Künstlerisch, autonom, solidarisch

Die Comicszene organisiert sich

55:33 Minuten
TeilnehmerInnen beim Colorama Clubhouse Workshop.
Beim Colorama Clubhouse Workshop arbeiten Comickünstler zwei Wochen lang an einer Anthologie. © szim / www.szim.de
Von Jule Hoffmann · 06.11.2022
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An zwei Stellen ist dieses Jahr Geld in die Comicszene geflossen, die Projekte sonst meist unabhängig und unterbezahlt realisiert. Mit diesen neuen Ressourcen haben der Berliner Verlag Colorama und die neu gegründete Comicgewerkschaft viel in Bewegung gesetzt.
Seit 2016 veranstaltet Johanna Maierski zusammen mit der Comiczeichnerin Aisha Franz die jährliche Colorama Clubhouse Week – eine zweiwöchige Comic Residency in Berlin mit internationalen Comicschaffenden, die Reisekosten, Unterkunft, Verpflegung und Honorar erhalten, während sie an einer Comic-Anthologie arbeiten. 
Neben der Entdeckung neuer Talente und der Herausgabe eines experimentellen und aufwendig produzierten Buches, ist die Idee von Clubhouse vor allem, selbst die Rahmenbedingungen für künstlerisches Arbeiten zu schaffen, die anderswo fehlten, sagt Johanna Maierski: "Es ist einfach, alle Systeme zu kritisieren, aber schwer ist, neue Systeme zu schaffen, vor allem, wenn man nicht so viele Ressourcen hat."
Blick in den Raum des Clubhouse-Workshops.
Clubhouse will Bedingungen für künstlerisches Arbeiten schaffen, die anderswo fehlen.© Andreea Dican
Die Ressourcen gab es dieses Jahr zum ersten Mal. Von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa erhielt das Projekt die Spartenoffene Förderung und konnte zum ersten Mal alle Hilfskräfte bezahlen, den Künstler*innen zusätzlich zur Anreise und Unterkunft Honorare zahlen und vor allem Aufgaben verteilen, die Maierski sonst alleine übernommen hat.

Comics als eigenständige Kunstform 

Das fehlende Verständnis für Comics in Deutschland ist nach wie vor groß, auch wenn Comics zunehmend mehr Aufmerksamkeit bekommen, vor allem als Graphic Novels innerhalb der Literatur. Solange Comics nicht als eigene Kunstform verstanden und als eigene Kategorie in der Kulturförderung geführt werden, braucht es die Literatur als Trittleiter, sagt Eva Müller, Comiczeichnerin und Gründungsmitglied der Comicgewerkschaft:
“Wir sind für die Kunst zu angewandt und für die Angewandten zu künstlerisch. Es passt irgendwie nirgends rein.”
Bundesweit gibt es gerade mal zwei Stipendien, die sich ausschließlich an Comics richten und über deren Vergabe eine entsprechende Fachjury entscheidet. Dem gegenüber stehen etwa 200 Literaturstipendien.

Sind Comicschaffende Arbeiter*innen? 

Als der Berliner Comic-Künstler Nino Bulling zur diesjährigen Documenta eingeladen wurde, nutzte er sein Künstlerbudget, um eine schon länger kursierende Idee endlich in die Tat umzusetzen – die Gründung einer Comicgewerkschaft. Wie genau sich die Comicgewerkschaft als Institution manifestieren kann, ist noch offen. Seit einem knappen Jahr arbeiten alle Beteiligten ehrenamtlich daran, die Gründung voranzutreiben.
Derzeit läuft eine groß angelegte Studie, die sie gemeinsam mit Wissenschaftler*innen entwickelt haben und die in Form eines Online-Fragebogens belastbare Zahlen und Fakten zur Arbeitsrealität von Comicschaffenden im deutschsprachigen Raum liefern soll. Bis zum 30. November können Comicschaffende dort Fragen zu Ausbildung und Einkommen beantworten und Angaben zu ihrer Lebenssituation machen.

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