Comic als Marketingmittel

Von Volkhard App |
Um sich auf dem umkämpften Markt zu behaupten, setzen immer mehr Zeitungen und Zeitschriften auf preisgünstige Extraprodukte. Romane, Lexika und ganze Medienreihen gehören mittlerweile zu den Programmen. Nun gibt es erstmals auch Comics: Die Bildzeitung startete ihre zwölfteilige "Deutsche Comicbibliothek" und kam damit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung um einen Monat zuvor.
Der kleine tapfere Gallier hat sich mit dem Mediengiganten verbündet, ist Gallionsfigur des Boulevardblattes mit den besonders großen Buchstaben. Mit Asterix jedenfalls hat die Bild-Comicbibliothek begonnen - gleich drei seiner Alben sind zu einem Buch gebündelt: das frühe Abenteuer "Asterix der Gallier", "Der große Graben" und eine Sammlung teils amüsanter, teils überflüssiger Kurzgeschichten. Gedruckt in grellen Farben - und deutlich verkleinert, so dass bei "Asterix" so manches Detail verloren geht. Weniger problematisch ist die Verkleinerung in dem neuen, zweiten Band der zwölfteiligen Bibliothek: einer Kollektion von Donald-Duck-Geschichten aus den Ateliers höchst unterschiedlicher Zeichner.

Keine Frage, diese Bild-Bibliothek setzt auf das Gängige und ohnehin schon Populäre: Neben Asterix hat man weitere frankobelgische Stars wie Tim und Struppi, Spirou und den Cowboy Lucky Luke im Programm. Der erste Band fand reißenden Absatz. Und die Resonanz bei den Kritikern? Martin Jurgeit, Chefredakteur des Fachmagazins "Comixene":

"Die äußere Aufmachung gefällt mir sehr gut, ich war davon sogar positiv überrascht. Die Frage ist, ob hier ein gutes Papier gewählt wurde, die Farben saufen regelrecht ab. Verheerend ist meiner Meinung nach die redaktionelle Begleitung. Jetzt beim aktuellen Donald-Duck-Band werden Autoren und Zeichner nicht mal genannt. Da hätte man mit wenig Aufwand mehr erreichen können. Ich habe große Hoffnung, dass es bei der FAZ anders wird."

Jeder der ab Anfang September erscheinenden FAZ-Bände wartet mit einem Essay auf. Diese Bibliothek kommt in noch kleinerem Format als die Bild-Reihe heraus und das Programmprofil hat einen anderen Schwerpunkt. Die sprichwörtlichen "klugen Köpfe" müssen nach oben blicken:

Es ist Superman! Bei der FAZ sind noch weitere US-Superhelden im Angebot: die Fantastischen Vier, Batman und Spiderman. Auffällig sind die Überschneidungen mit der Bild-Bibliothek. Lucky Luke reitet auch für die FAZ dem Sonnenuntergang entgegen, und auch an der quirligen Maus und dem Choleriker Donald war man hier interessiert.

Turbulenzen wie sonst nur in Entenhausen. Bild und FAZ im Wettstreit um Comic-Stars. Seufz, Ächz und Stöhn! FAZ-Redakteur Andreas Platthaus sieht die Reibung rückblickend etwas nüchterner:

"Es hat am Anfang geknistert, das ist richtig. Das lag daran, dass wir verschiedene Wege gegangen sind. Die Bild-Zeitung hat sich an die deutschen Verlage gewandt und Zusagen bekommen. Und wir haben uns an die internationalen Rechteinhaber gewandt und Zusagen bekommen. Das ist ein Problem, weil jeder glaubte, diese Figuren exklusiv zu haben. So haben wir jetzt beide Lucky Luke, Donald Duck und Micky Maus in unseren Reihen. Da es aber unterschiedliche Geschichten sind, ist diese Entwicklung für die Fans vielleicht sogar günstig. Eine direkte Konkurrenz entsteht nicht mehr."

Gleich zwei Bibliotheken auf einmal. Was mancher Leser für beeindruckende Vielfalt hält, ist aber in Wirklichkeit eine Comic-Landkarte mit weißen Flecken. Unvollständig und von einem Kanon weit entfernt waren auch frühere Roman- und DVD-Reihen der Zeitungsverlage. Aber bei den Comics hätten es ein paar Überraschungen mehr sein dürfen, eine Expedition an die Ränder des populären Mediums wäre möglich gewesen.

Wie eine solche Comicbibliothek aussehen könnte, lassen bei der FAZ ein paar Titel ahnen: Dort wird der von Fans geliebte poetische Abenteurer Corto Maltese einem breiten Publikum vorgestellt. Der Mann aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der in Sibirien, Afrika und selbst in Venedig seine Erfahrungen sammelt, in einer Welt des Umbruchs - von Hugo Pratt meisterlich zu Papier gebracht, in einer Zeichenkunst, die der Phantasie des Lesers viel Spielraum lässt. Und dass der kürzlich verstorbene graphische Novellist Will Eisner einen eigenen Band erhält, spricht ebenfalls für die Fachkenntnis der FAZ-Redakteure. Aber solche Höhepunkte werden auch hier vom Populären konterkariert, von sattsam bekannten Zeitungsstrips wie dem Raufbold Hägar und den Peanuts. Auch vor den Schlümpfen schreckt das Blatt für die gebildeten Stände keinesfalls zurück. Viel Mainstream also. Andreas Platthaus:

"Das kann man so sehen. Aber wir können am Anfang nicht wissen, ob es so funktioniert, wie wir es uns vorstellen, und haben deshalb bei dieser Bibliothek auf Nummer Sicher gesetzt. Weil wir ein paar Titel mehr haben als die Bild-Zeitung, konnten wir es uns leisten, ein paar anspruchsvolle Comics aufzunehmen. Trotzdem will ich nicht abstreiten, dass wir viel Mainstream im Programm haben. Aber das ist per se nichts Negatives. Hinter jedem Titel kann ich voll und ganz stehen - das sind Klassiker, die wichtig waren für die Entwicklung des Mediums. Keine Frage, dass ich bei einer noch größeren Ausgabe gern noch weitere zehn Titel mehr ausgewählt hätte, die ich für unverzichtbar halte. Aber was nicht ist, kann ja noch werden."

Die schrillen Simpsons sind das einzige Zugeständnis der FAZ an eine jüngere, unorthodoxe Leserschaft. Die auflagenstarken japanischen Comics aber, die Manga, fehlen hier - weil man für die erstklassigen Titel die Rechte nicht erwerben konnte und die zweite Wahl habe man nicht gewollt. In der Bild-Bibliothek findet sich ein einziger Mangatitel, das Manko wird dadurch im Grunde noch auffälliger. Die Rechnung, so darf man annehmen, wird dennoch für beide Anbieter aufgehen. Sie werben mit diesen Zusatzprodukten für ihre Zeitungen und machen darüber hinaus ein schönes Geschäft. Martin Jurgeit:

"Solche Projekte gehen in der Regel von den Marketingabteilungen aus. Es geht eindeutig darum, der Zeitung zu helfen und ihr zusätzliche Möglichkeiten des Geldverdienens zu verschaffen, machen wir uns da nichts vor."

Und die Comics waren nach den Romanen, Filmen und Lexika eben das Feld, das diese Verlage noch nicht profitabel beackert hatten. Viele der Comicfreunde entscheiden sich wahrscheinlich nicht für eine dieser Reihen, sondern gleich für beide. Zu hoffen ist, dass das vor 20 oder 30 Jahren noch bejubelte Medium wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt.