Flüchtlinge bringen neue Sportart in die Lausitz
Cricket - in Deutschland eine "Randsportart", anders sieht das in Ländern wie Afghanistan, Pakistan oder Indien aus. Dort ist Cricket äußerst beliebt. Mit den Flüchtlingen ist Cricket nun auch in Deutschland angekommen, etwa im sächsischen Bautzen.
Mit einem satten Treffer erwischt der Schläger den Ball, der fliegt weit über den Hockeyplatz des MSV Bautzen. Ein duftender Rasen, ein renoviertes Vereinsheim – und auf dem Platz etwa 20 Männer, die noch nicht lange in Deutschland sind, aber eine Leidenschaft teilen: Cricket. Ahmad Irshi ist Leiter der jungen Abteilung Cricket des Sportvereins, nach dem Aufwärmen beobachtet er nun, wie sich seine Schützlinge beim Werfen und Schlagen machen. Und kommentiert: in Panjabi, Urdu und Paschtu, gemischt mit Englisch und Deutsch.
"Hier sind Menschen aus Indien, Pakistan und Afghanistan. Und wir haben auch schon zwei, drei deutsche Mitspieler. Wir hoffen, dass wir bald noch mehr Deutsche begeistern können, Cricket zu spielen."
Irshi ist 26, hat in seiner Heimat Pakistan am College höherklassig Cricket gespielt und auch Mannschaften trainiert. Dort, wie in Indien und Afghanistan ist Cricket Volkssport, die besten Spieler Superstars. Mit der Unterstützung von Flüchtlingsinitiativen, der Stadt und dem Sportverein ist es ihm gelungen, dass in Bautzen fast täglich trainiert wird. Drei Teams coacht Irshi, auch eines mit Jugendlichen. Sonntags treffen sich alle zum Match. Irshi, der im vergangenen Jahr als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist, lebt für seinen Sport. Aber es sei ihm auch darum gegangen, die Menschen aus den Asylunterkünften der Region herauszuholen.
"Wir haben hier eine schwere Zeit hinter uns. Einige von uns wurden verprügelt, und eine Asylunterkunft wurde angezündet. Das war die härteste Zeit für uns in Deutschland. Und in der Zeit haben wir beschlossen, die Leute aus den Asylunterkünften zu holen. Viele hatten Angst, rauszugehen. Und um die Ängste zu bekämpfen, haben wir mit Cricket angefangen. Und jetzt kann man sehen, wie glücklich die Menschen hier sind. Sie gehen raus, sie wollen Cricket spielen und Spaß haben. Leute aus vielen unterschiedlichen Ländern."
Die Sorgen scheinen vergessen
Konflikte zwischen Ethnien und Religionsgruppen treten in den Hintergrund, ebenso die Sorgen um die Familie im Heimatland, die hier jeder mit sich trägt. Die älteren im traditionellen weiten Gewand, ebenso wie die jüngeren, topmodisch frisiert und gekleidet. Alle werfen mit der gleichen Freude den Ball auf den Schlagmann zu, mit der typischen gestreckten Armbewegung. Umso mehr Spaß macht es, seitdem vor einigen Wochen neues Material, aus Spenden finanziert, angeschafft werden konnte: Eine Matte aus Kokosfasern, die dem Ball den richtigen Spin gibt. Und der Käfig, in dem der jeweils Schlagende mit seinen großen Schienbeinschonern steht.
Von einem Tisch am Vereinsheim registriert Präsident des MSV Bautzen Ulrich Schneider das Trainingsgeschehe der neuen Vereinsmitglieder.
"Wenn die an ihrem Stammtrainingstag, am Sonntag hier sind, kommen auch immer wieder Leute her, aus dem Verein, aus dem Umfeld, die mit ihnen reden. Und das macht auch eigentlich diese sportliche Geschichte so interessant. Dass also sie merken, dass sie angenommen werden. Und dass andere merken, das sind Menschen wie du und ich, haben bloße eine andere Hautfarbe, hat vielleicht eine andere Kultur, aber wenn man sich aufeinander zubewegt, ist das ohne weiteres möglich."
Schneider, Typ unermüdlicher, gut vernetzter Ehrenamtlicher registriert mit Zufriedenheit, dass es bei "Sportsfreund Ahmad", wie er ihn nennt und seinen Cricket-Spielern durchaus ernsthaft zugeht. Auch wenn Musik am Rand läuft und manch einer sich das Rauchen nicht verkneifen kann. Und so hat sich auch der Pensioner Schneider, der jahrelang als Sportlehrer gearbeitet hat, nochmal in das in Deutschland kaum verbreitete Cricket reingearbeitet. Hat er schon alle Regeln verstanden?
Training inklusive traditioneller Teepause
"Na, ich hab mich natürlich in den einschlägigen Internet-Foren mit der Sportart beschäftigt, was übrigens auch schon viele Leute gemacht haben im Verein, die vor allem auch Verantwortung tragen. Also wenn wir miteinander sprechen, wissen wir schon, worum es geht. Aber natürlich müsste man dann mal mehrere Tage zuschauen und das ist mir ja gesagt worden, dass so ein Wettkampf, wenn der richtig in der vollen Länge ausgetragen wird, zwischen drei und sechs Stunden geht."
Inklusive der traditionellen Teepause. Mehr solcher Matches, auch gegen andere Teams, wünscht sich Ahmad Irshi und seine Tigers. Ein Turnier in Dresden haben sie vor einigen Monaten schon gewonnen. Ohne großes Training vorher, nur mit dem mitgebrachten Können aus ihren Heimatländern. Nun werden sie selbst ein Turnier in der Region veranstalten. Mit Cricket, Musik, und der Unterstützung durch Flüchtlings-Initiativen und den MSV. Bald wollen die Tigers außerdem in den Liga-Betrieb einsteigen. Der wird in Sachsen gerade erst aufgebaut. Und dann hofft Ahmad Irshi, dass sie dazu beitragen können, ihre Sportart im Cricket-Entwicklungsland Deutschland populär zu machen.
"Cricket wächst und wächst. Wir hoffen, auch in Deutschland. Ich weiß nicht, welches Niveau wir hier erreichen können. Aber ich hoffe, dass vielleicht einige von uns später mal in der deutschen Nationalmannschaft spielen können."