Comic-Kult in Saudi-Arabien

Cosplay mit Kopftuch

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Das Bild zeigt einen Mann und eine Frau mit Masken auf der Comic Con in Riad.
Lustig und angsteinflößend soll die Kombination aus Tracht und Maske wirken, sagt dieses Paar auf der Comic Con in Riad. © Anne Françoise Weber
Von Anne Françoise Weber · 25.11.2019
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Lange galten Bilder im strenggläubigen Saudi-Arabien als unschicklich. Heute sind japanische Mangas und Anime sehr beliebt. Bei der Comic-Convention des Landes in Riad treffen Frauen mit Gesichtsschleier auf Cosplayer.
In der Messehalle am Rand von Riad stehen zahllose Stände, riesige Monsterfiguren und Aufsteller mit großäugigen schmalen Heldinnen darauf. In einer Ecke umringen Menschen eine junge, europäisch aussehende Frau mit langen grauen Zöpfen, sie trägt eine Plastikrüstung. Gerade haben Bachra und ihre Freundinnen ein Autogramm der Cosplayerin eingeheimst. Sie strahlen.
Bei Bachra allerdings ist das nur den aufwendig geschminkten Augen anzusehen, den Rest des Gesichts hat sie unter einem schwarzen Gesichtsschleier verborgen: "Wenn es einen Frauenraum gäbe, würde ich mich auch als Cosplayerin verkleiden. Dort drüben gibt es den zwar, aber hier ist es gemischt, da kann ich das mit dem Gebot der Abaya nicht vereinbaren."
Zwar sorgt seit kurzem keine Religionspolizei mehr dafür, dass Frauen in der Öffentlichkeit Kopftuch und Abaya, also einen weiten schwarzen Umhang tragen, aber viele tun es weiterhin. Dass unter den Anime-Figuren auch Frauen mit sehr kurzen Röcken sind, schockt Bachra dennoch nicht – schließlich seien das keine echten Menschen. Und die Kleidung gehöre einfach zu den Charakteren.

"Es ändert sich alles so schnell"

Bachra ist nicht zum ersten Mal bei einer Comic- oder Anime-Convention. Früher habe es solche Fantreffen nur in kleinerem Rahmen oder geschlechtergetrennt gegeben – so gemischt sei es aber viel schöner, findet sie.
Diese Meinung teilt auch eine Gruppe junger Studentinnen, die sich fröhlich durch die Gänge schiebt. Auf die Frage, ob es denn in Ordnung sei, hier Männer und Frauen zusammen anzutreffen, kichern sie im Chor: "Yeah, yeah, we like it!"
Das Bild zeigt einen Comic-Titanen umringt von Menschen auf der Comic Con in Riad.
Die Anime-Fans in Riad lassen sich auch von Titanen nicht einschüchtern.© Anne Françoise Weber
Sarah steht ein paar Stände weiter. Sie hat ihre halblangen Haare lila gefärbt und trägt einen grünen Umhang mit weißem Kragen. Kein Problem für ihre Familie, sagt sie – sie könne sowieso machen, was sie wolle. Fotografiert werden möchte sie aber nicht.
Dass so viele Frauen auch bei der Comic Con einen Gesichtsschleier tragen, wundert sie nicht: "Es ist ihre Wahl, denke ich. Heutzutage ist das weniger erzwungen. Natürlich werden noch viele Frauen gezwungen, aber es wird weniger. Wir öffnen uns, das ist gut." Ob in zehn Jahren hier alle als Cosplayer verkleidet herumlaufen werden? "Vielleicht schon in zwei Jahren. Es ändert sich alles so schnell."

Verrückt nach japanischen Trickfilmen

Ein wenig weiter wirbt eine Video-on-Demand-Plattform für Jahresabos. Hier ganz neu im Angebot: eine japanische Serie, die die Plattform zeitgleich zur Erstausstrahlung schon mit arabischen Untertiteln anbietet, erklärt Issam, der hier um neue Kunden wirbt. Das Unternehmen hat seinen Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten – die Saudis seien aber noch verrückter nach den japanischen Trickfilmen als seine Landsleute, erklärt Issam.
Er findet den Erfolg in diesem Land, in dem manche Islamgelehrte Personenabbildungen aus religiösen Gründen ablehnen, gar nicht so erstaunlich: "Zeichentrickfilme zerstören nicht die Traditionen und Werte des Mittleren Ostens. Sie passen für Jugendliche und Kinder, und ältere Menschen mögen oft die Geschichten – und die Filme überschreiten die Grenzen nicht, die man hier zieht."

Zeichentrickserien mit "positiven Werten"

So gibt es mittlerweile sogar eine Manga-Produktionsfirma in Saudi-Arabien, gegründet von einer Stiftung des Kronprinzen Mohammed bin Salman – angeblich selbst Anime-Fan. Ziel der Firma: saudische Mangas und Zeichentrickfilme zu entwickeln, die "positive Werte verbreiten", wie es auf der Webseite heißt. Eine erste Zeichentrickreihe über saudische Traditionen hat es schon ins japanische Fernsehen geschafft.
Ein auffälliges Paar geht an Issams Stand vorbei – der eine trägt das typische weiße Männergewand der Golfstaaten und das rot-weiß gemusterte Kopftuch. Sein Gesicht steckt hinter einer braunen zotteligen Monstermaske. Er sei eigens aus dem benachbarten Bahrain angereist, sagt er mit verstellter Stimme. Die Kombination von Tracht und Maske habe er sich selbst ausgedacht: "Es soll gleichzeitig lustig und angsteinflößend sein. Alle finden das gut, schockiert sind nur Kinder."
Schon bitten wieder Besucher den Monstermann und seine Begleitung um ein gemeinsames Selfie. Ob die stumme Gestalt an seiner Seite mit der Vampirmaske und dem schwarzen Umhang wirklich seine Frau ist, wie er behauptet? Die Person ist einen Kopf größer und trägt ausgelatschte Turnschuhe; kein gesprochenes Wort verrät ihre Stimmlage ...
In der Anime-Welt ist eben einiges möglich – auch in Saudi-Arabien.
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