Cop und Comedian

Von Maicke Mackerodt · 09.10.2006
Als Deutschtürke war Murat Topal zehn Jahre der gute Cop von Nebenan. Sein Einsatzgebiet: Berlin-Kreuzberg und Neukölln. Seine Erlebnisse als echter Polizist nutzte er als Stoff für seine zweite Karriere. Seit gut einem Jahr schlüpft der zweisprachige Comedian in seinem ersten Solo "Getürkte Fälle – Ein Cop packt aus" in Figuren, wie sie ihm tagtäglich bei seiner Zivilstreife auf Berliner Straßen begegnet sind.
"Mein Name ist Murat Topal, ich komme aus Berlin, wie der Name es erahnen lässt, bin ich Türke - und Polizist. Ich weiß, ich seh’ in ein paar fragende Gesichter: Was ist er denn nun? Türke oder Polizist?"

"Okay, manchmal bekomme ich bei Razzia ein Päckchen Drogen in die Hand gedrückt: Scheiße die Bullen, hier Bruder steck mal ein. Nun ist es ja für einen Deutschtürken aus Neukölln nicht normal, Polizist zu werden. Ich bin der einzige aus dem Block, der freiwillig zur Polizei gegangen ist und nicht mit Blaulicht und Sirene abgeholt wurde ..."

"Ich habe das ja gemacht, um da raus zu kommen und wo bin ich hingekommen: Kreuzberg. Groß umstellen muss ich mich da nicht. Früher in Neukölln wollten mich die Araber verprügeln, weil ich blöder Türke bin. Heute in Kreuzberg will mich jeder verprügeln, weil ich blöder Bulle bin."

Murat Topal nimmt die Vorurteile gegen sich und seinen Job mit Humor. Sein Vater ist Türke, seine Mutter Deutsche. Mit seinen hellbraunen spärlichen Haaren, der randlosen Brille und den freundlich-grün-grauen Augen wirkt der gebürtige Berliner eher wie der nette Kumpel von Nebenan – hilfsbereit, gutmütig und bescheiden und keineswegs ein knallharter Cop. Und schon gar kein bedauernswertes Ghettokid.

Obwohl er in Neukölln aufgewachsen ist, einer Gegend mit Drogendealern, Kleinkriminellen und Migranten. Zehn Jahre ist der inzwischen 30-Jährige als Polizist unterwegs gewesen. Zuletzt hat der Deutschtürke als Zivilfahnder in Kreuzberg gearbeitet, geschickt zwischen den Kulturen vermittelt – und dabei seine ganz eigene Form gefunden, den knallharten Alltag zu verarbeiten:

"Meine türkischen Landleute, wenn die sich vor dem Verhör unbeobachtet fühlen und im Gang rum stehen, dann kommt eher so was wie: 'Du sag mal alte Paselacke, hast Du das Spiel Pauli gesehen, das war doch pervers.' Wenn du die dann rein bittest zum Verhör: 'Entschuldigung erst drei Monate in Deutschland.'"

Murat Topal ist zweisprachig aufgewachsen. Sein Deutsch ist definitiv besser als sein Türkisch, was keineswegs selbstverständlich ist. Als angehender Polizist wurde er sogar als einziger unter allen Kollegen vom Deutschunterricht befreit, was ihn richtig gefreut hat. Den Bauernhof der türkischen Großeltern in Bursa, mit Tieren, Melonen und Tabakfeldern, kennen er und seine beiden jüngeren Schwestern nur aus dem Urlaub.

"In den Anfangsjahren, wo ich in Türkei gefahren bin, war es ganz aktuell mit Murmeln zu spielen, Buka genannt bei uns. In Deutschland ist man zum Kiosk gegangen und hat sich ein, zwei Beutel geholt der schönsten Glasmurmeln mit den Supermustern und dann in der Türkei, da war man der King, da hat man mit bekommen wie andere Kinder im gleichen Alter sich über total zerkratzte, abgewetzte Glasmurmeln gefreut haben. Das war eines der prägenden Erlebnisse aus der damaligen Zeit."

Murat Topal hat das Gymnasium vorzeitig verlassen, weil er unbedingt Polizist werden wollte. Diesen Schritt hat er nie bereut. Als jugendliche Dummheit verbucht er dagegen das fehlende Abitur. Um seinen Horizont zu erweitern, wurde der damals noch schüchterne junge Mann erst Rettungssanitäter - und dann machte er eine Ausbildung als Actionheld, was man seinem wohl geformten Körper auch ansieht. Erst vor zweieinhalb Jahren ging der Polizeiobermeister spontan auf eine Kölner Comedyschule. Kollegen und Freunde hatten ihn dazu ermuntert, weil er die schrägen Typen aus seiner Arbeitszeit so wunderbar parodieren konnte. Wie eine Zeugenbefragung nach einer Schlägerei in einer Kreuzberger Schule:

"Ihr beiden kommt mal her, was ist denn passiert?
Okay ne also, guck mal das war so, da sind zwei gekommen - wirklich voll krass haben die Stress gemacht ... fetten Baunzer - wirklich ich habe voll die Optik geschoben, voll krass, kommt mal her ihr Opfers voll krass.
Jetzt wo der Sachverhalt eindeutig geklärt ist, bräuchte ich nur noch eure Namen.
Ich bin Florian Hubschmid.
Ja, ich war auch ein bisschen überrascht, vor allem war das ein Gymnasium, da habe ich mir gedacht, vielleicht wäre es gar nicht mal so schlecht mit einem Regierungspolitiker drei, vier Wochen auf Streife zu gehen."

"Für mich nicht nachvollziehbar ist, dass Kinder in der dritten, vierten Generation hier geboren und aufgewachsen sind, teilweise schlechter die Sprache ihres Landes, in dem sie leben, sprechen als die Eltern oder Großeltern, das sind solche Dinge, die ich beunruhigend finde. Mein Vater, der hätte mir was erzählt, wenn ich nur ansatzweise so ein Verhaltensmuster an den Tag gelegt hätte, wie es die Leute heutzutage tun."

Im Februar 2004 trat er erstmals öffentlich auf und wurde gleich unter Vertrag genommen. Ein Jahr später hat er Premiere mit seinem ersten Solo in der Berliner UFA-Fabrik. Wegen des Turbo-Erfolges ist er mittlerweile vom Dienst freigestellt, seine bundesweiten Shows sind oft ausverkauft. Bei der Verleihung seines ersten Preises, dem Heilbronner Lorbeer, lernte er vor einem Jahr seine Freundin kennen und führt seitdem eine Fernbeziehung. Nun baut er in Berlin für sie und ihre beiden Katzen ein Haus.

"Ich werde mit Sicherheit in absehbarer Zeit von meinem Dienstherrn vor die Entscheidung gestellt werden, vor die schwere: Comedy oder Beamtentum? Das Herz sagt Bühne, obwohl ich auch gerne Polizist war, wenn das nicht gewesen wäre, hätte ich nicht die Geschichten auf die Art und Weise betrachten und verarbeiten können."