Von hoffnungsvoll bis düster

Nach dem Tod der Sängerin Dolores O'Riordan veröffentlichen die "Cranberries" mit "In the End" ihr letztes Album. Die Musik pendelt zwischen Rock und Pop, Ruhe und Pathos. Auch die Stimme ihrer einstigen Frontfrau ist noch einmal zu hören.
In den neuen Songs der "Cranberries" ist sie zu hören, die charismatische, die ungewöhnliche Stimme von Dolores O'Riordan – so, als wäre nichts geschehen, so, als würde die Band ganz normal ihr 30-jähriges Bestehen feiern.
Aber was ist schon normal, wenn das wichtigste Mitglied einer Band mit 3,3 Promille Alkohol im Blut tot in der Badewanne gefunden wird – und das mitten in den Aufnahmen zu einem neuen Album?
Gitarrist Noel Hogan: "Die Songs waren noch im Demo-Stadium. Der nächste Schritt wäre gewesen, zu viert ins Studio zu gehen. Das hätte nach einer China-Reise passieren sollen. Dolores wollte das unbedingt machen. Und plötzlich hat uns dann diese Nachricht erreicht. Eine Nachricht, die überhaupt keinen Sinn ergeben hat."
Viele Hoch- und Tiefpunkte im Studio
Der 15. Januar 2018 war der schwärzeste Tag in der Geschichte der "Cranberries". Noel Hogan, der Gitarrist, sein Bruder Mike und der Schlagzeuger Fergal Lawler standen unter Schock. Was tun? Alles hinschmeißen? In der Trauer versinken? Nach drei Monaten Bedenkzeit, nach Rücksprache mit der Familie von Dolores O’Riordan, gingen die drei ins Studio, um aus den vorläufigen Demo-Versionen ein fertiges Album zu zimmern.
Noel Hogan: "Hätten wir ein Jahr oder länger gewartet, hätten wir die Sache vielleicht ganz bleiben lassen. Es gab viele Hoch- und Tiefpunkte im Studio. Etwa, als ich mir morgens den Kopfhörer aufgesetzt und die Stimme von Dolores gehört habe. Dann waren alle Erinnerungen präsent. Aber wenn dann ein paar Stunden vergangen waren, dann konnte ich mich mehr auf das Handwerk konzentrieren, auf die Songs an sich. Und das hat geholfen, dieser professionelle Blick auf die Musik."
Elf Songs finden sich auf "In The End". Und nichts an ihnen erinnert an Resteverwertung. Typische "Cranberries"-Lieder, die hin- und herpendeln zwischen Ruhe und Pathos, zwischen Pop und Rock, zwischen laut und leise, zwischen hoffnungsvoll und düster. Dolores O'Riordan singt über einfache und schwierige Themen, zum Beispiel, wie alleine sie sich fühlt, wie sehr sie ihre Kinder, die beim Ex-Mann leben, liebt und vermisst. Ein Song handelt von einer gewaltsamen Partnerschaft – die Sängerin, die als Kind missbraucht wurde, hatte mit diesen Werken eine Art Selbsttherapie betrieben – und in die Aufnahmen alles hineingelegt, was sie hatte.
Kein weiteres Album mehr
Noel Hogan: "Es ist nicht ungewöhnlich für uns, dass die finalen Versionen auch Teile der Demos enthalten. Einfach, weil Dolores oft das Gefühl, das die Demos transportierten, besser fand. Wir mussten auch gar nicht viel an ihrer Stimme herumschrauben. Auf ein paar Songs fehlten ein paar Backing Vocals. Davon abgesehen stammt der gesamte Gesang aus den Demoversionen.
"In The End". Ein Titel, den man auch als zynisch empfinden könnte. Aber so ist er nicht gemeint: Die drei verbliebenen "Cranberries" nehmen damit wirklich Abschied von ihrer Sängerin und Freundin. Es soll kein weiteres Album mehr geben, kein Graben in den Archiven, kein Ausschlachten von nicht veröffentlichten Songs, wie man es von Elvis Presley oder Tupac Shakur kennt, die heute noch, Jahrzehnte nach ihrem Tod, große Summen in die Taschen ihrer Erben spülen. Bassist Michael Hogan:
"Wir waren fast fertig mit den Aufnahmen. Der letzte Song auf dem Album heißt 'In The End'. Das war auch der Song, den wir als letztes aufgenommen haben. Der Titel fasst also viele Dinge gut zusammen, auch das hier: Das ist das Ende der 'Cranberries'."
(abr)