Computer sollen menschlich kommunizieren

Von Dirk Asendorpf · 16.12.2010
Wenn wir einen Computer nutzen wollen, müssen wir uns an dessen Kommunikationsregeln halten. Zur Eingabe dienen Maus und Tastatur, die Ergebnisse werden uns auf einem Bildschirm angezeigt. In Zukunft soll es umgekehrt sein. Computer passen sich an unser normales Verhalten an.
Sie verstehen, was wir sagen oder zeigen und reagieren mit gesundem Menschenverstand darauf. In der Microsoft-Forschungsabteilung arbeitet eine ganze Gruppe von Informatikern, Psychologen und Soziologen an der Entwicklung der dafür nötigen Technik.

"”My name is Laura and today I’m here to help the receptioner with shuttle reservations.”"

Laura sieht aus wie eine Figur aus dem Online-Spiel Second Life. Doch wenn sie mit brüchiger Computerstimme aus ihrem Bildschirm spricht, steht sie mitten im echten Leben. Als Hilfskraft der Rezeptionistin organisiert sie den Shuttleservice für Mitarbeiter und Besucher der Zentrale von Microsoft Research. Das nagelneue Gebäude mit dem verglasten Innenhof ist Arbeitsplatz für über 400 Wissenschaftler, die Kreativabteilung des Software-Giganten. In Redmond, einem Vorort von Seattle im äußersten Nordwesten der USA, okkupiert Microsoft einen ganzen Stadtteil. Die Gebäude sind so weitläufig zwischen gepflegten Parks und Sportanlagen verteilt, dass die Firma einen eigenen Shuttledienst betreibt. Die virtuelle Laura soll ihn effizienter machen.

"”Are the two of you together?” - ”No” - ”Ok, let me start with you first. Do you need a shuttle?” - "Yes.""

Laura hat erkannt, dass zwei Personen vor ihr stehen. Sensoren, Kameras und eine aufwendige Software sind im Hintergrund aktiv. Deshalb kann die virtuelle Rezeptionistin nicht nur standardisierte Antworten auf standardisierte Fragen geben. Sie erkennt, ob jemand nur vorbei geht, sich an sie oder an eine andere Person im Raum richtet, aufmerksam zuhört, oder geistig abwesend auf sein Handy starrt. Kevin Schofield koordiniert eine ganze Palette derartiger Entwicklungsarbeiten.

"Anstatt zu lernen, wie man mit einem Computer interagieren muss, möchten wir es denn Leuten lieber ermöglichen, auf ganz intuitive Art unmittelbar und natürlich mit ihm umzugehen. Bisher verschwenden die Leute ja sehr viel Zeit damit, zu lernen wie Software und Hardware benutzt werden müssen, wie ich dem Computer am besten mitteile, was ich von ihm will. Wir glauben: viel zu viel Zeit. Wir möchten den Menschen ihre Zeit lieber dafür lassen, wichtige Arbeit zu erledigen. Am Ende soll die Interaktion mit dem Computer genau so funktionieren wie mit einem Freund, Kollegen oder Familienmitglied."

Zum Beispiel indem wir auf etwas zeigen oder Verzeichnisse und Dateien anfassen und herumtragen wie einen Ablagekorb oder eine DVD. Hrvoje Benko demonstriert das im sogenannten Light Space, dem Lichtraum. In der Mitte steht ein großer Bildschirm, darauf sind die üblichen Symbole für Programme und Dateien zu sehen. Doch Maus und Tastatur werden nicht benötigt, um sie zu öffnen oder zu verschieben. Mit zwei Fingern fasst Hrovje Benko nach einer Video-Datei. Dabei verwandelt sich das Bildschirmsymbol in einen leuchtend roten Punkt. Und den kann der Forscher jetzt durch den Raum tragen oder auch im wahrsten Sinn des Wortes an die Wand werfen.

"Ich kann das Objekt hochnehmen, in meine Hand legen und in die andere Hand rollen lassen. Ich kann es sogar an meinen Kollegen Andy übergeben und er kann damit weiter herumspielen. Oder ich kann es auch direkt auf die Leinwand werfen. Und jetzt spielt die Videodatei, die wir vom Bildschirm genommen und durch den Raum getragen haben, auf der Leinwand ab."

Für die Demonstration ihrer Idee haben Hrvoje Benko und sein Kollege Andy Wilson einen großen Laborraum mit Dutzenden Laserpointern, Projektoren, Kameras und Sensoren vollgestopft. Geld spielt bei Microsoft Research keine Rolle, und Geräte, die es auf dem Markt noch nicht gibt, werden in der hauseigenen Werkstatt zusammengebaut.
"Wir arbeiten hier an Dingen, von denen noch keiner weiß, wie sie gehen und von denen viele Leute sagen, sie seien unmöglich. Und wir stellen Leute ein, die den Ruf haben, Unmögliches möglich machen zu können. Aber wir glauben nicht, dass es Sinn hätte, ihnen vorzuschreiben, wo und wann der Durchbruch zu kommen hat. Vielleicht überkommt sie die Inspiration unter der Dusche. Also geben wir ihnen sehr viel Freiheit. Manche Sachen, die wir ausprobieren, funktionieren nicht. Und manche funktionieren."

Laura bewegt sich in der Grauzone dazwischen. Aufmerksam hat sie festgestellt, dass ihr Kunde noch immer im Foyer steht. Doch die künstliche Stimme, mit der sie ihn anspricht, schreckt eher ab.

"”Let me check on your shuttle, you’re still on shuttle 56. It should be here in one minute or so.” - "Ok, thanks a lot.”"

Eric Horvitz, der Erfinder der virtuellen Rezeptionistin, setzt Laura sogar für die Koordination seiner Terminplanung ein. Kevin Schofield verlässt sich dagegen lieber auf eine Sekretärin aus Fleisch und Blut.

"Wir haben einen Ausdruck hier bei Microsoft, der heißt: unser eigenes Hundefutter essen. Gemeint ist damit, dass wir unsere Technologien an uns selber ausprobieren. Aber manche davon sind einfach noch zu ambitioniert für den täglichen Gebrauch. Auch die Rezeptionistin funktioniert noch nicht jeden Tag. Manchmal stürzt sie ab. Aber es gehört ja zu einer Forschungseinrichtung, dass die Technologien noch nicht alltagstauglich sind. Wenn sie es wären, würden wir sie schon verkaufen."

Bis dahin werden noch viele Jahre vergehen. Denn auch wenn die künstliche Laura mit der Shuttle-Bestellung schon ganz gut klar kommt – bei unvorhergesehenen Ereignissen wie einer Schneekatastrophe oder einem Busfahrerstreik wäre sie völlig überfordert. Und wenn einer ihrer Kunden seinen Dienstausweis auf dem Tresen vergessen hat, wird sie ihm auch in Zukunft nicht mal schnell hinterher laufen können.