"Coolhunters"

Von Johannes Halder |
Coolhunters" - das ist eine Schau über Skater, Sprayer, Straßenkids und so genannte Stinos, also stinknormale Jugendliche, die das tun, was man so tut im Alter zwischen 14 und 18. Abhängen, vor dem Bildschirm hocken, anecken und Grenzen testen und sich irgendwie durchschlagen.
Cool. Eine Halfpipe, eine Skaterbahn also, füllt den ganzen Ausstellungsraum. Seitlich zieht sich die asphaltgraue Wanne halbwegs die Wände hoch, wo an einer Stelle ein Graffiti prangt und gegenüber ein paar kunstvoll gestaltete Skateboards hängen. Doch zum Herumbrettern wäre wohl zu wenig Platz. Überall stehen Monitore auf Podesten, dazwischen auch ein paar Vitrinen, und leise ist es wirklich nicht, trotz der vielen Kopfhörer. In einem Seitenkabinett hat man sogar einen Techno-Dance-floor aufgebaut mit grellem Lichtspektakel – kurzum, es geht so richtig ab.

"Coolhunters", das ist eine Schau über Skater, Sprayer, Straßenkids und so genannte Stinos, also stinknormale Jugendliche, die das tun, was man so tut im Alter zwischen 14 und 18: abhängen, vor dem Bildschirm hocken, anecken, kultige Klamotten tragen, Grenzen testen, Musik hören, abtanzen, rumlabern und sich irgendwie durchschlagen in der Kampfzone zwischen Markt und Medien, um ein eigenes Profil zu finden, persönlich oder in der Gruppe. Und was da angesagt ist, erklärt einer der beiden Kuratoren, der Mediensoziologe Klaus Neumann-Braun:

"Wichtige Themen sind natürlich Mode, wichtige Themen sind Medien, Zeitgefühl. Dann: welche Räume stelle ich her für mich selber oder welche werden mir präsentiert? Das Thema Gewalt, Action, Thrill; das Thema: Wie gehen die Geschlechter miteinander um? Und das Thema Sprache: Wie sprechen wir?"

Das mit der Straße hat man atmosphärisch ganz gut hingekriegt, und das ist wichtig, glaubt Ko-Kuratorin Birgit Richard, ehemals als Punkerin selbst in der Szene und heute Professorin für Kunst- und Medienwissenschaft an der Uni Frankfurt:

"Das Konzept greift auf eben streetstyle, street credibility – Sachen, die für Jugendliche ganz ganz wichtig sind: sich Straßenraum zu erobern, weil wir auch festgestellt haben, dass die Jugendlichen eigentlich in einem gewissen Alter keinen Raum haben, auch keinen eigenen Räume haben, die sie selber gestalten können und mit Inhalten füllen können. Und dass eben die Straße auf der einen Seite eine Notlösung ist, aber auf der anderen Seite auch der Ort, wo Jugendkultur passiert."

Im Prinzip passiert sie überall, doch gesteuert wird sie von der Medien- und Konsumindustrie, und deshalb zeigt ein großer Teil der Exponate eben eines.

Birgit Richard: "Alltagsgegenstände von Jugendlichen, also aus dem Jugendkulturarchiv in Frankfurt, das ich aufgebaut habe, sind Alltagsgegenstände wie Kleidungsstücke von Jugendlichen, Energy Drinks und so was, also Ausschnitte aus dem materiellen Leben der Jugendlichen zu finden."

Die Schau ist folglich eine Mischung aus H+M, MediaMarkt, Technoschuppen und Museum. In den Vitrinen: Hip-hop-Mützen, Buttons oder eine Kollektion von Ketten und schwarzen Klamotten aus der Gothic-Szene. An den Wänden Fotos von Wettfressen oder von den Zimmern Jugendlicher, und auf den Monitoren Interviews mit den Betroffenen, Situationsberichte, Momentaufnahmen, Reflexionen. Doch die Schau bietet keine soziologische Analyse, hebt nicht den pädagogischen Zeigefinger, sondern nimmt die Jugendlichen ernst als emanzipierte Konsumenten.

Klaus Neumann-Braun: "Sie leben in einer Form von emanzipiertem Konformismus im Markt, mit den Medien, aber sie gehen doch ihre Wege, die zum Teil sperrig sind. Also Produkte kommen nicht an, Produkte werden uminterpretiert oder Marktprodukte werden verwandelt und erst im eigenen Gebrauch zu den Endprodukten gemacht. Wenn Sie etwa einen Rucksack sehen, ein Eastpak wird erst dann zum richtigen Eastpak, wenn da die kleinen Buttons drauf sind und Schnullis und kleine Püppchen usw., dann ist es erst so einrichtige Daypack für die Jugendlichen."

Wie Sehnsüchte ausgebeutet, Trends gesetzt und mit der Macht von Marken und Labels manipuliert werden, zeigt die Ausstellung eher unterschwellig. Gegen manche Tricks sind Jugendliche erstaunlich resistent, während andere sich geradezu gewaltsam in ihr Leben drängen.

Birgit Richard: "Wir haben dann eben als Beispiel da die Miss Sixty Hose, bei den jungen Mädchen sicher eine der Marken, die am meisten getragen wird, auf der anderen Seite aber auch so etwas wie eine Körpernorm aufstellt. Also wir haben Interviews gemacht mit Jugendlichen in Frankfurt, die eben z. B. gesagt haben, ich werde in der Klasse gehänselt, weil ich keine Miss Sixty Jeans tragen kann, weil ich keine Miss Sixty-Figur habe. Das heißt, ein Produkt wirkt unmittelbar ein auf die körperlichen Wohlbefindlichkeiten von Jugendlichen."

"Coolhunters" ist eine Schau, in der sich Jugendliche selber spiegeln können, aber es ist die Frage, ob sie diese Inszenierung wirklich brauchen. Sie kennen das alles selbst viel authentischer, viel aufregender aus dem Alltag. Sie ist vermutlich eher ein Spektakel für Erwachsene, die wissen wollen, was da so abgeht.

Wo die Jugend anfängt, das ist leicht zu sagen: in der Pubertät. Wo sie aufhört? Das ist wohl verschieden. Wer’s für sich selber wissen will, kann in der Ausstellung einen Hörtest machen und mit Computermaus und Tastatur den DJ spielen.

Wer das für Musik hält, gehört noch dazu. Doch wer darüber die Nerven verliert, soll sich von Birgit Richard trösten lassen:

"Ich bin eigentlich immer ganz optimistisch, weil ich merke, ich finde immer wieder Phänomene, wo Jugendliche Sachen transferieren und daraus etwas Neues entsteht. Also ich denke mir, diese Jugend hat wieder andere Wege gefunden, jede Jugend ist eben eine Antwort auf die Zeit, in der sie lebt."

Hinweis: Die Ausstellung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in den Räumen der Städtischen Galerie Karlsruhe (Lichthof 10 des ZKM-Gebäudes) ist geöffnet bis zum 3. Juli 2005.

Im Suhrkamp Verlag (suhrkamp taschenbuch 3693) ist eine Begleitpublikation erschienen: Coolhunters – Jugendkulturen zwischen Medien und Markt.
Sie kostet 10 Euro.