Coronatests für Großveranstaltungen

Spürhunde auf Virensuche

07:07 Minuten
Eine Beagle-Hündin steckt ihre Nase in einen weißen Kasten mit Coronaproben.
Nach nur sieben Tagen Training können Hunde Coronaviren riechen. © picture alliance / dpa / Peter Steffen
Von Werner Nording · 05.10.2021
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Hunde können Coronaviren riechen, und zwar vom ersten Tag der Infektion an. Das haben Forscher im Labor nachgewiesen. Eine Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover prüft jetzt, ob das auch unter Echtbedingungen funktioniert, etwa bei Konzerten.
Die Parkbühne in Hannover. Die Rockband "Fury in the Slaughterhouse" sorgt für gute Stimmung und die Spürhunde sorgen für Sicherheit. Wir sind noch mit einem blauen Auge durch die Pandemie gekommen, erzählt Gitarrist und Sänger Christoph Stein-Schneider. Für andere Künstler ging es gleich in Hartz IV. Deshalb hat Fury einen Teil seiner Gage für eine Pilotstudie gespendet. Damit wollen Wissenschaftler herausfinden, ob man mit Spürhunden Coronainfektionen auf Großveranstaltungen besser überprüfen kann als mit herkömmlichen Testmethoden.
"Die Kultur leidet ja schon sehr unter dieser ganzen Geschichte und je genauer man weiß, wer infiziert ist und wer nicht, je sicherer sind unsere Veranstaltungen. Und wenn ich richtig erfahren habe, ist es so, dass die Hunde Corona schon am ersten Tag riechen und nicht erst nach drei Tagen wie ein PCR-Test."
Speziell ausgebildete Hunde können nach nur sieben Tagen Training Coronaviren riechen. Das haben Forscher im Labor nachgewiesen. Jetzt wollen sie die Treffsicherheit der Spürnasen unter Realbedingungen testen und sehen, ob sie sich durch laute Musik, Pommesgeruch oder Zigarettenrauch ablenken lassen. Mit der Studie will der Leiter der Klinik für Kleintiere an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Holger Volk, herausfinden, ob die Spürhunde genauso gut oder vielleicht sogar besser sind als PCR- und Schnelltests:
"Wir sind die ersten, die wirklich die drei Testsysteme vergleichen bei einer Konzertveranstaltung auf der ganzen Welt. Wir haben so eine Schnüffelhundemaschine, da kann man innerhalb von eineinhalb Minuten 240 Proben abgerochen haben, wir haben aber auch ein Line-up, da schnüffeln sie im Prinzip immer eine Sekunde an einer Probe, dann gehen sie zur nächsten Probe. Das sind 40 in einer Reihe, das können die Hunde ganz locker in 20 bis 30 Minuten. Was wir uns erhoffen, ist, dass wir einen Unterschied machen, dass die Welt wieder ein bisschen offener und entspannter sein kann."

Wenn der Hund sich hinsetzt, ist die Probe positiv

Die Hunde warten in einem Transporter auf ihren Einsatz. Ihr Geruchssinn ist so außerordentlich, dass selbst die feinsten technischen Messmethoden nicht an ihn heranreichen.
Beim Schnüffeln kommen sie nicht in direkten Kontakt mit den Konzertbesuchern. Denn wenn ein Spürhund bei einer Testperson anschlägt, wäre die Person vor allen Umstehenden als coronainfiziert bloßgestellt. Das wollen die Forscher auf jeden Fall vermeiden. Deshalb muss jeder Besucher bei der Einlasskontrolle von sich selbst eine Schweißprobe nehmen, erzählt der Student Robert Fehlinger:
"Wir haben einen Wattepad bekommen, damit mussten wir von beiden Armbeugen einen Abstrich machen. Das ist wirklich innerhalb von ein paar Sekunden erledigt."
Helfer bringen die Proben dann zu den Spürhunden, die abgetrennt vom Eingangsbereich untergebracht sind. Wenn ein Hund sich vor einer Probe hinsetzt, ist das das Zeichen, dass er Coronaviren erkannt hat. Zur Sicherheit wird diese Probe dann einem zweiten Hund vorgehalten. Wenn auch der anschlägt und ein Schnell-PCR-Test ebenfalls positiv ist, wird der betroffenen Person der Zugang zum Konzert verweigert.
Zwei Personen in Schutzkleidung nehmen in einer Halle an Stehtischen Schweißprobenpads von Konzertbesuchern entgegen.
Jeder Besucher nimmt selbst von seinen Armbeugen eine Schweißprobe.© imago images / Future Image / U.Stamm
Bei vier Veranstaltungen kommen die Spürhunde zum Einsatz, Proben von mehr als 4000 Konzertbesuchern sollen sie insgesamt überprüfen. Auf die Ergebnisse des Forschungsprojekts "Back to Culture" wird nicht nur in Niedersachsen oder Deutschland gespannt gewartet, sondern weltweit, sagt der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler, der die Studie mit 1,3 Millionen Euro bezahlt.
Der Eintritt für alle Besucher ist frei, weil sie ihre Daten als Probanden für die Studie zur Verfügung stellen. Ein Vorteil der Spürhunde wird schon jetzt deutlich: Sie sind viel billiger als andere Testverfahren. Ein PCR-Test kostet die Krankenkassen 39,40 Euro, ein Test durch die Schnüffelhunde kostet dagegen nur einen Euro.

Keine Chance für Testfälscher

Die Spürhunde seien außerdem schneller und sicherer, sagt Wissenschaftsminister Björn Thümler. Denn die Hundenasen könnten Corona schon erschnüffeln, wenn PCR-Tests die Viren noch nicht erkennen. Außerdem seien die Hunde weniger anfällig für Täuschungsmanöver:
"Dieses Forschungsprojekt soll dem entgegenwirken, damit es eben nicht dazu kommt, dass sich jemand heimlich einschleicht, weil er möglicherweise seinen Impfpass gefälscht hat – was ich sowieso völlig unerträglich finde – oder eben einen gefakten Test mitbringt und sich damit einen Zutritt verschafft, das soll über diese Methode ausgeschlossen werden."
Das Zwischenfazit der Forscher ist ermutigend: Die Hunde haben gut gearbeitet und all jene positiven Proben erkannt, die die Forscher den Hunden zur Kontrolle vorgehalten haben. Bis November soll die Studie ausgewertet werden. Dann, so hoffen viele Besucher, könnten die lästigen PCR-Tests schon bald durch die Armbeugenschweißproben ersetzt werden.

In Frankreich werden Hunde schon in Kitas eingesetzt

Die Spürhunde könnten dann nicht nur bei Großveranstaltungen zum Einsatz kommen, sondern auch in Altenheimen, Schulen oder Kindertagesstätten, meint Angela Bönker aus Barsinghausen bei Hannover:
"Ich kenne das aus Finnland, dass da an Flughäfen schon Coronahunde eingesetzt werden und fand das interessant, dass das auch hier so langsam losgehen könnte. Ich arbeite selbst im medizinischen Bereich als Krankenschwester und deswegen bin ich dafür, so was zu unterstützen."
Professor Volk von der Tierärztlichen Hochschule Hannover hat Kontakt zu Forschern aus aller Welt. Auch die Weltgesundheitsorganisation ist an dem Projekt interessiert. In Frankreich werden die Spürhunde schon in Kindertagesstätten eingesetzt.
"Auch da wird erst eine Probe genommen, der Hund schnüffelt daran. Das kann man sich auch gut vorstellen, wenn ich jetzt eine Kindertagesstätte hätte, vier, fünf Gruppen, da nehme ich mal kurz eine Sammelprobe von diesen Individuen und dann kann ich einmal den Hund an dieser Sammelprobe schnüffeln lassen und wenn einer davon positiv sein sollte, dann kann man dann die Einzelproben nehmen."

Dank Spürhunden bald coronasichere Großveranstaltungen?

Auch für die Musiker wäre es eine Riesenerleichterung, wenn ihre Konzerte mit Hilfe der Hunde sicherer würden. Fury-Schlagzeuger Rainer Schumann hofft, dass sich der Konzertbetrieb dann wieder normalisiert:
"Für uns ist es total wichtig, dass wir wieder live spielen können. Dafür treten wir an, wir sind eine Liveband mit Leib und Seele, um unter 'normalen' Bedingungen wieder live spielen zu können und dabei geht es nicht nur um uns, sondern auch um die Crew, um die Stagehands, um die ganzen Leute drum herum, die sich um alles kümmern und das möglich machen. Dafür ist das ganz, ganz wichtig."