Cologne Tape - "Welt"

Assoziative Momentaufnahmen

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Jens-Uwe Beyer, Teil des Musik-Kollektivs Cologne Tape, in der Kölner Werft vor dem Rhein. © Andi Hörmann
Von Andi Hörmann  · 03.04.2017
In Zeiten von Selbstoptimierung muss man sich ein Kollektiv leisten können - im Musik-Business mit sinkenden Verkaufszahlen und schmalen Gagen kein leichtes Unterfangen. In Köln wagen es aber ein Dutzend Musiker und feiern die Freiheit des Kollektivs als Cologne Tape.
Philipp Janzen: "Kollektiv kann auch schnell als Füllwort verwendet werden, wenn mehrere Leute aufeinander treffen."
Doch mit der Formation Cologne Tape erlebt die etwas aus der Zeit gefallene Idee von musikalischem Freigeist im gemeinsamen Schaffensprozess eine Renaissance.
Philipp Janzen: "Man saß zusammen im Studio, die Wechsel an den Instrumenten waren fließend und man hat gesescht - die ganze Nacht durch. Den Tag dann geschlafen und abends weiter gesescht."
Außerweltliche Klänge und doch irgendwie auch geerdete Atmosphären: Töne wie Sternstaub, Melodien und Harmonien in der Umlaufbahn. Mit dem Album "Welt" veröffentlichen Cologne Tape nun das Destillat dieser ausufernden Improvisationen: Acht Tracks, 52 Minuten. Durchnummeriert: "Welt 1" bis "Welt 8".
Jens-Uwe Bayer: "Was dabei herausgekommen ist, das ist halt endlose Stunden an unterschiedlichster Musik."
Philipp Janzen: "Die Zustände während den Sessions hatten mitunter was Entrücktes. Und dementsprechend ist es eigentlich bei den meisten Teilen des Kollektivs so, dass beim Durchhören der Aufnahmen wirklich Schwierigkeiten besteht, genau zu definieren, wer was gespielt hat."
Philipp Janzen und Jens-Uwe Beyer erinnern sich nur noch vage an die Details der tagelangen Sessions. Das Schlagzeug könnte von Philipp Janzen sein, trommelt er doch ansonsten druckvolle Rhythmen bei der Kölner Avantgarde-Pop-Band "Von Spar".
Jens-Uwe Bayer: "Ich finde das tatsächlich ein schönes Zeichen, dass so viele Individualisten, sich zurück nehmen können, um was Neues, Eigenes entstehen zu lassen."

Ein gemeinsamer Popentwurf

Auch Jens-Uwe Beyer, besser bekannt als Popnoname, nimmt als Teil von Cologne Tape sein künstlerisches Ego zurück. Ein halbes Dutzend anderer Protagonisten der experimentellen Elektronik-Szene tun es ihm gleich: Ihre Musik-Projekte hören auf die Namen Ada, Barnt, Crato, The Field und The Modernist - alle aus dem Umfeld des Labels Kompakt, allesamt musikalische Persönlichkeiten, die ansonsten in Eigenregie an Tracks basteln. Im Kollektiv arbeiten sie an einem gemeinsamen Popentwurf - basisdemokratisch und undogmatisch. Kompromisslose Momentaufnahmen werden zu mutierten Kompositionen. Der Albumtitel passt dazu: "Welt". Assoziationen beflügeln die Musik: welthaltig, weltgewandt, weltoffen.
Philipp Janzen: "Es ist ja ein großes Kollektiv und ich denke: Jeder verbindet etwas eigenes mit dem Begriff "Welt". Und auch wenn ich das jetzt individuell benennen würde, würde es der Sache nicht gerecht werden, weil ich es direkt vielleicht in eine bestimmte Richtung ziehen würde. Das will ich eigentlich nicht."
Philipp Janzen und Sebastian Blume (v.l.n.r.), Bandmitglieder bei "Von Spar".
Philipp Janzen und Sebastian Blume (v.l.n.r.), Bandmitglieder bei "Von Spar".© Deutschlandradio - Jörg Stroisch
Die Aufnahmen von Cologne Tape zu ihrem nun erschienen Album "Welt" sind in einem Kellerstudio in Köln-Zollstock entstanden. Hier arbeitet Philipp Janzen normalerweise mit seiner Band "Von Spar" und produziert Alben von befreundeten Musikern. Das Musikstudio, eine Welt für sich - Cologne Tape machen sie hörbar.
Philipp Janzen: "Es gab keinerlei Konzept, es war vollkommen unklar, wo es musikalisch hin geht. Das einzige, was klar war, ist, dass man sich maximale Freiheit lässt, indem, was man spielt."
Jens-Uwe Bayer: "Wir sind selbst erstaunt gewesen, dass so eine Musik raus kommt. Das war nicht beabsichtigt. Aber das scheint so zu sein, wenn viele Musiker zusammen kommen, dass es dann irgendwie psychedelisch, lang, monoton ... Vielleicht hat es auch was mit der Stadt zu tun. Vielleicht ist es die Nähe zum Rhein, dass der Rhein unsere Musik macht."
Die Achse Köln-Düsseldorf hat seit den 1960er-Jahren große Musik-Kollektive hervorgebracht - von Can bis Cluster. Schon geographisch stehen Cologne Tape in der Tradition des Krautrock. Die Idee dahinter zelebrieren sie im Hier und Jetzt: Die Lust am Experimentieren, das Studio als Experimentierfeld. "Kollektiv" ist eben auch ein Haltung gegenüber der Musik. In den 1970er-Jahren benannte sich eine Jazz-Rock-Band aus Krefeld sogar danach: Kollektiv. Nomen est omen.
Offene Strukturen und grenzenlose Formen - die Sogwirkung hypnotisierender Musik. Das funktionierte gestern genauso wie es heute noch wirkt. Das Musik-Kollektiv ist wie der Krautrock wieder da - nein, sie waren nie weg. Der Mut zum Experiment, die Solidarität in der Komposition, die Zeit für Kreativität - man muss es sich nur leisten können. Mit den richtigen Zutaten und Musikern landet als Kollektiv produzierte Musik schon mal in den Charts. Die Gorillaz machen es möglich - dieses hippe, moderne und überaus erfolgreiche Band-Kollektiv um Blur-Frontmann Damon Albarn.

Gestern uncool, morgen angesagt

Was gestern uncool war, kann morgen schon ultra angesagt sein. Bedeutungsverschiebungen und Trend-Wandel: Das passiert gerade mit der vor Jahren noch in der Pop-Avantgarde verschmähten, sogenannten Weltmusik.
Philipp Janzen: "Genau dieser Begriff ist natürlich auch assoziativ im Kollektiv gefallen. Weltmusik hat sich ja gelöst von diesem Verquasten, Hippieesken, Esoterischem, was es mal hatte in den 1990er-Jahren. Der Begriff hat sich emanzipiert, wie das so oft passiert im Pop-Bereich. Zumindest kenne ich Leute, die ohne sich zu schämen heutzutage Andreas Vollenweider hören, was vor 20 Jahren nicht möglich gewesen wäre."
Cologne Tape erschaffen mit ihrem Album "Welt" eine Art liminoiden Pop - einen Schwellen-Krautrock, ein Coming-of-New-Age. Das Kollektiv ist nur der Katalysator.
Philipp Janzen: "Was die Sache ausmacht, ist, dass alle Beteiligten an dieser Platte politisch und sexuell anders denkend sind. Uns alle verbindet ein bestimmter Wunsch nach Freiheitlichkeit des eigen Lebens und der eigenen Musik. Und ich denke, das wird da zusammengefügt, das macht das Kollektiv aus."
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