Comeback-CD von Balthazar

Das Trojanische Pferd des Indie-Pop

Balthazar bei einem Auftritt 2014 in Berlin.
Cineastisch, düster, mystisch: Balthazar bei einem Auftritt in Berlin © picture alliance / dpa / Geisler-Fotopress
Von Marcel Anders |
Die belgische Band Balthazar macht Popmusik zwischen machohafter Koketterie und erotischer Poesie. Nach dreijähriger Trennung haben die beiden Musiker nun wieder ein gemeinsames Album produziert. Die Easy-Listening-Anmutung ist nur ein Schein.
Jinte Deprez: "Für uns fühlt es sich wie ein Neubeginn oder ein zweites Debüt an. Nach dem Motto: Die ersten drei Alben sind Geschichte, jetzt beginnt ein weiterer Abschnitt. Es ist zwar alles noch sehr Balthazar-mäßig, aber ein bisschen erfahrener und weniger ängstlich. Denn als Band wirst du über die Jahre immer selbstbewusster, was die Sache interessanter macht."
An Selbstbewusstsein mangelt es Jinte Deprez und Maarten Devoldere nun wirklich nicht. Die beiden 31-Jährigen aus Gent sind schlagfertig, schelmisch, mitunter auch ein bisschen arrogant. Und sie brennen darauf, ihre Karriere fortzusetzen.
2015, nach drei Alben und endlosen Tourneen, waren sie müde und erschöpft auseinandergegangen, haben sich mit Solo-Projekten wie Warhaus und J. Bernardt ausgetobt und dann einen zweiten Anlauf gewagt. Zunächst ohne konkrete Ideen – bis sie "Fever", das Titelstück ihres vierten Albums, schrieben.
Maarten Devoldere: "Was wir an dem Stück mochten, war sein Beat und sein abenteuerliches Arrangement. Trotzdem ist es ein eingängiger Popsong. Und das ist genau das, was Balthazar braucht; worin wir gut sind. Das ist unser Kerngeschäft: nämlich Indie-Pop. Wir versuchen nur, ihn möglichst frisch und kreativ zu gestalten."

Zwischen machohafter Koketterie und erotischer Poesie

Ein Ansatz, der für eine spannende Mischung aus 60's-Pop, Worldbeat, Funk und Soul sorgt. Mit starkem Groove, vielseitiger Instrumentierung und intensiver Atmosphäre.
Balthazar machen Popmusik, die etwas Cineastisches, Düsteres, Mystisches hat. Die mit Texten über Liebe, Lust und Leidenschaft aufwartet – und sich irgendwo zwischen machohafter Koketterie und erotischer Poesie bewegt. Leonard Cohen trifft Nabokov. Etwa im Stück "Wrong Vibration", das sich als Aufruf zu mehr Hedonismus und Sex versteht.
Maarten Devoldere: "Manchmal willst du einfach ein Arschloch sein. Und angesichts der #Metoo-Bewegung sind Songs der perfekte Ort, um diese Seite auszuleben. Also viel besser als im wahren Leben. Wobei mir diese Sexismus-Diskussion allerdings zu weit geht. Ich meine, würden Bücher wie 'Lolita' heute geschrieben, würden sie eine riesige Debatte auslösen. Dabei sind es wichtige Kunstwerke. Und ich zolle ihnen Tribut, indem ich Songs in derselben Manier schreibe. In 'Wrong Vibration' geht es zum Beispiel um Mädchen, die einfach zu süß sind – genau das macht sie langweilig."

Im Rudel die Muse jagen

Balthazar liebt es, Ecken und Kanten zu haben, den Hörer zum Mitsummen, aber auch zum Nachdenken zu bringen. Die Band täuscht Easy-Listening-Unterhaltung an, fordert aber Aufmerksamkeit, Beachtung, Reaktion. Sie ist ein trojanisches Pferd, hinter dem sich mehr verbirgt, als es auf den ersten Blick scheint. Das gilt auch für das Artwork von "Fever": Es zeigt afrikanische Wildhunde, die irgendwie putzig wirken – aber es nicht sind.
Maarten Devoldere: "Es ist ein Bild, das wir im Internet gefunden haben und uns sofort gefiel. Wahrscheinlich, weil diese Tiere irgendwie hässlich sind und etwas Underdog-mäßiges haben. Außerdem sympathisiere ich mit ihnen, weil sie gemeinsam im Rudel jagen - genau wie wir es auf der Suche nach unserer Muse tun."
Dieser Humor und diese Selbstironie sind ein weiterer positiver Nebeneffekt des Neuanfangs: Laut Maarten mussten Jinte und er sich erst trennen, um einander zu vermissen, die Relevanz von Balthazar zu erkennen und alles ein bisschen lockerer anzugehen.
Die besten Voraussetzungen für eine lange, erfolgreiche Karriere im zweiten Anlauf. Die elf Songs von "Fever" tun ihr übriges.
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