Crossover

Vom Rapper zum Pseudo-Rocker

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Cover des Albums "Hammer und Michel" von Jan Delay © Vertigo Berlin
Von Jutta Petermann · 15.04.2014
Die Bläser hat der Hamburger Hip-Hopper, Funkmaster und Reggae-Musiker Jan Delay für sein neues Album "Hammer und Michel" aus dem Studio hinaus komplimentiert. Er lässt stattdessen die Gitarren dröhnen und heulen und spaltet damit die Republik.
Die Musikpresse haut ihm dieses Album aus den unterschiedlichsten Gründen um die Ohren, unter seinen Fans finden sich aber zumindest ein paar, die ihn dafür feiern. Vorsorglich hat sich Jan Delay mit dem Song "Fick" schon mal ein dickes Fell zugelegt, er zeigt uns damit musikalisch den Stinkefinger. Es sei ihm egal, was wir über ihn denken, er mache was er will, singt er da.
Viele meiner KollegInnen, aber auch seine Fans auf Delays Facebook-Seite ziehen sich jetzt am Rock-Begriff hoch und prüfen, ob Delay den reinen Kriterien für Rock entspricht. Nicht der richtige Maßstab - wie ich finde. Es kann ja um gar nichts anderes gehen, als um den typischen Jan Delay-Wuchtsound und zwei Gitarren mehr.
Der derbere Sound ist dabei wirklich nicht das Problem, sondern Delays in sich widersprüchliche Einstellung dem Rock und den Rockern gegenüber plus die schwachen Texte. Die Delaysche Reim-Maschine hat die ganz grobe Stanze eingedreht und textet zum Beispiel im Song "Wacken": "Ich muss hier raus, Tschüss ihr Spacken - ich will hier weg ich geh nach Wacken ich packe meine sieben Sachen..." Anderes Beispiel aus dem bereits erwähnten Song "Fick": "Ich will Aufmucken - auf Euren Konsens rauf spucken - Leute vor den Kopf stoßen, das kannst Du ruhig in deinem Blog posten."
Widersprüchliche Haltung, schwache Texte
Nun zur Einstellung: Im Song "Scorpions - Ballade" beweint Delay, dass sich Grenzen auflösen und er die Orientierung verliert, weil Nazis heute Rapper wie Tupac geil finden und Polizisten Bob Marley hören. Damit kommt er nicht klar und rächt sich also jetzt damit, dass er die Musik, die diese Leute vermeintlich hören, im Gegenzug usurpiert und entweiht. Er macht daraus wie User Mario Hofer auf Delays-Facebook-Seite ganz treffend schreibt "Schlager-Rap im Poprock-Gewand".
Der Hamburger Musiker macht sich eigentlich lustig über die grenzwertigen Seiten der gitarrenlastigen Musik. Das zeigt, wie distanziert er eigentlich dem Rock gegenüber steht. Wunderbar anzuschauen im Video zum Song "Wacken", in dem er zwischen all den langhaarigen, schwarzgekleideten Lederkluft-Metallfans im weißen Anzug, rosa Hemd und weißen Dandy-Hut herumspaziert und damit nichts anderes sagt, als ich bin ganz anders als ihr. Rock ist nur das Marketing-Konzept, sein Herz ist nicht dabei, auch wenn Jan Delay jetzt überall in Interviews mit Beichten hausieren geht, er hätte früher auch Klaus Lage gemocht oder Phil Collins, aber das Rebellische, das manchmal fast Tierische, das Zügellose des Rock, darauf lässt sich Jan Delay nicht ein.
Trotzdem will er mit aller Macht gegen den Strom schwimmen und trägt das wahnsinnig dick vor sich her. Das zeigt, Jan Delay hat seine frühere Coolness verloren - und das ist das eigentliche Problem an "Hammer und Michel".
Label: Vertigo Berlin
Zur Homepage des Musikers (mit Videos)