Comeback einer Kult-Beilage

Von Jürgen Stratmann |
Ab heute startet die "Zeit" mit ihrem neuen wöchentlichen Magazin "Leben". Mit dem handlichen Format wolle man vor allem die Gruppe der jungen und weiblichen Leser erreichen, meint "Zeit"-Redakteur Christoph Amend. Das 1970 gegründete Magazin war nach 1999 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt worden.
"Die Redaktion der ersten Zeitmagazine war jung, in Temperamenten und Talenten bunter zusammengestellt, als es das Heft je werden konnte …"

... schrieb Michael Naumann, selbst damals temperamentvolles, junges Talent, in seinem Erinnerungstext "Wie alles begann: Drugs & Rock´n Roll". –
"Ihr Atem war kurz, die Nächte lang – dem Verleger Gerd Bucerius standen die Haare zu Berge – und bereits im dritten oder vierten Heft gähnten, wenige Stunden vor Redaktionsschluß, dreizehn leere Seiten im Produktionsplan. Da traten die Rolling Stones in der Hansestadt auf – über Nacht entstand eine Titelgeschichte über Mick Jagger – Das Magazin war gerettet – saved by Rock´n Roll."

Gisela Scheidler, heute Fotografie-Professorin, damals auch mit dabei, fand sogar, die Magazin-Redaktion hätte durchaus etwas von einer Hippie-Kommune gehabt.

"Viele Kollegen versagten den Paradiesvögeln ihre kollegiale Symphatie."

… schreibt Michael Naumann weiter ...

"So entwickelten die sogenannten Chaoten ihren eigenen, frechen Stil: kleine Serien über nichts, Mode, Kunst, Unterhaltsames."

Dabei war man engagiert – sah Dinge anders – etwa, wenn sich Jost Nolte 1972 mit Gefühlsausbrüchen überwältigter Verbrecher befasste:

"8 Mal lief die Verhaftung der Terroristen Andreas Baader, Holger Meins und Jan Karl Raspe über den Bildschirm, 8 mal hörte die Nation den Schrei des Holger Meins – warum Holger Meins geschrieen hat, fragte kaum jemand – das Zeitmagazin veröffentlicht 3 Beiträge, die den psychologischen und historischen Hintergrund und eine künstlerische Spielform des Themas beleuchten."

Ein Auge der Zeit wollte es sein, das Zeit-Magazin – und mit der Zeit änderte sich der Blick – in den 80ern wurde man bürgerlicher:

"Die Deutschen hatten den Hedonismus entdeckt, es war viel Geld da, und wir machten ein Magazin des Luxus und der Moden. Wir hatten unglaubliche Freiräume."

… schrieb der Ex-Zeit-Magazin-Redakteur und jetzige Zukunftsforscher Matthias Horx in der letzten Ausgabe. Freiräume, Experimente gab´s allerdings auch später noch - ´96 ließ man eine ganze Ausgabe von dem Grafikkünstler David Carson furios umgestalten – Die Reaktion? Ein Leserbrief:

"Bedauerlicherweise ist das von mir erworbene Zeitmagazin verdruckt - Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie mir ein lesbares Exemplar zukommen lassen könnten."

Kurz vor der Jahrtausendwende dann das Aus: Warum? Nach Matthias Horx:

"Für ein schöngeistiges Magazin ist im nächsten Jahrhundert kein Platz mehr. Die kulturelle und ästhetische Erneuerung, die sie früher vorantrieben, findet im Internet statt."

Das war ´99.

Das Gespräch zum Thema mit Christoph Amend, verantwortlicher Redakteur für das "Zeit"-Magazin "Leben", können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player hören.