Coronakrise

Neue Einkaufsroutinen verändern die Kauflandschaft

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Kunden mit Mundschutz stehen dicht hintereinander in einer Schlange vor einer Filiale eines Textilhandelsunternehmens auf der Einkaufsmeile Zeil in Frankfurt am Main, aufgenommen im Mai 2020.
Einkaufen in Coronazeiten auf der Zeil - der wichtigsten Einkaufsstraße in Frankfurt am Main. © picture alliance/Arne Dedert/dpa
Von Ludger Fittkau · 30.06.2020
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Corona wird das Einkaufsverhalten massiv verändern. Routinen sind in der Krise durcheinander geraten. Homeoffice wirkt sich auf die Bedürfnisse aus. Die Angst vor Jobverlust führt zu Konsumzurückhaltung. Die Zukunft des Einzelhandels ist ungewiss.
Straßenmusikanten auf der Zeil, der wichtigsten Einkaufsstraße in Frankfurt am Main. Bei sonnigem und warmem Wetter herrscht hier ein Trubel, der die Coronakrise fast vergessen lassen könnte. Wenn jetzt noch die Mehrwertsteuersenkung greift und in den nächsten Wochen eine Rabattschlacht beginnt, könnte die Kauflust wachsen, glauben manche Passanten.
"Ja, ich denke eigentlich schon, dass da mehr einkaufen würden."
"Es wird viele Leute schon dazu bewegen."
"Bei größeren Einkäufen wird das schon prozentual was bringen, aber es wird viele Leute schon dazu bewegen."
Zu mehr Konsum nämlich. Andere sind skeptischer und vermuten, dass die Konsumfreude gebremst bleibt – trotz weniger Mehrwertsteuer.
"Ich glaube nicht. Ich glaube, es macht nicht so einen großen Unterschied."
"Es ist viel zu warm und zu voll, dann passt das nicht immer."
Tatsächlich spielen Temperaturen bei der Kauflaune eine entscheidende Rolle. Nach Untersuchungen der Gesellschaft für Konsumforschung macht jeder zweite Deutsche einen Einkauf vom Wetter abhängig. Im Einzelhandel steigt der Umsatz im Sommer eigentlich an.

Die Pandemie verändert die Kaufgewohnheiten

Doch die Pandemie verändere die Kaufgewohnheiten, sagt der Wirtschaftspsychologe Florian Bauer von der TU München. Die klassischen "Einkaufsroutinen", wie man sie kannte, hätten einfach nicht mehr so gegriffen, so Bauer.
Ein Punkt, der auch Joachim Stoll von der Industrie- und Handelskammer Frankfurt beschäftigt. Wie etwa verändert das Homeoffice aufgrund der Coronakrise den öffentlichen Raum auf Dauer?
"Wir können es auch schwer einschätzen. Werden wir 20, 30 Prozent aller Pendler von Frankfurt nicht mehr haben, weil sie zu Hause arbeiten, zwei, drei Tage die Woche? Brauchen wir die U-Bahn und Züge gar nicht mehr? Wird es keine Autostaus mehr geben?", fragt sich Stoll.
"Was passiert mit den geplanten neuen Büroflächen? Brauchen wir noch so viel Handel, wenn die Leute gar nicht mehr in die Stadt kommen? Oder brauchen wir den Handel plötzlich da, wo sie wohnen? Oder lassen sie sich alles schicken? Wird es zurückgehen?"

Wirtschaftspsychologe prognostiziert "Kaufkraftkrise"

Der Wirtschaftspsychologe Florian Bauer sieht neben der vielleicht nachhaltigen Verschiebung der "Einkaufsroutinen" eine weitere Veränderungsstufe. Er prognostiziert eine "Kaufkraftkrise", weil Steuererleichterungen und Rettungspakete bezahlt werden müssen.
Die dritte Krisenstufe habe mit den Margen der Unternehmen zu tun. Wenn sie zu hohe Rabatte geben, könnte auf Dauer die wirtschaftliche Tragfähigkeit etwa von Handelsunternehmen leiden.
"Handel in Deutschland ist wettbewerbsintensiv. Das heißt nur ganz wenige haben wirklich ein Speckpolster, wo man sagt: Lass uns mal zwei Jahre sitzen und uns das angucken. Das geht in irgendwelchen Nischen. Aber auf die große Breite gesehen funktioniert es nicht", bestätigt Joachim Stoll von der IHK diesen Befund.
"Und das heißt: Im Herbst, im Winter sind die Polster weg. Und wenn man so in internen Zoom-Konferenzen mit Händlern und auch anderen Unternehmern zuhört und anonyme Umfragen macht, wie lange halten sie noch durch, dann ist das ganz schön erschreckend."

Kunden die Konsumängste nehmen

Stoll betreibt selbst ein Ledergeschäft in der Frankfurter Innenstadt. Es habe ihn gefreut, dass kurz nach der Wiedereröffnung der Läden öfter nach nachhaltigen Produkten gefragt worden sei. Doch der Händler glaubt nicht, dass dies von Dauer ist.
"Wenn wir jetzt Angst um die Arbeitsplätze bekommen, wenn wir Betriebsschließung bekommen, wenn wir merken mit Kurzarbeit haben wir weniger Geld auf dem Konto. Da besteht schon eine große Gefahr, dass wir wieder sagen: Nee, lieber dreimal Fleisch, aber für 1,19. Das Geld müssen wir zusammenhalten."
Eine grundlegende Konsumzurückhaltung könnte in der Tat durch Angst vor einem Arbeitsplatzverlust wegen der Coronakrise motiviert sein, sagt auch Florian Bauer.
Um Kunden Konsumängste zu nehmen, erinnert er an die Idee eines Autokonzerns während der Bankenkrise vor gut einem Jahrzehnt. Dieses Unternehmen hatte potenziellen Käufern angeboten, dass sie ihr Fahrzeug zurückgeben könnten, wenn sie ihren Job aufgrund der Krise verlieren. Damit habe sich der Hersteller psychologisch geschickt auf die Konsumenten eingestellt, so Bauer. Ein Beispiel, das auch in der Coronakrise sinnvoll sein könne.

Einzelhandel leidet massiv

Auch wenn die Frankfurter Fußgängerzone so wirkt wie vor der Coronazeit: Joachim Stoll von der Industrie- und Handelskammer sagt, dass der Einzelhandel immer noch massiv leide. "Ja sicher, wenn man es gerade auf den Handel bezieht: Verkäufer mit Masken, die Schlangen vor einigen Einzelhandelsgeschäften. Das ist jetzt nicht das, was zu einer netten Einkaufsatmosphäre führt."
Und damit werde man ja auch in den nächsten Monaten noch leben müssen. Das werde die Städte zwar nicht zerstören. Doch wie die Einkaufsstraßen in der Post-Coronazeit - in einigen Jahren etwa - aussehen werden, wisse heute noch niemand. Straßenmusik, das ist zu hoffen, wird es aber auch in Zukunft geben.
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