"Contagion"

Von Hans-Ulrich Pönack |
In seinem neuen Film spielt Regisseur Steven Sonderbergh mit der menschlichen Urangst: einer Virus-Epidemie schutzlos ausgeliefert zu sein. Ein genauso fantastischer wie plausibler Stoff, der psychologisch geschickt in Szene gesetzt wurde.
Steven Sonderbergh ist einer der interessantesten und auch geschicktesten Hollywood-Regisseure. Denn der am 14. Januar 1963 in Atlanta/Georgia geborene Auch-Drehbuchautor und Filmproduzent sorgt auf der einen Seite dafür, dass mit sympathischem Mainstream wie den drei "Ocean's"-Gauner-Movies (mit Clooney & Pitt) die Kassen klingeln.

Andererseits bewegt er sich auch sehr gerne im anstrengenden Independent-Bereich, siehe seine Anfänge mit "Sex, Lügen & Video" ("Goldene Palme" von Cannes 1989), "Kafka" (1991) sowie "Solaris" (2002) und den beiden "Che"-Filmen. ("Revolution" und "Guerilla", 2008). Mit seinen Werken "Traffic - Macht des Kartells", für das er den Regie-"Oscar" bekam, und "Erin Brockovich" (2000, "Oscar" für Julia Roberts) hat er sozusagen Dazwischen-Filme erfolgreich geschaffen: hochpolitische Unterhaltungsfilme, wie es sie nur noch selten aus den Studios gibt.

"Contagion", also "Ansteckung", ist erneut so eine faszinierende "Dazwischen-Show" geworden, sich zwischen allen dramaturgischen Fronten und gesellschaftspolitischer Absicht bewegend. Was passiert? Beth Ernhoff (Gwyneth Paltrow) kommt von einer Geschäftsreise aus Hongkong zu Mann (Matt Damon) und Tochter nach Minneapolis zurück, fühlt sich irgendwie unwohl, schiebt es zunächst auf Jetlag, vermutet einen kleinen Infekt. Dann aber überstürzen sich die tragischen Ereignisse: Beth stirbt plötzlich an einem völlig unbekannten Virus.

Es ist Tag drei einer sich rasend ausbreitenden Epidemie, die von Medizinern als MEV-1-Virus bezeichnet wird. Tote pflastern den Weg. Erst wenige, dann Hunderte, Tausende. Die Infektion kennt keine Grenzen, die Mediziner sind alarmiert. Sie bemühen sich um einen wirksamen Impfstoff und riskieren, selbst angesteckt zu werden. Wie die engagierte junge Ärztin Dr. Erin Mears (Kate Winslet). Sie bemüht sich fieberhaft herauszubekommen, woher dieser teuflische Erreger stammt. Ihr Chef, Dr. Ellis Cheever (Laurence Fishburne), kooperiert mit der Weltgesundheitsorganisation in Genf (WHO), für die sich Dr. Leonora Orantes (Marion Cottilard) auf Spurensuche begibt.

Inzwischen sind die Tage 25 & Co. erreicht. Die Menschen, die Bürger, sind aufgeschreckt. Dabei lösen sich soziale Strukturen in Chaos auf. Zudem sorgt der eifrige Aktivist und Blogger Alan (Jude Law) mit seinen Verschwörungstheorien für zusätzliche ständige Unruhe. Auflösungserscheinungen allerorten. Panik. Gewalttätige Einbrecher gehen mittlerweile auf brutale Jagd nach Nahrung. In der Notrufzentrale der Polizei läuft der Anrufbeantworter, während sonst überfüllte öffentliche Plätze wie leergefegt sind. Und über allem steht die Frage - was passierte tatsächlich am Tag Nummer eins, wo und wie begann dieser Abtraum?

Steven Soderbergh und sein Drehbuch-Autor Scott Z. Burns ("Der Informant") rühren an menschlichen Urängsten und das mit psychologischem Geschick.

Dabei kam doch am 12. Oktober 2011 die allgemeine Entwarnung: "Erbgut von Pesterregern komplett entziffert", war in der Meldung zu lesen. Die "Mutter" hat man jetzt also identifiziert. Immerhin. Was aber ist mit ihren gefährlichen Gören? Die heute herumspuken? Davon handelt dieser nüchterne, kalte Katastrophen-Gig mit dem bedrohlichen Signal, wie wenig harmlos unsere harmlosen täglichen Verrichtungen sind: ein Glas anfassen, die Kreditkarte übergeben, das viele Händeschütteln. "Contagion" ist ein genauso fantastischer wie plausibler Stoff und ein kühner, intelligenter Star-Thriller.

USA 2011; Regie: Steven Soderbergh; Darsteller: Marion Cotillard, Matt Damon, Laurence Fishburne, Jude Law, Gwyneth Paltrow, Kate Winslet; ab 12 Jahren; 106 Minuten

Filmhomepage: "Contagion"