"Congo Revolution"

Tanz auf den Nerven der Kolonialherren

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Ein junger Mann mit dunkler Hautfarbe im karierten Hemd schaut ernst in die Kamera. Rechts neben ihm ist der Titel des Albums "Congo Revolution" zu lesen.
Widerstand auf der Tanzfläche: Das Doppelalbum "Congo Revolution" würdigt den Sound afrikanischer Subkulturen. © Soul Jazz Records
Thorsten Bednarz im Gespräch mit Vivian Perkovic · 26.11.2019
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Hier wird Rumba hochpolitisch: Das Doppelalbum "Congo Revolution" versammelt Musik aus der Zeit der Unabhängigkeitsbewegung in Zentralafrika. Ausführliche Zusatzinformationen machen die Vorgeschichte heutiger Konflikte verständlich.
Rumba? Für viele Menschen in Europa klingt das vielleicht nach Tanzschule. Doch diese Musik war hochpolitisch. In Frankreichs und Belgiens früheren Kolonien im Kongo war sie eng mit der Unabhängigkeitsbewegung verbunden. "Sie war ein Ausdruck von kongolesischem Selbstbewusstsein, und das wurde von den Kolonialherrn sehr misstrauisch beobachtet", sagt der Musikkritiker Thorsten Bednarz. "Als sich Ende der 1950er Jahre immer mehr Tanzabende für die schwarze Bevölkerung gründeten, auf denen junge aufstrebende Bands spielten, kam es immer wieder zu Übergriffen durch die Polizei mit bis zu 50 Toten."

Einblicke in die kongolesische Subkultur

Vordergründig höre man der Musik diese Brisanz nicht an, so Bednarz. Beim Londoner Soul Jazz Label ist jetzt ein Doppelalbum erschienen, das viele größtenteils unbekannte Stücke aus dieser Zeit versammelt: "Congo Revolution. Revolutionary and evolutionary sounds from the two Congos 1955-62". Das Booklet enthält umfangreiche Informationen über den gesellschaftlichen und kulturellen Kontext der Musik und zahlreiche Fotografien von Jean Depara, der die kongolesische Subkultur damals mit seiner Kamera begleitet hat.
"Die Compilation entstand in enger Zusammenarbeit mit Mitgliedern der früheren Redaktion der 'Revue Noire', des ersten afrikanischen Lifestyle- und Kunstmagazin", erklärt Bednaz. "Es sind also Insider, die diese Informationen aufbereitet haben, keine Europäer. Und sie haben es geschafft, die Entwicklungen so aufzuzeigen, dass man eine Ahnung davon bekommt, woher die Spannungen und politischen und wirtschaftlichen Krisen in Zentralafrika bis heute kommen."

Der Sound der Freiheitskämpfe wirkt bis heute nach

Eine herausragende Figur war der Musiker Joseph Kabasele, später bekannt als Le Grand Kallé, der 1960 mit seiner Band während der Unabhängigkeitsverhandlungen in Brüssel auftrat. Zu dieser Zeit entstand sein "Independence Cha Cha", eines der wenigen Stücke, das er auf der Zusammenstellung schmerzlich vermisse, so Bednarz: "Es wurde damals zu einem musikalischen Standard im ganzen frankophonen Afrika, ein regelrechter Millionenhit."
Bis heute seien die Einflüsse einiger Bewegungen aus der Zeit der Freiheitskämpfe spürbar, sagt Thorsten Bednarz:
"Die der 'Sharp Dressers' etwa. Denen ging es in erster Linie um die Anerkennung eines anderen Lebensstils, nicht tradierter Lebensentwürfe. In den 80er-Jahren mündete diese Bewegung in die der 'Sapeurs': Damit man die nicht so einfach als Staatsfeinde und 'dreckige Hippies' diffamieren konnte, haben sie sich in die besten Anzüge und teuersten Marken gekleidet. Aus diesem Umfeld kam dann auch Papa Wemba, der ja auch bei uns in Deutschland sehr bekannt war mit seinen Platten für Peter Gabriels Weltmusiklabel."
(fka)
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