Corona gefährdet Spitzensport

Kein Grund zum Jubeln

23:47 Minuten
Szene aus dem Basketball-Bundesliga-Spiel Alba Berlin gegen medi Bayreuth am 12.02.2021 vor leeren Rängen. Alba-Spieler Maodo Lô wirft auf den Korb.
Nicht nur die Fans fehlen - die Corona-Pandemie ist für viele Profi-Vereine nicht nur im Basketball eine harte Zeit. © imago images / camera4+
Von Wolf-Sören Treusch · 21.02.2021
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Einige Folgen von Corona im Spitzensport sind offensichtlich: kein Publikum, weniger Stimmung - und weniger Einnahmen. Doch für Vereine kann die Krise sogar existenzbedrohend werden. Betroffene aus verschiedenen Sportarten über Nöte und Strategien.
Februar 2020. Alba Berlin gewinnt das Basketball-Pokalfinale gegen Oldenburg klar und deutlich mit 89 zu 67. Für Alba ist es der erste Titel seit Langem. Entsprechend frenetisch feiern 14.600 Zuschauer in der Halle den Erfolg und ihre Mannschaft.
Die wild zusammengeschnittenen Jubelbilder vom Pokalsieg Albas, die auf dem Videokanal Youtube zu sehen sind, wirken wie ein Dokument aus längst vergangenen Zeiten. Die Mannschaft ausgelassen feiernd, inmitten ihrer Fans: Wird es so etwas jemals wieder geben?
Januar 2021. Monika Metze misst Fieber. Ein Jahr nach dem Pokalerfolg trifft Alba Berlin in derselben Halle auf Rasta Vechta. Nur wenige Medienvertreter und Vereinsangestellte dürfen hinein. Bundesliga-Alltag in Zeiten der Pandemie. Monika "Moni" Metze ist Vorsitzende des Fanklubs Alba-Tross. Sie achtet darauf, dass die Besucherinnen und Besucher fieberfrei sind und eine FFP2-Maske tragen. Hat sie ihren Job am Einlass erledigt, darf auch sie in die Halle. Ein komisches Gefühl, findet sie:
"Spooky, eine leere Halle, wo 14.500 Leute reinpassen, und dann das Wissen: Die anderen sitzen zu Hause und dürfen nicht hier rein, das tut irgendwo sehr weh. Man möchte diese Halle voll haben, man möchte nicht so die Halle erleben und das Spiel gucken, das ist nicht die Art, wie wir Basketball gucken. Da muss Stimmung sein, da muss Krach sein, und nicht so: Man sitzt da und hält sich doch sehr zurück, weil man in dieser Halle alles hört."

Meister ohne Feier

Das Spiel beginnt. Auf der einen Seite Rasta Vechta, das Überraschungsteam der vergangenen Jahre, das in dieser Saison gegen den Abstieg kämpft. Auf der anderen Seite Alba Berlin, der amtierende deutsche Meister, der den Titel im vergangenen Sommer beim Finalturnier in München gewann. Unter strengen Hygienevorschriften und schon damals ohne Zuschauer.
"Ganz böse, ja, die Bubble in München, es ist jetzt meine zehnte Saison, es war meine erste Meisterschaft. Und die konnte nicht gefeiert werden. Ja, man konnte sich nicht wirklich als Meister fühlen. Das war irgendwie so das, wo ich immer gesagt habe: ‚Ich möchte endlich mal die Meisterschaft feiern. Jetzt sind wir Meister, und wir konnten es nicht mal feiern‘. Wenigstens konnten wir Gott sei Dank noch den Pokalsieg feiern, aber Meisterschaft: Da hat mich Corona drum gebracht."
Gemeinsam mit einer Freundin aus dem Fanklub, die am Einlass geholfen hat, sitzt Moni Metze nun auf der Tribüne in der riesigen menschenleeren Mehrzweckarena. Zwischen ihnen der geforderte Mindestabstand. Was ihr am meisten fehle? Die Nähe, sagt sie:
"Ja, der zwischenmenschliche Kontakt auf alle Fälle, weil: Für mich ist es auch wirklich mit sehr vielen Fans meine Alba-Familie, die man jetzt ja wirklich gar nicht sieht, schön, dass man voneinander hört, aber dieses sehen und sich mal in den Arm nehmen, wenn es einem Mal nicht gut geht, das fehlt schon wahnsinnig. Ist eigentlich das Schlimmste an der ganzen Geschichte."

"Es ist Job und auch Leidenschaft"

Monis Mannschaft tut sich schwer gegen Vechta. Einer der Pressekollegen raunt, so schlecht habe er Alba seit Jahren nicht mehr spielen sehen. Kein Wunder: Es ist das dritte Spiel innerhalb von fünf Tagen.
"Ja, ja klar, man ist müde, wenn man so viel spielt, ist man müde. Auf jeden Fall."
Spielmacher Maodo Lô steht die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben. Zu den negativen Begleiterscheinungen der Pandemie gehört, dass der Spielplan unglaublich eng getaktet ist – auch im Basketball. Wegen mehrerer Coronafälle musste das Team im Oktober 2020 komplett in Quarantäne, jetzt werden die Spiele nachgeholt. Maodo Lô gehört zu den Spielern, die sich mit Covid-19 angesteckt hatten.
"Ich habe es gehabt, war ziemlich angeschlagen, drei Wochen lang im Bett, dann direkt ohne Training in die BBL-Spiele gegangen, klar werde ich wahrscheinlich davon noch was spüren, andere Spieler auch, denen es ähnlich ergangen ist, aber was soll man machen? Das ist die Saison. Es ist Job und auch Leidenschaft. Also meine jedenfalls."

Das Einhalten der Corona-Maßnahmen kostet

"Dieses Programm ist mörderisch, sagt Alba-Manager Marco Baldi. "Ich will das gar nicht beklagen, wir sind froh, dass wir spielen können, aber das Programm ist hart. Wirklich hart."
68 Spiele in Bundesliga und Euroleague, dazu noch die möglichen Play-offs: Alba-Manager Marco Baldi weiß um die enorme Belastung seiner Spieler. Die vielen Reisen und die sich ständig ändernden Hygienevorschriften tun ein Übriges. Wöchentlich erhält er ein Corona-Update.
Marco Baldi, Manager von Alba Berlin, sitzt mit Mundschutz am Spielfeldrand.
Imagegewinn durch couragierte Auftritte auf internationalem Parkett: Alba Berlin mit seinem Manager Marco Baldi© imago images / Bernd König
"Das sind keine Vorschläge, das sind Verpflichtungen. Das wird sehr genau auch kontrolliert. Zum Beispiel mp3-Masken, nee, wie heißen die: FFP, mp3 war wieder was anderes, FFP-Masken wurden jetzt zum Beispiel in der BBL … in der Euroleague waren die schon Pflicht, die wurden jetzt auch in der BBL Pflicht. Das ist hier alles nach Zonen eingeteilt. Das ist Zone 1, das ist Zone 0. Ich darf zum Beispiel nicht auf Zone 0, wenn ich in Zone 0 will, muss ich die Woche drei Mal getestet werden. Da könnte ich jetzt stundenlang drüber erzählen, das ist so ein Buch mittlerweile, und es wird immer upgedatet."
Der Manager registriert den Imagegewinn, den Alba mit seinen couragierten Auftritten auf internationalem Parkett erzielt. Auch deshalb achtet er peinlichst genau darauf, dass alle die Hygieneregeln einhalten.
"Ja, das kostet auch ein bisschen was, und die Einnahmen stehen natürlich dagegen nicht, und das ist das andere Problem, was die Krise auch noch mit sich bringt, natürlich nicht nur bei uns, aber eben auch bei uns."

Staatliche Gelder helfen beim Überleben

Für die Profiklubs in den Hallensportarten gibt es einen Silberstreif am Horizont: die staatlichen Hilfsgelder. Deshalb kommen die Albatrosse ohne Zuschauereinnahmen über die Runden. Noch. Aus dem Bundesprogramm "Coronahilfe für den Profisport" erhielt jeder Bundesliga-Klub für das Jahr 2020 maximal 800.000 Euro, Alba zudem 400.000 Euro vom Berliner Senat. Vertreter der Basketball-Bundesliga schätzen, die Hilfsgelder vom Bund für die 18 Klubs belaufen sich insgesamt auf etwa 12 Millionen Euro. 25 Millionen Euro, also etwa das Doppelte, erlösen die Klubs aber durch den Ticketverkauf in einer regulären Saison. Daher beschloss der Bund, die Coronahilfe für den Profisport bis Juni 2021 zu verlängern. Neue Anträge können die Klub-Verantwortlichen ab März stellen.
"Im Moment ist da keine Notwendigkeit, aber ich will nicht ausschließen, dass da vielleicht noch das eine oder andere kommt. Man muss ja auch damit rechnen, dass Rückforderungen kommen, wenn man zu viel Geld beantragt hat", sagt Stefan Niemeyer, der Geschäftsführer von Rasta Vechta. Auch wenn sein Klub in Abstiegsgefahr schwebt, kalkuliert er konservativ. Trotz der sportlich heiklen Situation will er niemanden mehr nachverpflichten:
"Für uns ist die Saison, was das Finanzielle angeht, mehr als safe. Dass uns das jetzt, wenn wir Pech haben, sportlich ein Nachteil werden kann, okay, das ist so. Für uns ist es kein Beinbruch, wenn man dann mal auch wieder runter muss. Ich sage immer den Leuten, wenn sie dann sagen ‚Och, steigen wir dieses Jahr ab?‘, dann sage ich immer: ‚Aber ihr wisst doch, wie toll aufsteigen ist‘."

Nicht nur finanzielle Folgen der Krise

Stefan Niemeyer hat den selbst ernannten "geilsten Klub der Welt" in den 1990er-Jahren mit aufgebaut, es ist sozusagen sein Baby. Die schwierige Saison im Profisport zu überstehen, ist das eine, sagt er. Als Gesamtverein langfristig zu überleben, das andere.
Geschäftsführer Stefan Niemeyer vom SC Rasta Vechta in einem orangefarbenen Polohemd. Im Hintergrund sind Zuschauerränge mit Menschen zu sehen.
Stefan Niemeyer, Geschäftsführer des SC Rasta Vechta, blickt besorgt in die Zukunft.© picture alliance / Eibner-Pressefoto / Frank Wenzel
"Viel schlimmer ist, dass wir im Moment einen kompletten Jahrgang verlieren, den wir als Neumitglieder dazubekommen. Und das hat das immer mehr als kompensiert. Rasta Vechta ist eigentlich ein Verein, der die letzten Jahre stetig gewachsen ist und schon einen Mitgliederstamm von 800 Mitgliedern hat, und da sehen wir schon die Gefahr, dass wir zumindest einen Teil verlieren werden, und eben auch eine ganze Generation an Talenten ist weg, und es wird eine große Aufgabe sein, diese nach Corona trotzdem irgendwie ins Boot zu holen."
Klubs wie Rasta Vechta wollen keine Schulden machen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Das sei eher unüblich, sagt der Sportökonom Daniel Weimar von der Mercator School of Management an der Universität Duisburg-Essen:
"Das wird auch immer falsch verstanden in dieser Diskussion über Sportklubs, dass, wenn man eng finanziert, dass das falsch ist oder unprofessionell. Dieser relative Wettbewerb erfordert dies aus meiner Sicht. In der 1. Liga Basketball, Handball, 3. Liga Fußball: Wer spart, fliegt, kann man so ganz salopp sagen. Denn jeder gesparte Euro fehlt im Kader, das macht dann der Konkurrent eben nicht, es gibt also die Anreize, immer über zu investieren, gerade, wenn es um den Abstieg geht."

Insolvenz im Sport nicht automatisch das Ende

Sobald die Einnahmen aus dem Spielbetrieb jedoch fehlen, wie es aktuell wegen Corona der Fall ist, kämpfen viele Profiklubs in den Hallensportarten um ihre Existenz. Pleiten sind möglich, sagt der Sportökonom, müssen aber nicht das Ende aller Ambitionen bedeuten:
"Ja, man kann es tatsächlich so sagen, dass die Insolvenz für Sportklubs kein Exitus ist und eigentlich kein Worst Case ist, denn es ermöglicht die Restrukturierung, es können Verträge aufgelöst werden, es können langfristige Verpflichtungen gelöst werden, es schafft schon Optionen, dass man sich helfen kann. Und das liegt ganz einfach daran, dass es diesen besonderen Umstand im Sport gibt, dass ein Folgeklub gegründet werden kann, der das Spielrecht übernimmt. Und dass es immer eine positive Zukunftsprognose gibt, weil die Liga ja weiter existiert. Der Markt ist da."
Ausdrücklich wegen Corona musste bisher noch kein Klub in Deutschland Insolvenz anmelden. Bob Hanning, Geschäftsführer des Handball-Bundesligisten Füchse Berlin, deutete im Fernsehsender Sky an, dass sein Klub im Frühjahr 2020 aber kurz davorstand.
"Als der Lockdown uns getroffen hat, haben wir sehr, sehr früh ein Worst-Case-Szenario gemacht: Was kommt an Sponsorenleistungen rein? Was verlieren wir da? Was verlieren wir an Zuschauerleistungen? Und jetzt muss ich ganz ehrlich sagen, und ich bin wirklich ein sehr, sehr konservativer Kaufmann. Mein Worst-Case-Szenario war noch mal 500.000 Euro zu gut gerechnet."

Wichtige Leuchtturmfunktion der Vereine

Nachfrage heute: War es wirklich so knapp? Der Füchse-Manager lächelt. Wenn man ein Unternehmen führe, sagt er, sei es professionell, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Dazu gehörte damals auch das Gespräch mit dem Insolvenzverwalter.
"Eine Möglichkeit war die Insolvenz, die andere Möglichkeit war zu sagen: Wir beantragen keine Lizenz mehr für die 1. Liga – mit der Konsequenz, dass alle Verträge hinfällig sind, und die dritte Lösung war: Wir schaffen das, indem wir alle Kräfte bündeln, und hatten dann das große Glück, das wir eine Familie sind."
Eine Familie, in der alle zusammenhalten, schwärmt Bob Hanning. Die Inhaber von Dauerkarten ebenso wie die Sponsoren. Beide verzichteten auf Rückzahlungen für entgangene Leistungen. Alle Sponsoren versicherten, den Klub auch weiterhin zu unterstützen. Die Spieler stimmten Gehaltskürzungen zu, und schließlich flossen Unterstützungsgelder vom Bund und vom Land Berlin in Höhe von 1,2 Millionen Euro in die Kasse der Füchse. Eine vernünftige Basis, um weiterzumachen, so der Manager:
"Es ist halt für die Stadt, aber auch für die Gesellschaft wichtig, dass wir diese Hilfen kriegen. Wir sind die Leuchttürme in der Stadt für unsere Sportarten. Wir sorgen dafür, dass Kinder Sport treiben. Wenn du sagst: Die Füchse Berlin sind durch den TuS Hermsdorf zu ersetzen, oder die Eisbären sind durch Preußen zu ersetzen, oder Alba ist durch TuSLi zu ersetzen, ich könnte das jetzt fortsetzen mit Volleyball, mit allem. Wir sind dann mal weg. Und wenn es uns nicht mehr gibt, wird es nicht die Vereine geben, die als Leuchttürme in diesem Sport arbeiten."

Eishockeyklubs haben hohe Kosten

Besonders dramatisch entwickelte sich die Situation in der Deutschen Eishockey-Liga. Kaum war der erste Lockdown im März 2020 verkündet, brach die DEL den sonst so stimmungsvollen Spielbetrieb ab und beendete die Saison, ohne einen Meister zu küren.
Es folgten Monate der Unsicherheit, des Abwartens, der Kurzarbeit. Und die verzweifelte Suche nach Lösungen, unter welchen Bedingungen wieder professionell Eishockey gespielt werden könnte. Der Betrieb einer Eissporthalle, die Gehälter eines großen Spielerkaders: Ohne Zuschauereinnahmen sei dieser Kostenapparat viel zu hoch, meint im Herbst 2020 Philipp Walter, Geschäftsführer der Kölner Haie.
"Wir haben eine unfassbar große Fallhöhe hier bei den Kölner Haien, wir hatten in der letzten Saison den höchsten Zuschauerschnitt aller Vereine in Deutschland, waren in den Top 5 von Europa mit über 13.000 Zuschauern, und wenn du von 13.000 Zuschauern auf null fällst, was ja momentan die Vorgabe ist, dann haut das halt richtig rein, und das ist nicht so ohne Weiteres aufzufangen."
Philipp Walter, Geschäftsführer der Kölner Haie, steht mit weiteren Crewmitgliedern am Spielfeldrand.
Von 13.000 Zuschauern auf null: Für Philipp Walter (l.), den Geschäftsführer der Kölner Haie, schwer zu verkraften.© picture alliance / Eibner-Pressefoto / Rene Weiss
Zwei Mal muss der Saisonstart verschoben werden, dann endlich, kurz vor Weihnachten, geht es los. Ohne Zuschauer, dafür mit umfangreichen Hygienevorschriften, einem abgespeckten Spielplan – und nachdem endlich die ersten staatlichen Hilfsgelder geflossen sind, fügt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke hinzu:
"Wenn das nicht gekommen wäre, dann hätten wir es auch nicht geschafft und hätten es auch gar nicht erst probiert."

Corona bedeutet Krise, aber auch Chance

Die Saison wäre jedoch niemals gestartet worden, hätten nicht die Spieler auf erhebliche Teile ihres Gehalts verzichtet. Auf bis zu 60 Prozent weniger einigten sie sich mit den Klubverantwortlichen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines DEL-Profis liegt bei 120.000 Euro.
"Beträge, die auf der einen Seite viel Geld sind, jetzt aber auch nicht so was, wo man sagt, ich kann mal locker auf die Hälfte verzichten, also das muss man sich schon vorstellen, dass da die Spieler einen unheimlichen Kraftakt geleistet haben, um einfach auch die Sportart aufrecht zu erhalten, aber auch ihre eigenen Karrieren", sagt Gernot Tripcke. "Denn natürlich ist es für einen Spieler extrem wichtig, dass es nächstes Jahr einen Klub gibt und er auch entschädigt ist, damit er nächstes Jahr wieder einen Vertrag kriegt. Ist halt Profisport."
Vier Spieler der Kölner Haie stehen in einer Reihe und schützen das Tor vor einem Spieler der Iserlohn Roosters.
Ein Stück Normalität: die Iserlohn Roosters im Spiel gegen Kölner Haie in Iserlohn.© picture alliance / Eibner-Pressefoto / Andreas Dick
Zu den altbekannten Mechanismen im Profisport Eishockey gehört es, ausländische Kufencracks nach zu verpflichten, kaum dass die Saison begonnen hat. Alle 14 Klubs in der DEL haben das getan – angesichts der finanziellen Nöte, in denen sie stecken, verwunderlich.
"Trotz Corona will der ein oder andere dann doch gewinnen, rüstet dann noch mal nach, man muss aber schon sehen, dass das auf einem verhältnismäßig niedrigen Niveau ist, dass auch die Preise im internationalen Eishockey logischerweise zusammengebrochen sind, das sind Bruchteile von dem, was Spieler früher gekostet haben, da sind selbst arrivierte Spieler, die früher eher am oberen Ende der Nahrungskette wären, die jetzt für ein paar Tausend Euro spielen, um einfach überhaupt dieses Jahr sich zeigen zu können, fit zu bleiben, Spieler bieten sich an für wirklich unglaublich kleines Geld, und ja, da wird der ein oder andere Klub schon verleitet, das noch mal zu nutzen."

"Nächste Saison noch schwieriger zu planen"

Im Moment läuft die Saison stabil: Das befürchtete Spielplanchaos wegen Corona blieb bisher aus, die Zuschauerzahlen im Pay-TV steigen deutlich. Dass die Liga unter diesen Bedingungen auch die nächste Saison in Angriff nimmt, bezweifelt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke allerdings:
"Also, wenn wir heute entscheiden müssten, wohl nicht. Normalerweise sind die Kader für die nächste Saison rund um Weihnachten, spätestens im Januar größtenteils fix, momentan sind alle Vertragsgespräche auf Eis gelegt, man muss jetzt noch mal gucken: Es sind viele Altverträge, die in der neuen Saison noch mal in voller Höhe zum Tragen kommen. Ich glaube, noch mal so eine große Solidarität auf Spielerseite ist schwierig, noch mal so eine große Solidarität bei Sponsoren, bei Fans ist schwierig, also fast noch schwieriger zu planen als die letzte Saison momentan."
Auch Kaweh Niroomand von den BR Volleys ist froh, dass sich die Politik zum Profisport bekennt. "Wenn wir nicht die richtigen Unterstützungen bekommen hätten, dann hätte tatsächlich der Berliner Sport am Abgrund gestanden", sagt er.
BR Volleys Manager Kaweh Niroomand auf einer Pressekonferenz in der Max Schmeling Halle, Berlin.
Will vor allem den Nachwuchs nicht verlieren: BR-Volleys-Manager Kaweh Niroomand.© picture aliance / nordphoto / Engler
Dem Manager des amtierenden deutschen Volleyballmeisters aus Berlin geht es jedoch nicht nur um Entschädigungsleistungen für entgangene Zuschauereinnahmen und Sponsorengelder. Ihm liegt vor allem die Nachwuchsarbeit am Herzen:
"Wir haben selber im Verein 20 Jugendtrainer, die wir über Jahre aufgebaut haben, wir haben natürlich versucht, die alle auch weiter zu bezahlen, damit die uns nicht abhandenkommen, das war uns enorm wichtig, dieses Gerüst nicht zu verlieren. Denn in dem Moment, wo wir die Trainer verlieren, da verlieren wir auch die Spieler und die Kinder."

Corona betrifft auch den Nachwuchs

In einer Berliner Sporthalle bietet sich ein überraschendes Bild: 14- und 15-jährige Jungen schmettern, blocken, hechten über den Hallenboden. Mitten im Lockdown Volleyball-Training. Die Erklärung ist einfach: Wer es in den Berliner Nachwuchs-Landeskader geschafft hat, erhält ebenso eine Sondergenehmigung, regelmäßig zu trainieren wie beispielsweise die Profisportler. Dem 14-jährigen Laurin Fritz ist bewusst, dass er und seine Mitspieler privilegiert sind.
"Manche verstehen das überhaupt gar nicht, dass wir trainieren dürfen, manche freuen sich, manche sind ein bisschen sauer, sage ich mal, ich habe Verständnis dafür, es ist nicht ungerecht, aber andere Trainingsgruppen dürfen nicht weitertrainieren und sich nicht für die Meisterschaften vorbereiten, im Gegensatz zu uns: Wir dürfen halt wirklich fast jeden Tag in die Halle und an den Ball und so trainieren wir halt immer mehr."
Torsten Manke, Chef- und Sichtungstrainer der SCC Juniors, während einer Trainingseinheit am Netz.
Torsten Manke, Chef- und Sichtungstrainer der SCC Juniors, erwartet jetzt mehr Engagement im Training.© Deutschlandradio / Wolf-Sören Treusch
Torsten Manke ist Chef- und Sichtungstrainer der SCC Juniors, das ist der Nachwuchskader der BR Volleys. Er bestätigt, dass trotz Corona alle Kolleginnen und Kollegen weiter beschäftigt werden. Natürlich auch deshalb, weil sie viele Übungseinheiten nun online anbieten:
"Auch wenn es für den einen oder anderen nur eine Ehrenamtspauschale ist, so finanziert doch der eine oder andere sein Studium damit. Und wenn das jetzt wegbrechen würde, dann müssten die gucken halt: Was mache ich neben dem Studium, um mir das Studium zu finanzieren?"

"Motivation ohne Wettkampf ist schwer"

Auch wenn noch völlig unklar ist, ob und wenn ja, wann die nächsten Nachwuchs-Meisterschaften stattfinden: Torsten Manke erwartet von seinen Talenten mehr Engagement im Training. Sie holen einfach nicht alles aus sich heraus, kritisiert er. Auch so eine Folge von Corona, erzählt er hinterher:
"Die Motivation ohne Wettkampf ist schon schwer in dem Alter, sehr, sehr schwer. Gerade 14-, 15-jährige junge heranwachsende Männer sind ja schon darauf bedacht, sich beweisen zu wollen, immer wieder messen zu wollen, momentan können sie es nicht außerhalb ihrer eigenen Trainingsgruppe, und deshalb merkt man schon, dass gerade bei den sehr charakterintensiven Typen, die auch sehr extrovertiert sind, dass die gerade Probleme haben, sich zu motivieren fürs Training."
Die Spieler versuchen, die Tipps und Anregungen ihres Trainers sofort umzusetzen. Klar würden sie gerne Wettkämpfe bestreiten, meinen die beiden 15-Jährigen Ron Briese und Leon Arlitt, aber nur zu trainieren, sei auch okay:
"Ich habe ja viele Gute hier in meinem Team, und da kann man sich ja ein bisschen dran messen, man merkt ja trotzdem selbst auch, wie man sich verbessert, wie man angreift, wie man zuspielt, baggert, und das ist schon möglich, auch im Training seinen Fortschritt zu sehen. Im Endeffekt ist es das Wichtigste, dass wir weiter trainieren können, und die Wettkämpfe sind da nur Nebensache."
"Ja, das ist ziemlich blöd so, aber man hat halt auch mal ein Wochenende frei und Zeit für sich und kann auch selber was machen für sich, also sportlich: Kraft zum Beispiel zu Hause oder so oder auch mal joggen gehen."
Sporthalle mit Spielern, die sich am Spielfeld bespechen. Im Vordergrund ist ein gelb-blauer Volleyball zu sehen.
Training für die Zukunft: Volleyball-Nachwuchs der SCC Juniors.© Deutschlandradio / Wolf-Sören Treusch
So locker wie seine Kaderathleten nimmt es Cheftrainer Torsten Manke nicht. Er befürchtet, seine Jungs könnten den Anschluss verlieren, Stichwort: Wettkampfhärte.
"Gerade der 2005er-Jahrgang, der war in Berlin sehr gut, wir haben zwei Mannschaften gehabt, die hätten um eine Medaille bei den Deutschen Meisterschaften mitgespielt, letzte Saison mit dem SCC und dem TSC, aber auch als Auswahlmannschaften, und diese Erfahrung haben die Athleten jetzt nicht mitgemacht."

Und wann kommt das Publikum wieder?

"Und wenn jetzt dieses Jahr noch mal ein Jahr kommt, wo kein finaler Wettkampf stattfindet, die Wettkampfhärte dort auch wieder nicht gelernt werden kann, weil: Das ist etwas, was ich nicht im Training beibringen kann, im Training kann ich diese Wettkampfhärte nicht exakt schulen, dafür brauche ich einen Gegner, dafür brauche ich einen Anreiz, der heißt: Medaille bei den Deutschen Meisterschaften, das nachzuholen in späteren Jahren wird schwierig werden, das muss man gucken, abwarten, wie sich das auf die Athleten auswirkt."
Ein Jahr schlägt sich die Sportwelt mittlerweile mit dem SARS-CoV-2-Virus herum. Mithilfe der staatlichen Unterstützungsgelder haben die Profiligen in der Halle bisher überlebt. Die zentrale Frage lautet nun: Wann und unter welchen Bedingungen wird das Publikum wieder zu den Sportveranstaltungen zugelassen? Stefan Niemeyer vom Basketball-Bundesligisten Rasta Vechta ist gespannt:
"Ich gehe davon aus, bis September hat Angela uns versprochen, dass wir alle geimpft sind, und warum sollen dann die Leute nicht wieder in die Halle dürfen? Und der, der sich nicht impfen lässt, ja, der muss ja nicht kommen. Wenn Sie mit 3.140 Leuten bei uns in der Halle stehen, da stehen sie teilweise Mann an Mann, anschließend bei uns an den Theken, wo man zusammen was trinkt; wie wird das Verhalten in Zukunft sein? Ich glaube, da muss man sich dann schon die Frage stellen, wenn das nicht so ist, was macht dann noch Sinn? Und inwieweit macht es dann noch Sinn, so etwas zu betreiben?"
Und Moni Metze, die Vorsitzende des Fanklubs von Basketballmeister Alba Berlin, befürchtet, die riesige Fangemeinde, die sich ihr Klub über Jahrzehnte aufgebaut hat, könne gar nicht mehr zurückkehren:
"Wir haben einmal die Fans, klar, im Fanblock, um die mache ich mir weniger Sorgen, weil: Das sind ja auch wirklich die Engagierten, aber ein Großteil der Halle sind ja nun Fans, die sitzen, wir haben auch viele ältere Fans, und da mache ich mir schon ein bisschen Sorgen, dass sie sich jetzt daran gewöhnen, man kann es ja auch zu Hause gucken, die Kameras sind dicht genug dran, also ein bisschen Angst habe ich da auch, dass uns der eine oder andere Fan da verloren geht, weil man sich einfach dran gewöhnt und es so schön bequem ist."
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