Computer selbstgemacht

Von Wolfgang Noelke |
Für die neueröffnete BIP-Kreativitätsgrundschule in Berlin-Pankow wurden 19 Computer in Einzelteilen geliefert. Zusammensetzen sollten sie die Schüler. Eine neue Form von Kinderarbeit? Nein, im Gegenteil. Dahinter steckt die Idee, Schülern die Angst vor der Technik zu nehmen.
Der Klassenraum im obersten Stockwerk des Neubaus im Berliner Bezirk Pankow ist halb verdunkelt, damit alle das Bild auf der Leinwand erkennen. Dort zeigt ihnen der Mitarbeiter eines niedersächsischen Schulausrüsters, wie man einen Computer zusammenbaut. Schritt für Schritt bauen alle mit:

Tamina: "Also, wir haben eine Klappe aufgemacht, dann haben wir so einen Chip rein getan, dann mussten wir es wieder zumachen und wir durften nicht dran ruckeln, denn sonst würden die kleinen Pins daran kaputtgehen. Was ist denn das für einen Teil? (Lacht) (Prozessor) - Genau! Professor - (Nein nicht Professor!) - Ja, Prozessor."

Tamina und ihre Klassenkameraden, manche begleitet von ihren Eltern, bauen ihre neuen PCs fürs "Computerkabinett", wie sie ihren Unterrichtsraum nennen. Dort standen bislang gebrauchte Rechner, einst vom Computerhändler Dr. Bernd Gründel zusammengesucht und bis heute gewartet:

"Die Schule brauchte neue Rechner - diesmal wirklich neue Rechner, weil eine zweite Grundschule aufgebaut worden ist und die hat das alte Computerkabinett übernommen. Und nun war die Frage, nehmen wir wieder gebrauchte Rechner oder neue Rechner? Dann habe ich den Vorschlag unterbreitet, neue Rechner zu nehmen, aber diese selbst durch die Schüler zusammenbauen zu lassen ..."

Was auch den Lehrer für "Digitale Medien", Andreas Schemeit, begeisterte, weil es seinen Schülern die seltene Chance eröffnet, bei einem PC ein erstes Mal das Innenleben zu sehen:

"Wie es dementsprechend zusammenwirkt, beziehungsweise wie es zusammengesetzt wird, denn normalerweise sitzen sie daran und benutzen es und wissen eigentlich gar nicht, was da direkt abläuft. Und jetzt haben wir das endlich einmal vor uns, mit Kabeln und in Sachen und können das endlich mal zusammensetzen."

Erste Kabel und Sachen haben die Kinder schon eingebaut, andere liegen noch verpackt auf den 19 Tischen. Die Blicke richten sich auf Andreas Löwen, Mitarbeiter des niedersächsischen Schulausrüsters, der statt der Leinwand auch mal die Schultafel benutzt:

"So, ich zeichne gerade einmal an - ich zeichne nicht den ganzen Stecker an, hier, wenn ihr reinguckt ins Gehäuse - so ein weißer Stecker... Ich zeichne die Pins ja auch so leicht rein."

Dies ist nicht die erste "Lernwerkstatt", die Andreas Löwen veranstaltet. Den Profi verblüfft manchmal, was er selbst noch lernen kann von den Kindern:

"Was wir eben hatten - wenn wir den LED Stecker auf das Mainboard stecken - da habe ich eben angefangen von den oberen Steckern, ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass es einfach einfacher ist, wenn man den von unten anfängt zu stecken, aber die Kinder haben das zum Beispiel gemerkt. Da kam schon gleich ein Verbesserungsvorschlag."

Nora und Charlotte: "Also, da steckt man hier den Stecker rein - Und damit er nicht zu heiß wird… - Und damit der darunter nicht zu heiß wird, damit der ganze Computer... - Das heißt Mainboard! - Ach so! - In dem Mainboard ist da unten so ein Ding drin, wenn das zu heiß wird, dann geht der Computer aus, weil es da drüben zu heiß wird, deswegen haben wir hier einen Lüfter darauf gemacht. - Ein Prozessor! - Ein was? - Prozessor... Aha, der Prozessor! - Genau!"

Den Unterschied zwischen Professor und Prozessor - den lernen sie spätestens hier, meint Klassenlehrerin Dr. Uta Schorlemmer. Zur Medienkompetenz gehöre auch, die Furcht vor Technik zu verlieren:

"So eine Aktion hier, die Computer selbst zusammenzubauen, hat noch mal eine ganz andere Qualität als zu lernen, einen Text zu schreiben. Also, weil hier die Kinder als Handwerker tätig werden, ihre Sinne mit einbeziehen können, weil sie was bauen. Das ist auch wie ein Spiel, beispielsweise - aber es ist ein konstruktives Spiel und das hat auch noch den Lerneffekt, dass man einfach so im Machen lernt, woher das eigentlich alles kommt, womit man da spielt oder einen Text schreibt oder einen Film dreht."

Nach knapp vier Stunden kennen die kleinen Computerbaumeister Bauteile und deren korrekte Bezeichnung ihrer neuen Schulcomputer auswendig. Na ja - fast auswendig:

Charlene und Tamina: "Also da ist erstmal das Power-LED-Kabel drin, LED, genau und das ist halt grün (Lachen), das LED-HDD-Kabel, der Speaker, der ist halt so ein kleiner Lautsprecher, aber auch nicht so laut. Das ist aber nicht der richtige Lautsprecher für Filme."

Nach vier Stunden technisch ein voller Erfolg - und pädagogisch erst recht, freut sich Klassenlehrerin Uta Schorlemmer:

"Sie sind Baumeister ihres eigenen Lernmaterials. Das ist einer unserer pädagogischen Grundsätze: Mach dir dein Material, lege es dir zusammen, entwickele deine Methoden und komm zu deiner Lösung. Das andere ist, dass sie nicht mehr nur so einen Kasten vor sich sehen in Zukunft, sondern dass sie wissen werden, wo in diesem Kasten was gemacht wird. Und das dritte ist ein Effekt, der sehr tief geht - dass wir etwas ihnen in die Hand geben, was häufig Kindern nicht in die Hand gegeben wird: Verantwortung! Eine große Aufgabe - und wir ihnen das zutrauen! Und das Gefühl, wir trauen ihnen das zu, ist das Wichtigste, was eine Grundschule Kindern mitgeben kann."
Schüler der BIP-Kreativitätsgrundschule bauen PC zusammen
Schüler der BIP-Grundschule bauen PCs zusammen© Wolfgang Noelke