Die Technisierung der Kinderwelt
Sandburgen bauen, rutschen, schaukeln - so haben Kinder früher auf Spielplätzen gespielt. Heute hat hier moderne Computertechnik Einzug gehalten. Sieben dieser Hightech-Spielplätze gibt es in Deutschland - zwei davon in Hamburg. Ein Besuch.
Unter alten Lindenbäumen, gleich neben dem Spielplatz für die ganz Kleinen mit altmodischen Holzhäuschen, Sandkiste und Rutsche ragen die verzinkten Stahlgerüste in die Höhe. Vier Spielstationen gibt es auf diesem Computer-Spielplatz, oder – so der offizielle Name: dem "Icon"-Spielplatz. Kinder sind leider gerade nicht da. Dafür erklärt Yara Pröstenich vom dänischen Hersteller "Kompan" die Geräte.:
"Wir haben Stahltürme mit farbigen LED-Buzzern, wir haben Konsolen, wir haben Kletter-Elemente, Seil-Elemente, wir haben Kraftwippen dran. Wir haben "Swirls" – das sind kleine Surf-Segel-Elemente, die sich drehen. Also ganz spannend!"
Die Leucht-Buzzer sind überall im Stahlgerüst verteilt. Unten und oben, an allen Seiten, einige nur erreichbar über Kletterseile. Wenn diese Buzzer grün blinken, muss Team "Grün" nacheinander möglichst schnell alle blinkenden Buzzer-Knöpfe drücken. Dann leuchten die roten Buzzer und Team "Rot" ist an der Reihe. Am Ende siegt die schnellere Mannschaft. Ausgewählt werden die Spiele über pilzförmige Controller: ein Meter hoch, oben schaut man durch ein kreisrundes, kratzfestes Plastikfenster auf die blinkende LED-Anzeige. Bevor die anspringt, muss Yara Pröstenich sich auf die davor eingebaute flache Wippe stellen und "pumpen". Also: ihr Gewicht schnell nach links, dann nach rechts verlagern, hin und herwackeln..
"Jetzt pumpe ich und pumpe ich. Und jetzt leuchten die! Sehen sie? Jetzt haben wir 56 Sekunden, 55 Sekunden und jetzt muss ‚Team Grün‘ ganz schnell ‚Grün‘ klicken. 51 Sekunden, 50 Sekunden… Sie müssen jetzt alle ausdrücken! – Alle? Oder was? – Doch, doch, doch! Sie müssen jetzt alle schnell ausdrücken! – Ja, ok. Das habe ich verstanden! – Wenn sie das nicht schaffen, dann leuchten die gleich in einer anderen Farbe und dann hat das andere Team gewonnen."
Auf die Idee, mehr Computertechnik auf dem Spielplatz einzusetzen, kamen die dänischen Geräte-Entwickler nach der Durchsicht von Studien zum veränderten Freizeitverhalten von Kindern und jungen Jugendlichen.
"Der Medienkonsum der Kinder zwischen acht und achtzehn liegt bei siebeneinhalb Stunden pro Tag! Anderthalb Stunden mit SMS- und Textnachrichten schreiben… Deshalb versuchen wir die Kinder in den Altersgruppen draußen sportlich zu bestätigen. Und da sie nun in einer technologischen Welt aufwachsen, wollen wir ihnen das auch gar nicht nehmen. Wir wollen sie damit begeistern und das interaktive Spiel mit rausbringen."
Am Ende werden Punkte gezählt
Endlich sind auch zwei Expertinnen da: Ella und Maja sind neun Jahre alt, die beiden kennen den Spielplatz und zeigen auf einem karussellartigen interaktiven Gerät, was sich damit anstellen lässt.
"Hier drückt man auch einen Knopf und dann geht’s los. Und dann muss man so rennen. Und dann kriegt man auch Punkte. Und dann ist immer Richtungswechsel und dann muss man schnell umdrehen."
Die beiden Mädchen bringen die ringförmige Lauffläche in Bewegung, die Hände an Griffen des Controllers in der Mitte. Oben im Display zeigt ein Pfeil die Richtung an. Erst geht es im Uhrzeigersinn herum, dann muss gebremst und die Richtung gewechselt werden.
"Neun Punkte!"
Am Ende jedes Spiels können sich die Kinder in die Highscore-Liste eintragen. Ella und Maja verzichten darauf. Die beiden ziehen zum nächsten Spielgerät, dem mit den Leucht-Buzzern. Drücken die großen Knöpfe am Controller, kennen sich viel besser damit aus als mancher Erwachsene:
"Ist das schwer? Warum habe ich das nicht verstanden? Ist das kompliziert oder kapiert man das als Kind sofort?"
"Es ist eigentlich kompliziert, ja!"
"Also, man kapiert es nicht immer am Anfang."
Aber wenn man es begriffen, macht es viel Spaß, erzählt Maja. Bleibt die Frage: finden die beiden nun die analogen Spielplätze in der Umgebung toller oder den Computerspielplatz?
"Den hier!"
"Ich finde auch den hier besser! Denn hier muss man sich auch mehr anstrengen oder hier kriegt man Aufgaben gestellt."
"Und was macht man auf einem normalen Spielplatz?"
"Da kann man rutschen oder so und das finde ich ein bisschen langweilig."
Spielen mit Anleitung
Anders sei das natürlich auf dem Schanzenpark-Spielplatz – der mit der extrem steilen Rutsche. Oder dem im Stadtpark mit den zwei langen Seilbahnen und auch der Spielplatz im "Planten un Blomen"-Park, der mit den Wasserkanonen und den riesigen gelben Kletterbergen, der sei auch ohne digitale Technik eine gute Wahl, erzählen Ella und Maja. Ellas Mutter, Johanna Gertz, schaut den beiden von einer Bank aus zu. Sie gehört noch zur Generation, die "Auf-Bäume-Klettern" und "Höhlenbauen" herrlich fand.
"Die Kinder haben Spaß dran. Aber ich finde es ein bisschen kompliziert, ehrlich gesagt. Ich habe das Gefühl, man müsste irgendwas sehen und einfach losspielen. Ohne sich vorher irgendeine Anleitung durchzulesen. Mir fehlt dieses Intuitive dabei."
Aber vielleicht kommt das davon, wenn man als Kind nur auf Bäume geklettert ist, Fangen und Verstecken oder "Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?" gespielt hat. Und eben keine Erfahrung mit Controllern und Smartphones gesammelt hat. – Zwingend nötig ist das Verständnis der digitalen Spielplatz-Steuerung im Übrigen nicht: ganz analog können die Kinder auch einfach auf den Geräten herumturnen, die Karussells benutzen, sich durch die Stahlkonstruktionen hangeln. Ganz ohne Leucht-Buzzer und Computersounds.