Coronaregeln und ihre Akzeptanz

Die Gurtpflicht der 70er-Jahre hält Lektionen bereit

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Wilfried Dietrich und Rudolf Mang sitzen auf der Bühne angeschnallt in Autositzen.
Auch die Gurtpflicht benötigte einst viel Überzeugungsarbeit, wie jetzt die Masken- und Testpflicht. Für mehr Verkehrssicherheit mit Sicherheitsgurten setzten sich damals der prominente Ringer Wilfried Dietrich (re.) und Gewichtheber Rudolf Mang ein. © Imago / WEREK
Michael Wrase im Gespräch mit Axel Rahmlow  · 08.08.2020
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Das Leben mit Corona bringt neue Regeln mit sich – ab heute die Testpflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten. Der Jurist Michael Wrase erinnert daran, dass auch die Gurtpflicht im Auto anfangs schwer durchsetzbar erschien.
Für Urlauber aus Corona-Risikogebieten gilt ab heute eine Testpflicht. Grundsätzlich muss sich jede Person, die sich in den letzten 14 Tagen vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in einem ausländischen Risikogebiet aufgehalten hat, auf das Coronavirus testen lassen. Das gilt auch für Kinder. Das Robert Koch-Institut listet auf, welche Staaten und Regionen aktuell als Risikogebiete gelten.

Angst vor Strafe hilft beim Einhalten von Regeln

Durch die Berichterstattung sei diese Testpflicht jetzt den meisten Rückkehrern bekannt, sagt der Jurist Michael Wrase. "Die Frage ist natürlich immer, wie ernst nehmen die Leute das?" Der Mensch sei ein "Verhaltenstier", das sich sehr stark daran orientiere, was andere Leute täten. Als Beispiel nennt Wrase Studien darüber, wie sich Autofahrer bei einen Stoppschild verhielten. Wenn ein Autofahrer sehe, dass da alle anderen durchführen, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass er das auch mache. Angst vor Strafe trage dagegen dazu bei, dass sich Menschen an Regeln hielten, sagt der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hildesheim.
Wenn eine Maskenpflicht nur als Appell verstanden werde und ohne Folgen bleibe, versuchten Leute sich manchmal dabei rauszureden, so Wrase. "Wenn ich allerdings weiß, das wird durchgesetzt, da gibt es Bußgelder, da ist eine andere Befolgungswahrscheinlichkeit – das ist in vielen Studien auch nachgewiesen." Dann halte man sich eher daran.

Erfahrungen mit der Gurtpflicht

Als interessanten Fall wertete Wrase, wie sich die Gurtpflicht in Deutschland entwickelt hat. Sie sei zu Beginn vehement abgelehnt worden. "Nicht nur von der "Autolobby, sondern auch von vielen Autofahrern, die gesagt haben, das greift in meine Freiheit ein, ich lass mich doch nicht einschnüren im Auto, das will ich auf gar keinen Fall."
Noch in den 1970er-Jahren sei die Gurtpflicht hochumstritten gewesen. Dabei habe es schon damals die wissenschaftlichen Ergebnisse gegeben, dass gerade bei größeren Unfällen das Verletzungsrisiko mit einem Gurt erheblich sinke. Damals habe es auch zunächst Öffentlichkeitskampagnen gegeben, dann musste in jedem Auto ein Sicherheitsgurt angebracht werden.
Zunächst hätten sich dann 50 bis 60 Prozent der Leute angeschnallt, sagt Wrase. Nach der Gurtpflicht sei das nochmal auf 70 Prozent gestiegen. Aber erst nach der Einführung von Bußgeldern und Kontrollen habe es einen Schwung gegeben, der dazu geführt habe, dass sich rund 90 Prozent der Autofahrer anschnallten und es heute zur Gewohnheit gehöre.

Gericht prüfen Verhältnismäßigkeit

Bei der Maskenpflicht sei die Verhältnismäßigkeit eine ganz schwierige Frage, sagt der Jurist. Einerseits seien einfache, klare Regeln wichtig, aber es müsse eine gute Abwägung geben. Hier seien die Gerichte immer wieder tätig geworden. Wrase erinnert daran, dass zu Beginn der Pandemie die Verkaufsfläche in einigen Geschäften beschränkt worden sei. Das hätten Gerichte aufgehoben. "Da gibt es jetzt schon ganz viel Rechtsprechung, wo sich das die Richter im Einzelnen angeschaut haben."
(gem)
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