Corona und Verschwörungsgläubige

Die Vertreibung aus der Yoga-Bubble

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Polizisten fordern eine meditierende Frau während einer sogenannten Hygienedemo vor dem Reichstagsgebäude in Berlin auf, den Platz zu verlassen.
Protest vor dem Reichstagsgebäude: Bei "Hygienedemos" sind auch Menschen mit Hang zur Esoterik zu finden. © imago images / IPON / Stefan Boness
Von Marianne Allweiss · 06.12.2020
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Statt Achtsamkeit und Namaste ist in der deutschen Yogaszene mit Beginn der Corona-Pandemie auch immer häufiger von gefährlichen Kondensstreifen am Himmel und anderen Verschwörungserzählungen zu hören. Das hat mehrere Gründe.
Eigentlich ist Sarah Kitsune nur auf der Suche nach Informationen über eine Yoga-Ausbildung. Doch was sie dabei auf Facebook in Yoga-Gruppen liest, erschreckt sie: Theorien über gefährliche Kondensstreifen am Himmel, gegen die Aluhüte helfen sollen und – seit dem Beginn der Corona-Pandemie – Verschwörungserzählungen von QAnon aus den USA, einer Bewegung mit gewaltbereiten, antisemitischen und rechtsradikalen Elementen. Überrascht ist sie davon allerdings nicht: "Ich denke einfach, die Yoga-Szene ist sehr anfällig für so was."

Corona und die Yoga-Bubble

Viele Menschen landen laut der Psychologiestudentin in Lebenskrisen beim Yoga und seien daher offener für Manipulationen. Corona habe die Hemmschwelle weiter sinken und die gemütliche Yoga-Bubble platzen lassen. In dieser Blase tritt das Musikerpaar Janin Devi und André Maris bis zum ersten Lockdown im Frühjahr auf. Im Mai erscheint ihr Song "Wach" mit einem Video, in dem zahlreiche Yogalehrende mitwirken.
"Was ist mit Grundrecht, Freiheit, Diskurs? Warum werden Wissenschaftler nicht gehört? Sie haben sich bereits öffentlich empört. Doch die ganze Welt wird gestoppt, Millionen von Menschen zutiefst geschockt."


Geschockt sind aber auch viele Yogalehrende, von diesem Lied und von ähnlichen Äußerungen in der Szene über einen angeblichen Impfzwang, Bill Gates oder eine "gefährliche Establishment-Presse". Die besingen Devi und Maris in einem anderen Song. Ein Gesprächsangebot lehnen sie ab, die Öffentlichkeit suchen sie bei Veranstaltungen der Initiative Querdenken. Der Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland, BDY, spricht von einer kontroversen Diskussion in der Yoga-Welt.
"Wir bekommen sehr viele Zuschriften von Mitgliedern, die uns gegenüber klar äußern, dass sie mit großer Sorge beobachten, wie ein geringer Teil der Yogalehrenden sich Verschwörungstheorien annähert oder auch auf Demonstrationen geht."

Solo-Selbstständige besonders von Corona betroffen

Einen Grund für diese Entwicklung sieht BDY-Geschäftsführerin Friederike von Schwanenflug darin, dass Yogalehrende durch die Anti-Corona-Maßnahmen besonders betroffen seien. Sie würden an der Ausübung ihres Berufs gehindert und erhielten oft als Solo-Selbstständige kaum Hilfsangebote.
Der Berufsverband fordert daher, Yogalehrende als gesundheitsrelevante Berufsgruppe einzuordnen und wenigstens Präventionsunterricht zu erlauben. Debatten über einzelne Maßnahmen begrüßt der Verein, in einem Statement im September distanziert er sich aber von jeglicher Verharmlosung des Coronavirus sowie von Verschwörungsideen und bekennt sich zum Grundgesetz.
Am selben Tag startet die größte deutschsprachige Plattform für Online-Yoga-Kurse die Initiative "Yoga für Demokratie" gemeinsam mit bekannten Lehrerinnen und Lehrern verschiedener Richtungen. YogaEasy-Geschäftsführerin Henrike Fröchling hat diesen Aufruf angestoßen, als sie sah, wie sehr Querdenken von rechten Gruppen geprägt werde und als einzelne Yogalehrende zur Reichsbürgerszene übergelaufen seien. Das Teilen von Verschwörungstheorien sei noch lange nicht rechts, seit vier Jahren schaue sie aber voller Sorge in die USA.
"Ich sehe unsere Demokratie ganz konkret in Gefahr, wenn man ganz generell Politiker verunglimpft, Medien als Mainstreammedien oder sogar Lügenpresse bezeichnet – das ist alles in der Yogaszene verbreitet worden –, wenn man die Wissenschaft komplett ablehnt und leugnet."
Viele Yogis seien es gewohnt, den Mainstream infrage zu stellen und an eine "unwissenschaftliche" Spiritualität zu glauben. Von hartnäckigen Wissenschaftsleugnern will sich YogaEasy aber trennen – eine Entscheidung, die Fröchling schwergefallen ist und die ihr, neben viel Zustimmung, auch den Vorwurf einbringt, Yoga zu politisieren und zu spalten.

Verbindung zur "braunen" Esoterik

Der Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Kirche Westfalen, Andreas Hahn, sieht einen Zusammenhang zwischen Verschwörungsmentalität, alternativen Heilmethoden und der Yoga-Szene über das Bindeglied Esoterik. Ihn beschäftigt besonders ein wachsender rechter Rand: Eine "braune" Esoterik mit Wurzeln im 19. Jahrhundert, als Yoga über Philosophen, aber auch über Lebensreformer, Spiritisten und Okkultisten nach Deutschland kam.
"Da ist eine offene Flanke in der gesamten Esoterik, gegen die sie sich nicht abgrenzen können, abgrenzen wollen vielleicht auch. Da ist die ganze Yogabewegung einfach mit hineingenommen. Und es bleibt abzuwarten, ob da eine gute Abgrenzung möglich ist."
Die Yogaschülerin Sarah Kitsune wünscht sich noch offenere Diskussionen. Eine Zeit lang managt sie die verschwörungskritische Facebook-Gruppe "Yoga ohne Aluhut" und engagiert sich in der Internet-Initiative "Shantifa – Yogi:nis gegen Rechts", angelehnt an das Sanskrit-Wort Shanti – Frieden, bis ihr Anfeindungen im Netz zu viel werden. Sie sieht vor allem die großen Player der Yogawelt in der Verantwortung:
"Nach der Distanzierung von YogaEasy ist nur wenige Tage später das singende Querdenker-Pärchen bei Yoga Vidya aufgetreten. Und Sukadev, der Leiter der Schule, hat diese Distanzierung ja mitunterschrieben. Da muss viel mehr passieren. Nicht nur Worte, auch Taten."
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