CSU-Politiker über Rechtspopulisten

"Wir rücken weder nach links noch nach rechts"

Der CSU-Politiker Markus Ferber
Was setzt die CSU der rechtspopulistischen Konkurrenz entgegen? © dpa / picture-alliance / Daniel Kamann
Markus Ferber im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 24.05.2016
Trotz der rechtspopulistischen Rhetorik der AfD will sich die CSU nicht beirren lassen. "Wir bleiben da, wo wir immer waren", sagt Markus Ferber, Europapolitiker der Christsozialen, die sich stets als einzige Kraft am rechten Rand sahen.
"Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben". Die Worte des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Franz Josef Strauß dürften für die Christsozialen bedeutsamer denn je klingen - schickt sich die rechtspopulistische AfD doch an, den rechten Wählerrand weiträumig abzufischen. Der Chef der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, will sich davon allerdings nicht verrückt machen lassen.
Die CSU werde dort bleiben, wo sie immer war, erklärt Ferber im Deutschlandradio Kultur. Man werde weder nach links noch nach rechts rücken. Die Sorge seiner Partei sei vielmehr, "dass die CDU in dieser Form des Relativismus eine Vielzahl von Überzeugungen nicht mehr so pflegt wie wir das gerne hätten". Diese Lücke habe die AfD versucht zu schließen.
Auf der anderen Seite sei zu beobachten, dass die AfD weniger mit den Kräften im demokratischen Spektrum zusammenarbeiten wolle, sondern eher mit dem franzöischen Front National. Dies sei "eine Entwicklung, wo sich diese Partei selber nach rechts bewegt und sie hinterlässt damit eine Lücke von der wir natürlich wollen, dass die Union da hineinstößt".

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Nun ist es also doch kein Blauer geworden, der triumphierend in die Hofburg eingezogen ist als erster FPÖ-Bundespräsident, sondern ein Grüner. Nichtsdestotrotz, feiern sollte man das Ergebnis vielleicht doch nicht zu laut, denn es zeigt sich, dass die österreichische wie viele Gesellschaften in Europa tief gespalten ist. Was also tun gegen Rechtspopulisten? Das fragen wir einen Politiker aus der Partei, die eigentlich immer dafür sorgen wollte, dass da rechts kein Platz mehr ist. Jedenfalls war das der Tenor eines einstigen CSU-Parteichefs namens Franz Josef Strauß. Am Telefon ist jetzt Markus Ferber, Mitglied des Europaparlaments, dort selbst Chef der CSU-Gruppe und auch Mitglied im Parteivorstand der CSU. Schönen guten Morgen!
Markus Ferber: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Ihr Kollege Manfred Weber hat gestern getwittert: Glückwunsch an Van der Bellen, ein guter Ausgang für Österreich und Europa, Populistenergebnis aber ernst nehmen und Antworten geben! Wie lauten denn Ihre Antworten?
Ferber: Es wäre jetzt etwas wohlfeil, schnelle Antworten zu haben. Wir müssen natürlich sehen, dass hier in Österreich ein tiefer Riss durch die Gesellschaft geht, das lässt sich ja an dem Wahlergebnis mehr als deutlich ablesen, dass es gelungen ist, dass die Freiheitlichen bestimmte Bevölkerungsgruppen – also, die Analysen sagen, Männer, die nicht so gut ausgebildet sind, die also sich als Verlierer einer wirtschaftlichen Entwicklung sehen – hauptsächlich punkten konnten.
Und das sind gesellschaftliche Entwicklungen, die wir in ganz Europa haben. Ich war letzte Woche in den USA, habe dort mit einer Reihe von Thinktanks gesprochen, auch dort das gleiche Problem: Die Mitte zerbröselt, der Traum – ich will, dass es mir besser geht oder wenigstens meinen Kindern mal besser geht – lässt sich so nicht mehr erfüllen. Und das ist der Reservoire, in dem Populisten insbesondere von rechts ihre Stimmen schöpfen können, und deswegen ist es die politische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieser gesellschaftliche Riss überwunden wird, dass die Mitte wieder größer wird und nicht zerbröselt.

Konkurrenz durch Rechtspopulisten

von Billerbeck: Da kann ich gleich ein paar Beispiele liefern, wir müssen ja nur ein paar Länder aufzählen, das bestätigt das, was Sie gerade gesagt haben: Finnland, Lettland, Ungarn, Norwegen, Schweiz, Griechenland – überall sind Rechtspopulisten an durchaus nicht unerheblichen Positionen gelandet und bei uns steht die AfD in den Startlöchern und träumt vom Einzug in den Bundestag bei der 2017er Wahl und manchmal sogar von einem Kanzler oder von einer Kanzlerin. Was tun Sie denn gegen Rechtspopulisten, wie reagieren Sie auf die AfD, als CSU?
Ferber: Wir wollen als CSU Antworten auf die Fragen geben, die die Menschen uns zu Recht stellen. Und eine der Fragen, die natürlich in den letzten Monaten besonders gestellt wurde, war: Wissen wir als Staat noch, wer in unser Land kommt? Sind wir in der Lage, diese Grundaufgabe eines Staatswesens – Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu organisieren –, können wir diese Aufgabe noch erfüllen? Und dazu gehört nicht, die Grenzen zuzumachen, um das ganz deutlich zu sagen, Frau von Billerbeck, sondern zu wissen, wer kommt in mein Land rein. Da haben wir etwas nachzuholen gehabt, das waren ja auch die Kritikpunkte, die wir aus Bayern auch gegenüber Berlin deutlich formuliert haben …
von Billerbeck: Da höre ich wieder die Opposition aus Bayern, die doch Mitglied der Bundesregierung ist!
Ferber: Ja, trotzdem kann man ja zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, wenn es um konkrete Aufgabenstellungen geht. Das heißt ja nicht, dass man dann die Regierungsarbeit sofort einstellen muss, sondern unser Anliegen war immer, die Regierungsarbeit zu verbessern. Und wir haben da ja auch einiges erreicht in den letzten Monaten. Ich habe nicht das Gefühl, dass die CSU am Rande geblieben ist, sondern ich habe eher das Gefühl, dass andere Koalitionspartner auf unseren Kurs eingeschwenkt sind. Insofern war das eine erfolgreiche Arbeit, die wir geleistet haben.
Aber ich will auch auf etwas Zweites hinweisen: Wir haben auch in Deutschland natürlich die Situation, dass die Wirtschaftsdaten sehr positiv sind, wir haben so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie noch nie, und trotzdem haben wir die gleiche Entwicklung, dass uns in der Mitte etwas verloren geht. Das heißt, ein Job scheint nicht mehr ausreichend zu sein, um als Familie über die Runden zu kommen, und das sind natürlich Aufgaben, denen wir uns jetzt stärker annehmen müssen, wie können wir hier die Mitte wieder stärken.

Christsoziale wollen bleiben, wo sie immer waren

von Billerbeck: Am Wochenende hatte ja Angela Merkel in der "F.A.S." gegen ein Aufweichen der Grundüberzeugungen argumentiert und natürlich gleich wieder Dresche von Ihrem Parteichef Seehofer kassiert, der gesagt hatte, das geht gar nicht. Also auf ihre Bemerkung, dass Prinzipien relativiert oder gar aufgegeben werden müssen, damit Menschen sich nicht von der Union abwenden. Das könne nicht sein. Heißt das also, Position Seehofer: Rücke weiter nach rechts und die AfD erledigt sich von selbst?
Ferber: Nein, das ist nicht unsere Position. Unsere Position ist: Bleibe da, wo wir immer waren, und rücke nicht nach links. Weil es im politischen Spektrum nie ein Vakuum gibt.
von Billerbeck: Ist die Gefahr groß bei der CSU, dass sie nach links rückt?
Ferber: Die Gefahr ist bei der CSU nicht groß, da brauchen Sie keine Sorge haben, aber wir müssen auch nicht nach rechts rücken. Unsere Sorge ist, dass die CDU in dieser Form des Relativismus eine Vielzahl von Grundüberzeugungen nicht mehr so pflegt, wie wir das gerne hätten, und damit ein politisches Vakuum schafft. Wenn Sie sich die deutsche Parteienlandschaft anschauen, dann ist links der Mitte der Hauptwettbewerb heute zwischen den Kommunisten – also der Linkspartei –, den Grünen, den Sozialdemokraten und Teilen der CDU. Und im bürgerlichen Lager, dort, wo eigentlich der gesellschaftliche Schwerpunkt liegt …
von Billerbeck: Aha.
Ferber: … in unserer Gesellschaft, ist dieser Wettbewerb nicht mehr so vorhanden und in diese Lücke ist die AfD reingesprungen. Und das ist genau unsere Sorge als CSU. Die Grundregel – wenn Sie Strauß weiterentwickeln – heißt auch: Es gibt im politischen Spektrum kein Vakuum. Jede Lücke, die sich auftut, wird von einer Partei geschlossen werden. Und in dem Fall hat die AfD versucht, eine Lücke zu schließen.
Auf der anderen Seite muss man auch sehen, wenn Sie ganz aktuelle Entwicklungen in der AfD sich anschauen, dass sie also nicht mit den Bewegungen im demokratischen Spektrum, sondern eher mit Le Pen, mit Front National zusammenarbeiten will, wo ich große Abstriche machen möchte, ob sich die innerhalb jedenfalls des deutschen demokratischen Spektrums noch bewegen. Dann ist das schon eine Entwicklung, wo diese Partei sich selber nach rechts bewegt, und sie lässt damit wieder eine Lücke, in die wir natürlich wollen, dass die Union hineinstößt, nämlich ins Herz des bürgerlichen Lagers. Das ist das Potenzial, das die Union abdecken sollte.
von Billerbeck: Markus Ferber war das, interessante Mitteilung, dass zum Beispiel die Grünen nicht zum bürgerlichen Lager gehören, das war mir dann doch neu. Ich danke Ihnen, Herr Ferber, für das Gespräch.
Ferber: Es ist aber so, Frau von Billerbeck.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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