sogar für "hochgefährlich". Zum einen liefere man dem russischen Präsidenten Putin "wunderschöne" Gründe, sich gegebenenfalls auch gegen Länder, aus denen die Angriffe kämen, zu "verteidigen". Gegen Deutschland beispielsweise oder die USA.
Zum anderen könne man derzeit nicht mehr wie in Friedenszeiten als Netzaktivist handeln, um etwa ein Zeichen zu setzen, so Atug:
"Wir befinden uns gerade in einem Krieg, und dann handelt man im Extremfall auch als Kombattant in diesem Krieg. Das ist kein Spaß mehr. Da sterben Menschen. Deswegen habe ich da schwere Bedenken und halte das für sehr gefährlich."
Lücken in kritischer Infrastruktur aufzeigen
Nach Meinung des Experten sollte man der Ukraine "maximal" bei der defensiven Cybersicherheit helfen. So könne man aus dem Internet erreichbare kritische Infrastruktur überprüfen: Strom, Wasser oder Banken. Wenn man Lücken finde, könne man das dem ukrainischen "Computer Emergency Response Team" melden. Dieses könne dann die Lücken schließen. Es sei auch möglich, die Lösung mitzuliefern und sich für Fragen zur Verfügung zu stellen. "Das wäre eine defensive Handlung, das ist durchaus sinnvoll", betont Atug.
Es gebe zudem eine "Hacker-Ethik", die sich beispielsweise der Chaos Computer Club auferlegt habe. Dazu gehöre die Forderung, dass alle Informationen frei sein müssten und man den Autoritäten misstrauen sollte.
Hacker-Ethik ist defensiv ausgerichtet
"Aber die Hackerethik sagt auch: Man kann mit dem Computer Kunst und Schönheit schaffen und das Leben zum Besseren verändern", sagt Atug. "All das führe ich nicht aus, wenn ich sage, ich führe Angriffskriege oder Cyberattacken auf irgendeine Infrastruktur."
Die Hacker-Ethik sei also darauf ausgerichtet, defensiv zu agieren und eine "Cyberresilienz", eine Widerstandsfähigkeit der Systeme, aufzubauen. Dann würden Angriffe verpuffen.
Selbst wenn man es wollte: Putins Armee jedenfalls kann man nach Darstellung Atugs nicht kampfunfähig machen. Kalaschnikows, Panzer oder Bomben ließen sich nicht "wegcybern".
(bth)